Leben und GesellschaftSo arbeitet die Generation Y
Herr Stettes, momentan wird viel über die „Generation Y“ gesprochen. Gibt es diese Generation wirklich oder ist das vor allem ein Medienphänomen?
Oliver Stettes: Generationenbegriffe sind immer Konstruktionen, das gilt für die Generation Y ebenso wie für die Generation X oder die 68er. Wer solche Schubladen aufmacht, sollte im Blick behalten, was sich tatsächlich verändert hat in den vergangenen Jahren auf dem deutschen Arbeitsmarkt.
Und das wäre?
Stettes: Unternehmen finden eine buntere Gruppe von unterschiedlichen Bewerbern und Mitarbeitern vor als früher. Frauen und Männer, Jung und Alt, Menschen mit und ohne Migrationshintergrund – mit den unterschiedlichsten Biografien. Das bedeutet: Wünsche und Bedürfnisse sind heterogener als früher. Und mit dieser Unterschiedlichkeit müssen sich Unternehmen heute und in Zukunft bewusst auseinander setzen. Firmen können heute nicht mehr sagen: Wir wollen nur Männer zwischen 30 und 50, das geht an der Realität vorbei.
Was sind die Ursachen?
Stettes: Der Arbeitsmarkt hat sich gedreht, vor allem aufgrund des demografischen Wandels. Wir werden weniger und es gibt vielerorts bereits große Fachkräfte-Engpässe. Als Unternehmen dabei nur auf die Generation Y zu gucken, greift zu kurz. Arbeitgeber müssen alle im Blick haben und sich bewusst machen, dass die Lebensphasen, in denen sich ihre Beschäftigten befinden, wechseln.
Es heißt, den Berufsanfängern sei Geld, Status und Macht gar nicht mehr so wichtig. Im Vordergrund stünden Sinn, Selbstverwirklichung und ein gutes Team. Erleben Sie das auch?
Stettes: Karriere und Gehalt sind immer wichtige Themen, früher genau so wie heute noch. Den Leuten war auch früher der Sinn ihrer Arbeit wichtig, inzwischen sind nur die Chancen besser, einen Arbeitsplatz zu finden, der den individuellen Ansprüchen genauer entspricht. In einem guten Arbeitsmarktumfeld kann ich als Bewerber mehr Forderungen stellen und auch realisieren.
Zum Beispiel Home-Office-Tage, flache Hierarchien, flexible Bürozeiten.
Stettes: Das alles ist Ausdruck einer flexiblen Arbeitswelt. Doch klar ist auch: Nicht jeder möchte von zu Hause aus arbeiten und in vielen Branchen und Positionen ist das auch gar nicht möglich. Aber all diese Formen der Flexibilisierung befördern die Individualisierung im Arbeitsleben – nicht nur für die Generation Y. Viele der sogenannten Babyboomer wollen oder müssen sich um ihre pflegebedürftigen Eltern kümmern, ohne den Beruf aufzugeben. Flexible Arbeitsformen erleichtern den Spagat
Hört sich gut an für die Arbeitnehmer
Stettes: Ist es aber auch für den Arbeitgeber, denn zufriedene Mitarbeiter sind gute Mitarbeiter. Trotzdem wird die Arbeit natürlich nicht zum Wunschkonzert, nach wie vor gibt es betriebliche Vorgaben, die Vorrang haben. Was sich aber verändert hat zwischen den Generationen ist der Umgang mit Informations- und Kommunikationstechnologien.
Was genau meinen Sie?
Stettes: Früher haben Mitarbeiter neue Technologien erst am Arbeitsplatz kennengelernt und sie mit nach Hause genommen. Heute bringen vor allem junge Mitarbeiter diese mit ins Büro. Sie sind es gewohnt, mit Smartphone, Tablet-PC und Apps umzugehen, auch wenn es im eigenen Unternehmen noch unüblich ist. Sie zeigen neue Wege auf, wie man die Technik im Geschäftlichen nutzen kann, das eröffnet viele Möglichkeiten.
Es heißt, die Generation Y ist schlecht darin sich zu hinterfragen, aber gut darin, sich selbst zu überschätzen. Stimmt das?
Stettes: Das kann ich so nicht bestätigen, das ist immer eine Frage der eigenen Persönlichkeit. Aber dank Internet und der neuen Technologien weiß man einfach mehr von den vielen Möglichkeiten, die sich in der Arbeitswelt bieten. Dieses Wissen für sich zu nutzen, ist legitim.
Wie geht man als Mitarbeiter am besten mit den neuen Bedingungen um? Was sind ihre Tipps?
Stettes: Ich muss mir als Arbeitnehmer klar werden, was ich möchte. Dann finde ich auch eher den Arbeitgeber, der mir das Paket anbietet, das für mich am attraktivsten ist. Worauf lege ich Wert: Geld, Sicherheit, Handlungsspielräume oder muss es der Blick vom Büro auf den Rhein sein? Einem Arbeitsvertrag stimmen immer zwei Seiten zu. Je mehr ich über mich selbst weiß, desto genauer kann ich meine Wünsche formulieren.
In ein paar Jahren werden wir dann wohl über die Generation Z reden. Was wird diese kennzeichnen?
Stettes: Anlass zur Sorge gibt es jedenfalls keinen. Schon die alten Griechen haben über die Jugend geklagt, genauso wie wir vermutlich dann über die Generation Z. Jede Zeit hat ihr eigenes Umfeld, das die Menschen prägt. Und doch bleibt es immer bei der Frage: Was beeinflusst mein Verhalten und meine Einstellungen? Ich glaube nicht, dass es in erster Linie das Geburtsjahr ist, sondern vielmehr die konkrete Lebensphase, in der ich mich gerade befinde.