KlimawandelUngewöhnlicher Jetstream ist für die Hitze in Europa verantwortlich
Im Juli sind bislang rund um den Globus 118 Hitzerekorde erreicht oder gebrochen worden, berichtet die US-Wetter- und Ozeanbehörde NOAA. „Wir haben nun sehr klare Belege dafür, dass die globale Erwärmung einen Daumen auf die Skalen gelegt hat und die Wahrscheinlichkeit von Extremen wie großer Hitze und heftigem Regen erhöht hat“, sagt der Klimaforscher Noah Diffenbaugh von der Universität Stanford.
Die Experten sehen einen extrem ungewöhnlichen Jetstream (siehe nächste Seite), der das Wetter auf der nördlichen Erdhalbkugel bestimmt: „Seit Wochen steckt ein ungewöhnlich scharf gewellter Jetstream an einem Ort fest“, sagt Jeff Masters, Direktor der Privatfirma Weather Underground. Dadurch verharre die Hitze in drei Regionen: Europa, Japan, Westen der USA.
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Das gleiche Jetstream-Muster habe schon 2003 in Europa und 2010 in Russland Hitzewellen verursacht sowie 2011 eine Dürre in Texas und Oklahoma und die kalifornischen Waldbrände von 2016, berichtet Klimaforscher Michael Mann von der Pennsylvania State University und verweist auf einschlägige Studien. Der menschenverursachte Klimawandel erwärme insbesondere die Arktis, was Wetterextreme woanders auslöse. Wissenschaftler haben in den vergangenen Jahren mit Beobachtungen, Statistiken und Computersimulationen errechnet, ob die globale Erwärmung bestimmte Ereignisse wahrscheinlicher macht.
Mehr Hitzewellen wahrscheinlich
Europäische Forscher kommen in einer jetzt veröffentlichten Studie zu dem Schluss, dass die Wahrscheinlichkeit einer Hitzewelle in Europa wie der aktuellen sich wegen der menschenverursachten globalen Erwärmung verdoppelt hat.
Das Forscherteam verglich Hitzedaten von drei Tagen und Vorhersagen für die Niederlande, Dänemark und Irland mit historischen Daten, die bis ins frühe 20. Jahrhundert zurückreichten. „Die Welt wird wärmer, und somit werden Hitzewellen wie diese häufiger“, sagt Friederike Otto vom Environmental Change Institute an der Universität Oxford. Erich Fischer, ein Experte für Wetterextreme an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich, hält die Analyse der Forscher für stichhaltig, glaubt aber: „Ihre Schätzungen könnten eher konservativ sein.“
Die Klimaforscherin Kim Cobb vom Georgia Institute of Technology sagt, der Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und Bränden sei nicht so stark wie bei Hitzewellen. Der Waldbrand in Griechenland mit mindestens 86 Toten hat mehr Menschen das Leben gekostet als jedes andere vergleichbare Feuer in Europa seit 1900. Das geht aus der Datenbank des Brüsseler Katastrophen-Forschungszentrums CRED hervor. In den USA brannten zuletzt 89 Großfeuer, die etwa 3700 Quadratkilometer Land zerstört haben, so das National Interagency Fire Center. Seit Jahresbeginn haben Brände 16 795 Millionen Quadratkilometer der USA abgefackelt, eine um 14 Prozent größere Fläche im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre.
Die erste große wissenschaftliche Studie, die einen Zusammenhang zwischen Treibhausgasen und stärkeren und längeren Hitzewellen herstellte, erschien 2004. Sie trug den Titel „Intensivere, häufigere und länger andauernde Hitzewellen im 21. Jahrhundert“. Der Studienautor Gerald Meehl vom Nationalen Zentrum für Atmosphärenforschung der USA sagte, dass die Studie sich nun wie die Vorhersage dessen lese, was geschehen sei und weiter geschehen werde, wenn die Temperaturen mit den ständig wachsenden Treibhausgas-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe ansteigen. „Es ist kein Mysterium“, sagte Gerald Meehl.
Die Wetterextreme werden gerade von einer im Durchschnitt „nur“ um 0,95 Grad Celsius wärmeren Welt ausgelöst. Erst oberhalb von zwei Grad Celsius – im Durchschnitt (!) – beginne „gefährlicher Klimawandel“, hat die Staatengemeinschaft vor Jahren beschlossen und sich auf der UN-Weltklima-Konferenz 2015 in Paris entschlossen, dieses Ziel durch eine drastische Senkung der Weltemission auch zu erreichen. Als die UN freiwillige Klimaschutztaten der Nationen einforderte, ernüchterte das Gesamtergebnis: Es läuft auf eine Erhöhung der durchschnittlichen Erdtemperatur um 3,4 Grad seit 1850 hinaus. (mit red)
So hängt alles mit allem zusammen
Die Überflutungen und Hitze- wellen erklären TV-Wettermoderatoren seit einigen Jahren mit „stehenden Wettern“. Was steckt dahinter? Der Klimawandel? Ja, aber die Wirkungskette ist lang und beginnt auf der Nordhalbkugel in der Arktis. Die Erde hat sich durch die von der Zivilisation freigesetzten Treibhausgase seit rund 170 Jahren um rund 0,95 Grad Celsius erwärmt – im Durchschnitt. In Deutschland sind es 1,4 Grad, in der Arktisregion um bis zu 3,5 Grad. Weil das Eis im arktischen Sommer stark schmilzt, bleibt eine dunkle Meeresfläche übrig, die wesentlich mehr Sonnen- in Wärmestrahlung verwandelt als weißes Eis.
Das puscht die Erwärmung. So hat sich die nördliche Region auf der Nordhalbkugel stärker erwärmt als der südliche Rest. Das verringert den Temperaturunterschied zwischen Pol und Äquator und damit das Energiegefälle.
Folge: Je schwächer der Temperaturkontrast, desto schwächer weht der Höhenwind, der auch „Strahlstrom“ oder „Jetstream“ heißt. In einer Welt ohne globale Erwärmung fegt der Jetstream in 10 bis 15 Kilometer Höhe in flachen Wellen mit bis zu 500 Stundenkilometern um die Erde (siehe Grafik links). Da das Starkwindband die Hochs und Tiefs darunter steuert, wechseln sich in den gemäßigten Breiten normalerweise Hoch- und Tiefdruckgebiete ab.
Eine erwärmte Nordhalbkugel mit verringertem Temperaturgefälle schwächt den Jetstream, der nun zu schlingern beginnt und Mäander wirft wie ein Fluss (siehe Grafik mitte). Dadurch kann extrem kalte Luft südwärts und extrem heiße Luft nordwärts dringen. Die Grafik rechts zeigt den Jetstream in der vergangenen Woche: Saharaluft kann bis nach Sibirien vordringen. Nicht nur das: Ein stark mäandrierender Jetstream bewegt sich als Ganzes kaum noch, weshalb die Wetter „stehen“. Faustregel: je mehr Bäuche im Jetstream, desto mehr stehende Wetter.
Der russische Physiker Vladimir Petoukhov vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) hat entdeckt, dass ein verlangsamter Jetstream, wenn er in nur sieben Mäandern um die Erde kurvt, quasi einen Wetter-Stillstand produziert. Seine Studie hatte er 2013 im US-Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“ veröffentlicht. Darin untersuchte er die Feuer-, Hitze- und Flutkatastrophen der Jahre zuvor. Ergebnis: Die planetaren Wellen waren jeweils „wie eingefroren. Sie blieben wochenlang fast unverändert“, so Petoukhov. Das hat Auswirkungen: Ob eine Hitzewelle oder ein Regengebiet Tage über einer Region verharrt oder Wochen, entscheidet darüber, ob sich am Erdboden eine Katastrophe zusammenbraut.