KindheitserinnernungenDas Aus für die Diddl-Maus

Es hat sich ausgediddlt. Die Produktion der einst allgegenwärtigen Diddl-Mäuse wurde eingestellt. Die Zeiten ändern sich nun mal.
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Am Anfang fand ich sie wirklich gut. Witzig irgendwie, dieses Geschöpf, auf den ersten Blick gar nicht unbedingt als Maus zu erkennen. Eher sah sie aus wie ein Chinchilla mit zu großen Ohren und überdimensionierten Füßen. Meist dauergrinsend, manchmal auch verschämt unter den drei Haarspitzen hervorlukend, begleitete sie auf Postkarten Botschaften wie "Ich hab dich ganz doll lieb" und "Mein Herz schlägt nur für dich". Mit dreizehn war ich empfänglich für die Starthilfe, die es leichter machte, mehr oder weniger intime Botschaften weiterzugeben. Dass diese Empfänglichkeit auch für die dreizehnjährigen Jungs aus der Parallelklasse mit Backstreet-Boys-Frisur galt, senkte die Hemmschwelle.
Kuschel-, Schoko- Plastik-Diddl
Irgendwann fing das Viech an, zu nerven. Diddl war auf einmal überall. Auf Kaffeetassen und Bettwäsche, auf Unterhemden und Notizbüchern und Bleistiften und Federmäppchen. Es gab sie als Kuschel-Diddl und Plastik-Diddl und aus Schokolade. Und man ahnte: Das ist nichts für die Ewigkeit.
Die 90er waren nun mal das Jahrzehnt des schlechten Geschmacks, Diddl fügte sich nahtlos ein zwischen Scooter-Songs, Arschgeweih und Beverly-Hills 90210. Dann kam die Jahrtausendwende, und aus Spaß wurde so was wie Stil.
Und heute? In einer Welt, in der schon Zwölfjährige wie Rockstars aussehen und sich in gleicher Weise zu benehmen versuchen, haben Sprüche wie "Für dich suche ich sogar Erdbeeren auf dem Mond" keinen Platz mehr. Für Diddl war es Zeit geworden, zu gehen. Das sah auch der zuständige Vertrieb, die Firma Depesche aus Schleswig-Holstein, ein und beendete die Produktion der Diddl-Produkte.
Wer wird sie vermissen? Die Teenies von heute nicht. Und die von damals werden, zu Besuch bei den Eltern, in Kartons kramen und darin eine alte Diddl-Postkarte finden. "Du und ich - für immer" steht vielleicht darauf. Für eine Weile haben wir das sogar geglaubt.
Trolle
Sie hatten neonfarbene, senkrecht hoch stehende Haare, wahlweise in Stechgrün, Bonbonpink oder Knallblau. Ich hatte kleine und große, sie standen auf dem Sideboard meines Kinderzimmers. Welche Geschmacksverirrung. Heute, mehr als zwanzig Jahre später, kann ich nur noch ahnen, was mich dazu bewogen hat, die Trolle damals süß und lustig zu finden. Nicht die Kulleraugen, nicht das breite Grinsegesicht - es müssen einfach die Haare gewesen sein. Denn die konnte man kämmen (zumindest ein bisschen) und bei Bedarf sogar mit Gel stylen. Für eine Neunjährige ein Traum.Christina Rinkl
Zuckerstückchen
Eine meiner Leidenschaften gehörte den Zuckerstückchen. In jedem Restaurant, Café oder Hotel servierte der Kellner meine Sammelobjekte als "persönliche Visitenkarte" zum Kännchen Kaffee meiner Eltern: zwei Stückchen Würfelzucker, eingeschlagen in weißes Papier mit individuellem Aufdruck. Der Vielfalt waren keine Grenzen gesetzt. Mal war es eine Tuschezeichnung des Restaurants mit Name und Anschrift, mal waren es Sternbilder mit Monatsangabe und Eigenschaften, die dem Träger des Sternzeichens zugeordnet wurden. Auch heute noch finde ich immer wieder Zuckertütchen in meiner Handtasche, die ich beim letzten Café-Besuch unbewusst eingesteckt habe.Gaby Warren
Glanzbilder
Für manche sind sie der Inbegriff des Kitsches. Mich erfüllt es heute noch mit einem wohligen Gefühl, wenn ich Glanzbilder in einer dieser kleinen Boutiquen entdecke, in die man nur hineingeht, wenn man Zeit zum Stöbern hat. Die Bildchen mit Elfen, Putten oder wundervoll gezeichneten Märchenfiguren sind untrennbar verbunden mit Erinnerungen an die Nachmittage meiner Kindheit. An denen meine Freundin und ich unser Taschengeld in die in Cellophanpapier gehüllten Bilder investierten. Wollten wir uns etwas Besonderes leisten, durften es auch mal Glitzer-Bilder sein. Später holten wir dann unsere Sammelkisten heraus und bewunderten die Schätze. Schade, dass ich nicht mehr weiß, wo meine Glanzbilder-Kiste abgeblieben ist.Angela Horstmann
Cola-Dosen
War es bevor oder nachdem ich Mister Robot im Eschweiler City-Center zujubelte, dass ich anfing, diese Dosen zu sammeln? Ich weiß es nicht mehr, aber es war in den tiefsten Achtzigern. Weißblech, bedruckt mit knallbunter Pop-Art. Und das Ganze kostete nicht mehr als eine normale Dose. Dass darin viel zu süße Kirsch-Cola war, war mir egal. Geöffnet wurden die Büchsen eh nicht, sondern in der Vitrine meines Jugendzimmers gestapelt. Da blieben sie auch stehen, als ich die Heimat verließ. Erst als meine Eltern umzogen, musste ich etwas tun. Über den Kanaldeckel gebeugt, öffnete ich Dose für Dose und ließ die traurigen Limonadenreste in die Kanalisation rinnen. Die leere Pop-Art endete in der Mülltonne - es gab ja noch nicht mal Pfand dafür.Markus Düppengießer
Plastikschnuller
Es muss irgendwann in den 90ern gewesen sein. Eine Zeit, in der sich meine prä-pubertäre Sammelwut in kurzen, aber heftigen Intervallen entlud. Sticker, Schreibblöcke, Pringles-Dosen und der Höhepunkt der Taschengeldverschwendung: Plastikschnuller. Zu einem schweren Gewicht vereinigt, baumelten sie wie eine Abrissbirne um meinen Hals. Wie viele es waren, daran kann ich mich nicht erinnern, wohl aber an die Tauschorgien: "Den Gelben nur gegen den kleinen Schuh". Denn die Motiv-Auswahl war groß: Vom Schnuller über Autos bis hin zu Schuhen wurde alles hergestellt, was irgendwie aus Plastik zu pressen war. Ich fand's gut - warum auch immer. Wahrscheinlich weil alle das fanden. Dass ich das Kirmesgeld meiner Oma dafür verschleuderte, habe ich ihr bisher nie erzählt.Jenny Filon