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„Ich glaube nicht an Hundeliebe“Ildikó von Kürthy über ihr neues Leben als Tier-Mama

Lesezeit 8 Minuten

Treue Knopfaugen, aber am Anfang doch lästig: Auch Ildikó von Kürthys Hund Hilde musste stubenrein werden.

Die Autorin Ildikó von Kürthy erzählt, warum ihre Hündin Hilde zwar gutes Karma verbreitet, aber ihre Träume und Kindersehnsüchte überhaupt nicht erfüllt. Soeben ist ihr neues Buch erschienen. Aus diesem Anlass sprach Jasmin Krsteski mit der Schriftstellerin.

Frau von Kürthy, in Ihrem Buch über ihr neues Leben als Hundebesitzerin schreiben Sie: „Man kann sich nur wider besseren Wissens für einen Hund entscheiden.“ Das müssen Sie erklären.

Ich hatte den Wunsch nach einem Hund ja schon lange. Es sprach aber immer irgendwas dagegen. Man möchte ja weiterhin ungehemmt in den Urlaub fahren, abends ausgehen und an verregneten Sonntagen keinen Fuß vor die Tür setzen. Andererseits, wenn man Kinder hat, ist das Leben ja diesbezüglich eh schon verdorben, da kommt es eigentlich auch nicht mehr drauf an. Wenn man sich das also rational durchrechnet, dann bleibt beim Hund eine große Unbekannte: Der emotionale Zugewinn. Auf den kann man ja nur hoffen, ihn aber nicht fest einkalkulieren. Was ist das für ein Posten auf der Rechnung? Einer der nicht recht greifbar ist.

Und auf der anderen Seite stehen dann Dinge wie: Im Regen rausgehen und Kot aufsammeln müssen…

Ja. Man muss sich nur mal selbst vorstellen, wie man hinter einem Wesen hinterherläuft, dessen Kacke man aufsammelt und dann hinter ihm herträgt. Da kann es ja eigentlich keine zwei Meinungen mehr geben, ob man einen Hund haben will oder nicht. Aber es ist wie mit Kindern: Sobald man einmal drin ist in dem Kosmos, ist man halt Teil dieser schrägen Welt und denkt, das sei ganz normal. Ist es aber nicht.

Sie mögen Ihre Golden-Doodle-Hündin Hilde aber schon, oder?

Ich bin froh, dass ich Hilde habe. Aber auf ganz andere Weise als ich dachte. Sie hat meine Träume und Sehnsüchte überhaupt nicht erfüllt.

Das klingt jetzt hart...

Das Buch

Ildikó von Kürthy: „Hilde – mein neues Leben als Frauchen“, Rowohlt, 320 Seiten, 19,95 Euro. E-Book: 16,99 Euro.

Am 16.3. 2018 ist Ildikó von Kürthy auf der Lit.Cologne.

Ja, hart mir selbst gegenüber. Ich habe aus einem ganz eigenartigen Grund einen Hund, nämlich weil ich eine Kindersehnsucht stillen wollte. Und das funktioniert ja nie. Ich bin eben kein Kind mehr, das einen Hund liebt, sondern eine erwachsene Frau. Alles ist anders, nur die arme Hilde, die soll den Platz des verstorbenen Welpen einnehmen, den ich als Kind hatte und der vor meinen Augen überfahren wurde. Hat natürlich nicht geklappt. Jetzt hat sie einen ganz pragmatischen, gemütlichen Platz in unserer Familie. Meine Kinder lieben sie, wie sich das gehört und wie ich früher meinen Hund geliebt habe. Und ich habe sie gerne um mich. Und wenn es regnet, gehen wir nicht raus.

Wie machen Sie das? In Hamburg regnet es doch auch mal einen ganzen Tag und der Hund muss doch raus?

Dann huscht sie in den Garten, macht ganz schnell ihr Geschäft und kommt wieder rein. Sie geht bei schlechtem Wetter ungern vor die Tür, da sind wir uns sehr ähnlich. Ich bin da ganz pragmatisch. Das ist so wie mit Kindern: Die sind ja per se stressig, da muss man sich nicht noch extra Stress dazu machen. Wobei, jetzt, wo Hilde nicht mehr überall in die Wohnung kackt und einigermaßen erzogen ist, ist sie herrlich pflegeleicht. Gerade liegt sie zum Beispiel da direkt vor mir rum, und es ist einfach nett, dass sie da ist. Sie macht nichts. Sie ist sozusagen mein atmendes Meditationskissen.

Spendet sie nicht auch Trost und gibt Liebe, wie man es sich so vorstellt, wenn man sich einen Hund anschafft?

Mir nicht. Das liegt aber daran, dass ich nicht an Hundeliebe glaube. Ich kann nicht so richtig vergessen, dass ich da einen kleinen konditionierten Opportunisten vor mir habe, der mir niemals das größere Stück Wurst überlassen würde.

Natürlich liebt Hilde mich bedingungslos. Sie würde mich aber auch bedingungslos lieben, wenn ich gerade von einem Kettensägenmord nach Hause käme. Man möchte doch einen Partner, der einem Bescheid sagt, wenn man gerade nicht mehr liebenswert ist. Hilde ist heimelig. Und es ist schon tröstlich zu sehen, dass diesem Hund die Welt da draußen schnuppe ist. Egal was für ein Terroranschlag wieder irgendwo in der Welt geschehen ist und mir das Herz schwer macht, mein Hund liegt da und verbreitet gutes Karma.

Wie hat sich Ihr Leben verändert, seit Hilde da ist?

Ich dachte, ich sei auf meinen Welpen astrein vorbereitet. Ich hatte ja sämtliche Fachliteratur durchgearbeitet und wusste ganz genau, wie man es richtig macht. Und war dann einigermaßen überrascht, dass ich so völlig emotional überfordert war. Überall steht: Ach, den kleinen Hund, den liebst du sofort – ein Blick in seine treuen Augen, und jeder Kackhaufen auf dem schönen wie kostbaren Kelim ist sofort vergessen. Aber so war es nun mal nicht.

„Das letzte Kind hat Fell“ – da ist also was dran?

Ja, das hat mich wirklich kalt erwischt. Ich dachte, ich sei gestählt durch zwei Söhne, die nicht ausschließlich vollwertig ernährt worden sind. Da gerät man ja in Grabenkämpfe im Sandkasten, weil man Gläschenkost gibt. Jetzt saß ich drei Bänke weiter von dem Sandkasten, wo ich damals schon übel angefeindet worden war wegen Kindererziehung, Verdauung und Stuhlgang, bloß dieses Mal auf der Hundewiese, und fand mich praktisch in genau dieselben Diskussionen verstrickt. Der Irrsinn ist komplett vergleichbar, nur dass Hundebesitzer noch weniger Humor haben, als Spätgebärende in besseren Wohnlagen. Bei Hunden hört der Spaß so was von auf.

Sind Hundebesitzer andere Menschen als man sie vorher kannte?

Total. Selbst wenn man sie vorher kannte – wenn man sie dann mit ihrem Hund erlebt, sind es ganz andere Menschen. Man hat natürlich auch echt viele nette Begegnungen. Aber ich finde es zum Beispiel schwierig, wie selbstverständlich manche Hundebesitzer ihre Tiere gegen Radkappen pinkeln oder an kleinen Kinder hochspringen lassen. Da bin ich schon erschrocken, wie sich der Horizont dramatisch schnell einschränkt. Das geht mir nicht so. Ich merk schon noch, wenn ich störe und Hilde sich schlecht benimmt – hoffe ich jedenfalls.

Offenbar gibt es auch in der Welt der Hundebesitzer zahlreiche Trends, vom Ernährungskonzept des Barfen bis hin zur Erziehungsmethode „Artgerecht und ohne Strafen“. Gibt es welche, die sich lohnen?

Zur Person

Ildikó von Kürthy (49) ist freie Journalistin und Autorin zahlreicher Bücher. Sie lebt mit ihrem Mann, zwei Söhnen und der Mini-Golden-Doodle-Hündin Hilde in Hamburg.

Was wirklich sinnvoll ist und was fast keiner macht, ist: Sich ehrlich zu fragen, welcher Hund passt zu mir, und nicht, von welchem hätte ich gerne, dass er zu mir passen würde. Das heißt eben unter Umständen: Ich brauche einen Pinscher, denn meine Persönlichkeit reicht nicht für einen Rottweiler. Das ist natürlich hart. Häufig wird der Weimaraner angeschafft, nur weil er sich gut macht auf Räuchereiche-Parkett. Ich hätte auch lieber einen anderen Hund gehabt. Aber nach radikaler Selbstbefragung war es eben kein hochbeiniger, schwarz-glänzender Rassehund mit Stammbaum, der vier Stunden Auslauf am Tag braucht. Sondern ein stummelbeiniges Puschelchen, das sich von seinem eigenen Schwanz verfolgt fühlt.

Und das Puschelchen passt zu Ihnen?

Hilde passt perfekt in mein Leben. Ich habe versucht, mir keine Illusionen über mich zu machen. Man darf nicht hoffen, dass der Hund einen zum Outdoor-Freak macht. Länger als eine Stunde würde ich niemals freiwillig rausgehen. Also: Kein großer Hund, der viel Auslauf braucht. Ich möchte mich auch nicht viel mit meinem Hund beschäftigen. Das heißt: Kein intelligenter Hund wie ein Australian Shepherd. Ich brauche keine zusätzliche Herausforderung. Ich habe einen intelligenten Mann. Das ist schon belastend genug. Da wollte ich ein Gegengewicht schaffen.

Hat Hilde gar keine schlechte Eigenschaft?

Doch. Sie kommt leider frisurmäßig sehr nach einem Pudel. Sie hat unheimlich pflegeintensives Fell, das war mir anders versprochen worden. Nicht nur, dass ich jetzt alle vier bis sechs Wochen zum Hundefriseur muss. Ich muss sie auch noch jeden Tag kämmen und bürsten. Das mache ich nicht mal bei meinen eigenen Haaren. Und Hilde hasst es genauso wie ich. Und auch charakterlich kommt sie nach ihrem Pudel-Vater. Wenn Sie jetzt klingeln würden, würde sie wahnsinnig rumkläffen.

Warum ausgerechnet ein Hund?

Tiere, in denen man so gar kein Gegenüber hat wie Fische oder Vögel konnten mich nie faszinieren. Ein bisschen Interaktion finde ich schon gut. Und auch, dass Hunde einen zum besseren Leben zwingen: Man kommt öfter vor die Tür und erlebt mehr Natur und Momente der Stille. Und Katzen konnte ich noch nie leiden. Ich würde mir niemals jemanden freiwillig ins Haus holen, der tut was er will und eigentlich nur auf mich herabschaut.

Wie wirkt sich denn ein Hund auf die Beziehung zum Partner aus?

Mein Mann wollte keinen Hund. Ich habe versprochen, ihn von den Widrigkeiten des Herrchen-Daseins zu verschonen. Er hat keine Ahnung wo bei uns die Kotbeutel oder die Wurmtabletten liegen. Mein Mann erlebt Hilde nur von ihrer Sonnenseite – sie liebt ihn abgöttisch. Das ist ja immer so: Die coolen Jungs auf dem Schulhof, die einen mit dem Arsch nicht angucken, die werden immer angehimmelt. Hilde wanzt sich mehrmals täglich auf eine, die Würde aller weiblichen Wesen dieser Welt beschädigenden Art, an meinen Mann ran, schiebt sich unter seine Hände und wedelt mit dem ganzen Körper. Ich kann sie ja verstehen. Ich denke, ich bin eine der wenigen Frauchen, äh Frauen, die ihren Mann mehr liebt, als ihren Hund.