Historisches Museum Speyer„Titanic - Die Ausstellung. Echte Funde, wahre Schicksale"

Der Luxus, der auf der "Titanic" geboten wurde, wurde schon von außen deutlich: Ein Gemälde des Schiffes bei Sonnenaufgang.
Copyright: Braun/Museum Lizenz
Speyer – William Arthur und Cordelia Lobb aus Pennsylvania betraten am 10. April 1912 voller Stolz ein großes Schiff. Auf einer Ansichtskarte, auf der die Titanic abgebildet war, schrieb Lobb an seine Eltern: „Das ist das Bild des größten Schiffes, das jemals gebaut wurde." Solche Informationen über Passagiere der Titanic sind auf der Bordkarte vermerkt, die jeder Besucher im Historischen Museum der Pfalz in Speyer zu seiner Eintrittskarte für „Titanic - Die Ausstellung. Echte Funde, wahre Schicksale" erhält. Und jeder Besucher schlüpft für die Dauer des Besuchs in die Rolle eines Passagiers. Ob dieser Passagier auch überlebte, erfährt man erst am Ende des Rundgangs.
Das Wrack der Titanic, die auf ihrer Jungfernfahrt von Southampton nach New York am 14. April 1912 nach der Kollision mit einem Eisberg sank, liegt 400 Seemeilen südöstlich von Neufundland in 3800 Metern Tiefe. Seither sind die Spekulationen darüber, warum das „unsinkbare" Schiff dennoch auf dem Meeresboden endete, nie verebbt. Den Theorien geht die Ausstellung auf den Grund.
Die Behauptung, die Titanic sei zu schnell unterwegs gewesen, um beim Wetteifern um das „Blaue Band" Sieger zu sein, wird in Speyer als sehr unwahrscheinlich dargestellt. Sie sei dafür zu schwer und groß gewesen, denn beim Bau der Titanic sei es um Luxus gegangen, nicht um Schnelligkeit. So waren die Kabinen in der Zweiten Klasse ähnlich ausgestattet wie die Kabinen der Ersten Klasse auf anderen Schiffen jener Zeit.
Der Ozean war spiegelglatt
In einer Vitrine liegt ein Fernglas, das auf dem Meeresgrund gefunden wurde. Die Ausstellungskuratorin Sabine Kaufmann relativiert die gängige These, die beiden Matrosen im Ausguck hätten mit einem Fernglas den Eisberg früher sehen können. "Am sichersten erkennt man einen Eisberg an den Wellen, die sich an ihm brechen. Doch in dieser Nacht war der Ozean spiegelglatt - und kurz über der Wasseroberfläche hing ein Dunstschleier. Da hätte auch ein Fernglas nichts gebracht", sagt die Kuratorin im Gespräch mit dem General-Anzeiger.
Da es in dieser Nacht mehrere Eiswarnungen von anderen Schiffen gegeben habe, könne man davon ausgehen, dass man auch auf der Titanic die Ausschau nach den Eisriesen ernst genommen habe.
Auch die Annahme, dass Passagiere der Ersten Klasse eine größere Überlebenschance hatten als jene in der Dritten Klasse, sei nicht bewiesen. In der Ausstellung erfährt man, dass viele Auswanderer auf dem Schiff des Englischen nicht mächtig waren und die Gefahr auch deshalb zu spät erkannt haben. Frauen wollten sich nicht von ihren Männern trennen und waren von den Offizieren, die sie abholen wollten, nur schwer zu bewegen, an Deck zu kommen.
Von den 180 Überlebenden aus der Dritten Klasse waren 75 Männer. Die Millionäre Benjamin Guggenheim, John Jacob Astor, Isidor und Ida Straus aus der Ersten Klasse dagegen überlebten nicht. Ab 1987 unternahm die Firma RMS Titanic, Inhaber der exklusiven Bergungsrechte, sieben Forschungs- und Bergungsexpeditionen. Rund 5500 Objekte wurden seither an die Oberfläche geholt. Nach Paris, Amsterdam und Brüssel ist Speyer der erste Ausstellungsort in Deutschland. "Die Resonanz ist enorm", sagt Museumssprecherin Sabine Karle-Coen. Seit dem Stapellauf im Dezember haben mehr als 90 000 Besucher den Weg nach Speyer gefunden. " Allein am Montag dieser Woche lösten mehr als 1200 Titanic-Fans ein Ticket. Mitte des Monats erwarten wird den 100 000. Besucher." Den Fundstücken wohnt eine eigene Magie inne: Da ist der Bronzeengel, der vermutlich die berühmte große Treppe der Ersten Klasse auf dem C-Deck zierte. Zu sehen sind Messingknöpfe mit den Insignien der White Star Line und die Pfeifen der Schiffssirene. Rasierer, Parfümfläschchen, Uhren und jede Menge Porzellan. In einem Schrank sanken Hunderte Gratinschalen und blieben vollkommen unversehrt. Mit den Jahren verrottete der Holzschrank - und ließ das ordentlich gestapelte Geschirr im Sand zurück.
Echte Funde, wahre Schicksale: Historisches Museum Speyer, Domplatz 4 Anreise: A 61 bis Speyer, ca. 2 Stunden Öffnungszeiten: Geöffnet täglich bis 28. Juni von 10 bis 18 Uhr Weitere Infos: Tel. (06232) 62 02 22
Erstaunlich ist, dass so viele persönliche Gegenstände und sogar Schriftstücke aus dem Besitz der Passagiere zu sehen sind. Organische Materialien überstanden die lange Zeit im Salzwasser besonders gut, wenn sie sich in Ledertaschen befanden. Die Dokumente in der Handtasche aus Alligatorenleder der Hutmacherin Mary Ann Ogden, die mit sechs Koffern, Truhen und Kisten auf dem Weg zu ihren Kindern nach New York war, erzählt fast das ganze Leben der Engländerin.
Mit ein bisschen Fantasie hat man beim Gang durch den nachgebauten Flur der Ersten Klasse oder beim Blick in die nachgebildeten Kabinen tatsächlich das Gefühl, sich auf einem Ozeanriesen zu befinden. Das Stampfen der Maschinen erklingt aus Lautsprechern, und dann wird es deutlich kälter, denn in einem der letzten Ausstellungsräume steht ein kleiner Eisberg, der die Besucher mit der Unglücksursache konfrontiert.
„Frauen und Kinder zuerst"
Die Ausstellung widmet sich auch den Biografien der deutschen Passagiere und Besatzungsmitglieder - vom vermögenden Ehepaar Isidor und Ida Straus bis zum Landwirt Leo Zimmermann aus dem Schwarzwald. Auch der 20-jährige Glücksspieler Alfred Nourney aus Köln war an Bord und bezog unter dem Pseudonym Baron von Drachstedt eine Kabine in der Ersten Klasse. Als die Titanic den Eisberg rammte, saß er an einem Spieltisch.
Und als die ersten Rettungsboote klar gemacht wurden, ging er eher zufällig an Deck. Kurz entschlossen stieg er ein. "Frauen und Kinder zuerst" galt auch auf der Titanic, aber die Passagiere fühlten sich noch so sicher, dass die ersten Boote auch mit Männern besetzt wurden, weil keine Frauen und Kinder an Deck waren. Nourney hatte Glück. Er saß im ersten Boot, das in dieser Nacht von dem Passagierschiff Carpathia gerettet wurde, und lebte bis ins hohe Alter in Bad Honnef. William und Cordelia Lobb überlebten nicht.