„Ich finde Trends immer gefährlich“Björn Freitag über Heimweh-Küche und Bio-Essen
Köln – Björn Freitag ist ein gefragter Mann: Im Fernsehen geht der Sterne-Koch als „Vorkoster“ der Herkunft unserer Lebensmittel auf den Grund, in seinem Lokal in Dorsten eröffnet er gerade eine Kochschule, Anfang des Monats hat er eine Rezeptsammlung zur Sendung veröffentlicht. Nadja Lissok hat mit ihm gesprochen.
Herr Freitag, wie sind Sie zum Kochen gekommen?
Ich war vorbelastet, meine Eltern hatten ein Restaurant. Eigentlich wollte ich Hoteldirektor werden, aber nach dem plötzlichen Tod meines Vaters habe mit 24 Jahren unser Restaurant in Dorsten übernommen. Gelernt habe ich in einem ausgezeichneten Restaurant am Bodensee.
Hatten Sie immer schon Koch-Vorbilder?
Ja, einige. Heinz Winkler war immer ein Vorbild, weil seine Saucen einfach sensationell waren. Und der Erfolg von Alain Ducasse hat mich beeindruckt. Er war der erste, der parallel mehrere Sterne-Restaurants hatte. Und das weltweit. Ich würde mich gern irgendwann vergrößern, aber im Moment hab ich zu viel Fernsehstress.
Macht Ihnen eigentlich Fernsehen machen mehr Spaß, als in der Küche stehen?
Wenn ich zu lange im Restaurant gekocht habe, freue ich mich immer wieder aufs Fernsehen. Und umgekehrt. Die Abwechslung macht es für mich aus. Im Fernsehen lerne ich einfach viel dazu, weil ich in meinen Sendungen Lebensmittel systematisch auseinandernehme. Mich interessiert, wo unsere Lebensmittel herkommen und wie sie verarbeitet werden. Was ich dabei lerne, kann ich wiederum in der Restaurantküche nutzen. Das Thema Nachhaltigkeit liegt mir wirklich sehr am Herzen. Früher war es in der Sterne-Gastronomie egal, ob die Waren vom letzten Fleck der Welt kamen. Hauptsache es war lecker. Das wandelt sich gerade sehr stark.
Warum? Woher kommt das Interesse an nachhaltigen Lebensmitteln?
Durch die Diskussionen um CO² und den Klimawandel. Vor zehn oder zwanzig Jahren hat es auch niemanden interessiert, wie das Obst behandelt wurde. Da hab ich auch noch eine Zitronenschale einfach in die Soße gerieben und mir keine Gedanken gemacht, was dran hängt. Natürlich wird auch immer deutlicher, welche Folgen unser starker Fleischkonsum hat.
Ist Bio da immer die bessere Alternative?
Ich bin grundsätzlich kein Bioprediger. Aber man ist auf jeden Fall auf der sichereren Seite, wenn man Bio einkauft. Bei Bio denken viele Leute allerdings irrtümlich, dass das Huhn glücklich über den Bauernhof rennt. Ich war schon auf diversen Bio-Putenfarmen. Das sind auch Fabrikhallen. Nur dass die Puten ab und zu mal raus dürfen und nicht ganz so eng zusammenhocken. Bio als Auszeichnung ist mittlerweile ein Riesenmarkt. Obwohl der Umsatz im Vergleich zu den herkömmlichen Produkten unter zehn Prozent des Gesamtumsatzes ausmacht.
Ist Bio ein Trend? Ähnlich wie die Avocado, deren Konsum sich in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt hat.
Rezept für Kürbis-Kartoffel-Puffer
Zutaten für 4-6 Personen
Für die Puffer:
Ein halber kleiner Butternutkürbis (circa 300 g)
4 große festkochende Kartoffeln (insgesamt circa 500 g)
2 Eier (Größe M)
2 EL Schmand
1 Prise frisch geriebene Muskatnuss
Je 1 Prise Salz und Pfeffer
2 EL Butterschmalz
Für den Dip:
1 Bund Schnittlauch
270 g Schmand
Salz, Pfeffer
Zubereitung
Backofen auf 110°C Ober-/Unterhitze vorheizen. Für die Puffer den Kürbis waschen, schälen und gegebenenfalls entkernen. Kartoffeln ebenfalls schälen. Kürbis und Kartoffeln auf einer Reibe groß raspeln, dabei zügig arbeiten, damit die Kartoffeln sich nicht braun verfärben. Das geraspelte Gemüse in eine Schüssel geben und die Eier mit Schmand gut einarbeiten. Dann Muskatnuss, Salz und Pfeffer einrühren. Butterschmalz in einer großen Pfanne erhitzen. Die Gemüsemasse mit einem Esslöffel in Portionen hineingeben, zu Puffern formen und bei mittlerer Hitze von beiden Seiten insgesamt 7-8 Minuten goldbraun braten. Auf einem Küchenpapier abtropfen lassen und im vorgeheizten Ofen warm halten, bis alle Puffer fertig gebraten sind. In der Zwischenzeit für den Dip den Schnittlauch waschen, trocken schütteln und in feine Röllchen schneiden. In eine Schüssel geben und den Schmand einrühren. Mit Salz und Pfeffer abschmecken und etwas ziehen lassen. Zum Schluss die Kürbis-Kartoffel-Puffer auf eine Platte setzen und mit dem Schnittlauchdip servieren.
Buchtipp: Der Vorkoster – Die besten Rezepte und Küchentipps aus der Sendung, Björn Freitag/Anja Tanas, Becker Jost Volk Verlag, 192 S., 28 Euro
Ja, auf jeden Fall. Ich finde Trends immer gefährlich. Gerade die Avocado braucht extrem viel Wasser und durch die extrem gestiegene Nachfrage entstehen in den Anbaugebieten Monokulturen. Gute Fette, wie die Avocado sie hat, gibt es auch in stink normalem Rapsöl. Genauso finde ich es gefährlich, wenn gesagt wird: Vegan ist gesünder. Dazu gibt es keine Langzeitstudien. Ähnlich verhält es sich meiner Meinung nach mit glutenfreier Ernährung. Das ist so ein langwieriger Prozess, diese Unverträglichkeit herauszufinden. Nur weil ich mal Bauchschmerzen hab, habe ich noch keine Gluten-Intoleranz. Ich koche ja am liebsten so wie meine Mutter früher. Das ist für mich viel wichtiger, als Trends zu verfolgen. Nur wird diese Küche oft nicht mehr weitertransportiert.
Zum Beispiel? Was gab es früher bei Ihnen?
Bei uns gab es drei Mal in der Woche nur Gemüse als Ratatouille oder als Eintopf. Nicht jeden Tag Fleisch. So koche ich auch Zuhause für mich. „Heimweh-Küche“ heißt das dann bei mir.
Und wo holen Sie sich dann doch auch einmal neue Ideen für Ihr Restaurant oder Ihre Koch-Sendung?
Ich kombiniere alte Rezepte neu. Ein großer Input sind auch meine Mitarbeiter. Wir sind im „Goldenen Anker“ acht Köche, da bringt jeder was mit ein.
Kochen Sie grundsätzlich mit oder ohne Rezept?
Ohne. Das mach ich auch bei meinen Kochkursen so. Sonst gucken die Leute mir immer auf die Finger, ob ich mich auch daran halte. (lacht) Das Rezept schreiben wir dann lieber hinterher zusammen.
Christian Bau, Spitzenkoch aus Frankfurt, wurde diesen Monat mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. In einem Interview hat er sich beschwert, dass die Spitzengastronomie in Deutschland nicht genug gewertschätzt wird. Sehen Sie das auch so?
Ja, teilweise schon. Bekommt ein Restaurant im Ort einen Stern, gibt es besonders in der älteren Generation viele, die sagen: Da gehen wir nicht mehr hin. Das ist uns zu teuer und die Portionen sind zu klein. Dann lebt ein Lokal eher von den Sterne-Touristen. Ich will nicht, dass wir als abgehoben gelten. Deshalb haben wir günstige Einstiegsmenüs und bemühen uns um eine lockere Atmosphäre. In meiner Stadt Dorsten bin ich nicht alleine: Frank Rosin hat dort auch sein Restaurant.
Ist der Konkurrenzdruck untereinander tatsächlich so groß wie man hört?
Ich finde eigentlich nicht. Gerade wenn in einer Gegend mehrere ausgezeichnete Lokale sind, befruchten sie sich gegenseitig, wie bei einer belebten Straße. Ich beobachte auch, dass die Menschen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten trotzdem kommen. Die Spitzengastronomie ist da unabhängiger. Die Menschen kommen nicht jede Woche, aber dafür genießen sie es mehr. Sie kommen mit einer großen Erwartungshaltung zu uns. Und sind dementsprechend enttäuscht, wenn wir die Erwartungen nicht erfüllen.
Und kommen nie wieder?
Ja, in den meisten Fällen ist das so.
Lassen Sie selbst etwas zurückgehen, wenn es Ihnen nicht schmeckt?
Ja, ich sage Bescheid. Aber ich würde es nie laut stark tun. Das finde ich peinlich. Das ist eine Sache zwischen Gastronom und Gast. Und ich würde nie in irgendwelchen sozialen Netzwerken etwas schreiben. Da wird mit viel Unwissenheit, Stimmung gegen Restaurants gemacht. Deshalb finde ich Restaurant-Guides, wo Menschen mit Fachkenntnis die Restaurants testen, immer noch zeitgemäß.