Lange Zeit haben mich alkoholfreie Weine nicht überzeugt. Die Qualitäten waren oft schlecht, die Weine ruppig oder viel zu süß. Der Argumentation, man müsse das nicht als Wein verstehen, sondern als Getränk, konnte ich auch nichts abgewinnen. Wenn ich ein Getränk will, bestelle ich Apfelschorle und keinen entalkoholisierten Murks.

Christian Nett vom Weingut Bergdolt-Nett & Reif, ging es ebenso. „Ich beschäftige mich seit 2018 mit dem Thema und habe damals nichts Überzeugendes probieren können“, erzählt er. Warum das so war, hatte für ihn viele Ursachen. So gab es nur Firmen, die Alkoholentzug für große Mengen angeboten haben. „Was mache ich als kleiner Winzer mit 5000 Litern alkoholfreien Wein, wenn ich noch gar keinen Markt dafür habe?“, fragte er sich. Ebenso waren die technischen Lösungen noch nicht ausgereift. „Die Weine hatten oft einen unangenehmen Kochton“, erklärt er weiter. Dazu kam der viele Restzucker.

Großer Test

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Alkohol ist ein Geschmacksträger

„Die Frage war, wie kann man dieses geschmackliche Loch füllen, den der fehlende Alkohol reißt.“ Denn Alkohol hat ähnlich wie Fett einen Effekt für den Geschmack. Er intensiviert Aromen, lässt Säure und Gerbstoffe runder erscheinen. Zucker kann diese Funktion ersetzen. Nicht zufällig haben Light-Produkte und alkoholfreier Wein eine Gemeinsamkeit: zu viel Süße. 70 Gramm Zucker pro Liter sind beim Wein ohne Prozente keine Seltenheit. Für Kenner, die trockene Gewächse bevorzugen, ist das keine Alternative.

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Diese Misere weckte den Ehrgeiz des Pfälzer Winzers. „Der Markt für alkoholfreie Weine ist da und wird immer größer“, ist er überzeugt. Statistisch gesehen geht nach dem Corona-Hoch der Weinverbrauch nicht nur in Deutschland deutlich zurück. Gerade junge Leute trinken weniger Alkohol. Fitness und Gesundheit sind wichtiger geworden.

Alkoholfreie Weine, die nach Wein schmecken

„Der Game-Changer war ein Start-up, das mit Aromarückgewinnung arbeitet“, erklärt er. Dabei werden dem Alkohol, durch einen physikalischen Prozess, die Aromen entzogen und dem Wein zurückgegeben. „So können wir relativ trockene, alkoholfreie Weine erzeugen, die auch nach Wein schmecken“, ist Christian Nett begeistert. Mittlerweile hat er auch Erfahrung, welche Weine er zum Entalkoholisieren gibt. „Auf keinen Fall sollte man den ganz frisch vergorenen und sehr blumigen Wein dafür hernehmen“, erklärt er. Denn diese ersten Aromen sind sehr flüchtig und überleben diesen Prozess nicht.

Besser sind solche Weine, die nach einem Jahr Ausbau im Keller überzeugen. Wenn er etwas Restsüße zum Harmonisieren braucht, dann verwendet er geschmacksneutrales Traubenmostkonzentrat. „Auf keinen Fall darf man Traubensaft nehmen“, ist er sich sicher. „Mit dem mostigen Geschmack zerstört Du den Weincharakter.“ Mittlerweile ist er bekannt für sein überzeugendes, alkoholfreies Sortiment. Vor allem die Weißweine versprechen genussvolle Abstinenz.

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Wer sich dem Thema nähern möchte, dem empfehle ich den eingängigen Sauvignon Blanc Reverse. Der zeigt die für die Rebsorte so typischen wie intensiven Aromen von Stachelbeeren, Maracuja, Steinobst und Minze. Am Gaumen wirkt der Wein sehr saftig und frisch. Trotz der 24 Gramm pro Liter Restzucker fällt der Wein geschmacklich relativ trocken aus. Wer es herber möchte, sollte den Pinot Blanc oder den Riesling versuchen.

Bleibt nur noch der Hinweis, dass guter alkoholfreier Wein nicht zu Discountpreisen zu haben ist. Je nach Menge und Technologie fallen 25 Cent bis zu 1,80 Euro pro Liter für das Entalkoholisieren an. Dazu kommt der Mengenverlust durch den Alkoholentzug, der in der Regel um die 15 Prozent beträgt. Also gilt auch im sogenannten „Dry January“: weniger ist mehr.

Sauvignon Blanc Reverse, Weingut Berdolt-Reif & Nett, Pfalz, 12,50 Eurowww.alkoholfrei-vom-winzer.de