Viel mehr Gäste als erwartet kamen zum Rudelgucken. Kaffee gab's ab 11.15 Uhr nicht mehr, dafür beim Ausgleich ein Kölsch auf's Haus.
Frauenfußball WMGroße Gefühle auf „Gottes Grüne Wiese“

Packend war vor allem die zweite Halbzeit des WM-Gruppenspiels Kolumbien - Deutschland: Rund 150 Fußballfans sahen in der Kneipe Gottes Grüne Wiese im Belgischen Viertel zu.
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Rocco sitzt „front of stage“, erste Reihe vor der Leinwand, und rührt sich in der Pause nicht vom Fleck. Es steht 0:0, die deutsche Nationalmannschaft der Frauen ist gerade in den Katakomben des Fußballstadions von Sydney verschwunden. „Das wird gleich krass spannend“, sagt der Zwölfjährige, der „schon immer“ mit seinem Opa Frauenfußball guckt. Er ahnt nicht, wie recht er damit hat.
150 Fußballfans sehen das Viertelfinalspiel in der Kneipe „Gottes Grüne Wiese“, gut zwei Drittel sind Frauen. Zwei Dutzend gucken von draußen durch die offenen Fenster zu. Viel mehr als erwartet seien gekommen, so Johannes Taphen vom Kneipen-Team. Beim ersten Spiel am Montag waren es noch nur 50 Fans. „Ab 11.15 Uhr haben wir mit dem Kaffee aufgehört, wir sind nicht mehr nachgekommen“, sagt er, und schlängelt sich mit einem Kölschkranz durch die Menge.
Toll, dass der Wirt hier so früh aufmacht, ein dickes Dankeschön!
Anne (21), Kathi (20) und Leonie (23) sind mit ihrer Clique da, den Teams von Vorwärts Spoho, dem Fußballverein der Sporthochschule, die meisten im Trikot der Nationalmannschaft. „Toll, dass der Wirt hier so früh aufmacht, ein dickes Dankeschön!“ Das gibt es auch von Claudia (66) aus Bergisch Gladbach. „Ich hab gegoogelt und keine andere Kneipe gefunden, die das Spiel zeigt. Der Weg hat sich gelohnt, hier ist eine Superstimmung.“ Nur noch das Lottas in der Südstadt und die Boys-Bar im Friesenviertel würden das Spiel zeigen, so andere Gäste.
Die Spielerinnen gehen wieder auf den Platz, Applaus brandet auf. Anstoß. Für jeden Schuss aufs Tor gibt es Beifall, und auch sonst mehr Ermutigung und Mitfiebern als Rüffel. Auch wenn’s nicht rund läuft beim deutschen Team. „Kann man trotzdem gut gucken“, sagt Tilo aus Ehrenfeld. Er hat seine Freundin Sophia (25) zum Mitkommen überredet. Andere sind aus Weiden, Nippes oder Deutz gekommen.
Szenenapplaus für jede einzelne Aktion
Dann schlenzt die erst 18-jährige Linda Caicedo den Ball aus der Distanz ins rechte obere Eck. Ein Traumtor. Von jetzt an gibt es Szenenapplaus für jede Aktion der deutschen Spielerinnen, für jede gelungene Abwehr oder Balleroberungen. Ein Freistoß geht weit übers Tor, einer in die Mauer. Das Publikum leidet. Um Lena Oberdorf zu stoppen, wirft sich die kolumbianische Torfrau in ihren Lauf. Elfmeter! Ann Sophie (25) und Helena (24) auf der Fensterbank haben ihre vier Hände zu einem dicken Knäuel geballt. Maximales Daumendrücken. Alexandra Popp trifft. Ein Gänsehautmoment. Johannes Taphen, immer mit einem vollen Kranz unterwegs, spendiert Kölsch „aufs Haus“. Gleichstand. Immerhin.
Noch sechs Minuten Nachspielzeit. Die Uhr zeigt 6 Minuten und 28 Sekunden an. Dann passiert es. Manuela Vanegas trifft für Kolumbien zum 2:1. Das Publikum erstarrt minutenlang. Eine verletzte Spielerin wird versorgt. Dann der Schlusspfiff. Viele der Gäste applaudieren ein letztes Mal. Zum Trost, oder zum Mutmachen. Frauenfußball gucken ist schön. Und anders.