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E-NummernGefährliche Stoffe in bunten Gummibären

Lesezeit 4 Minuten

Farben haben zwar keinen Geschmack, aber ohne Farbe schmeckt es trotzdem nicht. Eine Tüte voller farbloser Gummibärchen würde vermutlich kein Kind begeistern.

Dabei wären wir gut beraten, auf künstlich gefärbte Bärchen zu verzichten. Denn es ist nicht unbedingt eine Apfelsine, die einem orangefarbenen Gummibärchen seine Farbe gibt, und auch keine Erdbeere, die ein anderes rot färbt. Vielmehr sind es häufig die Farbstoffe E 110 (Gelborange S), E 104 (Chinolingelb) und E 124 (Cochenillerot A). Das hört sich nicht nur chemisch an, das ist es auch. Weil diese Stoffe im Verdacht stehen, ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung), Hyperaktivität und Allergien auszulösen, schränkt die EU die Verwendung ein. Alte Bestände dürfen zwar noch verkauft werden, für alles, was seit dem 1. Juni produziert wird, gelten aber neue Grenzwerte.

Mit der neuen Regelung habe sich nun einiges gebessert - optimal aber sei es noch lange nicht, sagt Armin Valet, Lebensmittelchemiker von der Verbraucherzentrale Hamburg. Sogenannte Azofarbstoffe - benannt nach der Stickstoffverbindung, auf der sie basieren - sollten ganz verboten werden.

"Sie haben keine Berechtigung auf dem Markt - auch, weil es genügend Alternativen gibt. Aber da ist man leider mal wieder vor der Industrie in die Knie gegangen."

Machbar ist das Färben von Lebensmitteln ohne Chemie allemal: Rote Bete und Holunder können zum Beispiel rot, Carotinoid (aus Paprika) kann orange und Safran gelb färben. Die natürlichen Stoffe sind allerdings deutlich teurer als die künstlich hergestellten. Gerade weil Kinder generell ein höheres gesundheitliches Risiko gegenüber Rückständen haben und sehr emotional auf bunte Farben reagieren, gehören Azofarben nicht in Süßigkeiten, so die Meinung der Verbraucherzentrale. Aber auch in Zuckerguss, Lachsersatz, Alkopops, essbarer Käserinde, Saucen, künstlichen Wasabi-Pasten, Kaviar-Ersatz, Kaugummi, Milchprodukten und Wackelpudding sorgen Azofarben für ein appetitliches Aussehen.

Die Sorgen der Verbraucherschützer beschränken sich nicht auf die drei Azofarben, deren Einsatz nun beschränkt ist. 42 Farbzusatzstoffe sind in der EU zugelassen, bei zehn davon rät die Verbraucherzentrale vom Verzehr ab, 14 seien "nicht für Kinder zu empfehlen".

Sind die Farbstoffe krebserregend?

Schon 2009 hatte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) empfohlen, die höchste zulässige Tagesmenge für die drei genannten Azofarbstoffe und drei weitere - Azorubin (E 122), Allurarot AC (E 129) und Tartrazin (E 102) - zu senken. Seit 2010 müssen Hersteller, die diese Stoffe verwenden, den Hinweis "Kann Aktivität und Aufmerksamkeit bei Kindern beeinträchtigen" auf die Packung drucken.

Die EFSA hatte zuvor eine Studie in Auftrag gegeben, die den Zusammenhang zwischen diesen Lebensmittelfarben und Hyperaktivität bei Kindern klären sollte. Die Forscher von der Universität Southampton kamen zu dem Schluss, dass bei den Kindern, die die oben genannten Lebensmittelfarbstoffe in hohen - aber realistischen - Dosen zu sich genommen hatten, erhöhte Hyperaktivität auftrat. Um den Hinweis nicht auf ihre Packungen drucken zu müssen, sind schon einige Süßwarenhersteller auf andere Farbstoffe umgestiegen, so etwa Haribo.

E-Nummern sind Bezeichnungen für Zusatzstoffe - etwa Farb- oder Konservierungsstoffe -, die in der Europäischen Union gelten. Zurzeit sind in Europa 320 Stoffe zugelassen. Bei 107 von ihnen rät die Verbraucherzentrale von häufigem Verzehr ab, von 17 sogar ganz.

Steht auf der Packung "Ohne künstliche Farbstoffe", sind nur natürliche Farbstoffe wie Rote-Bete-Saft erlaubt, der Kirschjoghurt appetitlicher aussehen lässt.

Beispiele für laut Verbraucherzentrale natürliche und unbedenkliche Zusatzstoffe:

E 100 Kurkumin: Gelber Farbstoff aus der Gelbwurzel

E 160c Paprikaextrakt: Färbt orangerot

E 162 Betanin: Roter Farbstoff aus der Roten Bete

Generell stehen Azofarbstoffe unter dem Verdacht, krebserregend zu sein. Hergestellt werden sie nämlich aus Anilin, einem Stoff, der schon lange als krebsauslösend gilt. Chinolingelb ist wegen seiner Kanzerogenität in den USA sogar verboten.

Auch beim umstrittenen Farbstoff Zuckerkulör gelten in den USA strengere Grenzwerte. Der Stoff gibt vor allem Cola ihre Farbe, kann aber auch in Sojasaucen, Lakritzbonbons und Malzbier enthalten sein. Bei der Herstellung entsteht als Begleitprodukt Methylimidazol, das als krebserregend gilt.

Für das Mai-Heft testete die Zeitschrift "Öko-Test" Lebensmittel mit Zuckerkulör. Deutsche Cola, so heißt es dort, müsste in Kalifornien mit einer Krebswarnung versehen sein. Die EFSA hält dagegen geringe Mengen für unbedenklich. "Öko-Test" rät dennoch, auf Lebensmittel zu verzichten, die die Stoffe E 150d (Ammonsulfit-Zuckerkulör) und E 150c (Ammoniak-Zuckerkulör) enthalten, oder Bio-Produkte zu wählen, die gar nicht mit Zuckerkulör gefärbt werden dürfen. Sicher gehen kann nur, wer Zutatenlisten studiert. "Dafür ist leider Detektivarbeit nötig", sagt Verbraucherschützer Armin Valet. Erst recht, weil der Hersteller sich aussuchen kann, ob er die E-Nummer des Zusatzstoffs abdruckt oder den vollen Namen, also etwa Chinolingelb.

Die Broschüre: "Was bedeuten die E-Nummern?", herausgegeben von der Verbraucherzentrale, kann für 4,90 Euro bestellt werden unter 0211/3809555 oder im Internet ratgeber-verbraucherzentrale.de