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Pilgern rund um KölnWo die Seele laufen lernt

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Pilgern: Zu Fuß zur eigenen Mitte finden.

Köln – Pilgern ist in – eigentlich schon seit Jahrtausenden. Spätestens mit Beginn des Mittelalters aber kommt es immer wieder zu Pilger-Booms. Weltweit. Egal ob Moslems, Juden, Hinduisten, Buddhisten oder Christen – in allen Weltreligionen machten und machen sich Menschen auf den Weg, um mit ihrem Gott Verbindung aufzunehmen. Mit sich selbst. Oder den eigenen Grenzen. So sind heute viele Pilgerinnen und Pilger vor allem deshalb unterwegs, um – jenseits religiöser Motive – der Hektik, Höchstleistung und Hochgeschwindigkeit des Alltags zu entfliehen. Und, zu Fuß, mit dem Rad, auf Esel oder Pferd, sich selbst zu finden. Und neue Horizonte.

Pilgerwege vor der Haustüre wiederentdeckt

Die Wege führen sie nach Spanien zum Grab des Heiligen Jakobus in Santiago de Compostela, zur Statue der Heiligen Maria ins französische Lourdes, nach Rom, Jerusalem oder Mekka. Aber auch vor die Haustüre, wo landauf landab längst vergessene Pilgerwege wiederentdeckt und -erschlossen werden. Egal wie das anvisierte Heiligtum heißt, wie nah oder fern es liegen mag: Unterwegs zu sein ist dabei wichtiger, als anzukommen. Der Weg ist das Ziel.

Den geschichtlich jüngsten Boom hat der Europarat ausgelöst, als er den Jakobsweg im Jahr 1987 zur europäischen Kulturroute erhob. Seitdem machen sich jährlich bis zu 180 000 Pilgerinnen und Pilger auf den 800 Kilometer langen „Camino“ durch Nordspanien. Darunter seit 2006 immer mehr Deutsche. Das ist auch Hape Kerkeling und der Veröffentlichung seines Bestsellers „Ich bin dann mal weg“ zu verdanken.

Schritt für Schritt im eigenen Rhythmus

Viele Autorinnen und Autoren folgten ihm, die in ihren Büchern, die „Strecken der Stille“ oder „Wege für die Seele“ heißen, den Wunsch beschreiben, beim Pilgern Einfachheit und Gemeinschaft zu erleben – und die eigene Mitte zu finden. In anderen Ratgebern geht es darum, was das Pilgern mit dem Wandern verbindet: Die Chance nämlich, eine andere Zeitdimension zu erfahren und die Welt, anders als beim Reisen per Zug, Auto oder Flieger, unmittelbar und mit allen Sinnen zu erleben. Schritt für Schritt. Im eigenen Rhythmus.

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Dass am Anfang vieler Pilgerreisen häufig die Sehnsucht danach steht, dem Leben eine neue Richtung zu geben, bringt Eduard Freudinger mit seinem Buchtitel „Wie ich vom Weg abkam, um nicht auf der Strecke zu bleiben“ treffend auf den Punkt. Und auch der Theologe und Pilgerbegleiter Michael Kaminski zeigt in „Wo Deine Seele laufen lernt“ auf, wie Pilgern in Zeiten von Lebensumbrüchen zu heilsamen Kurswechseln führen kann.

Spaß statt Spiritualität

Seitdem der Jakobsweg touristisch vermarktet wird, werden immer wieder Stimmen laut, die kritisieren, dass Pilgern mehr und mehr zum Event verkomme, bei dem das erklärte Ziel sei, Spaß zu erleben – statt Spiritualität. Klagen über „Pilgern ohne Glauben“ sind aber so alt wie das Pilgern selbst, das seinen Anfang zu einer Zeit nimmt, als gläubige Menschen auf bestimmten Wegen oder an bestimmten Orten göttliche Kräfte spürten. Mit dem im frühen Mittelalter aufkommenden Grabes- und Reliquienkult entwickelt sich daraus ein Massenphänomen: Pilgern wird zu einer dominierenden Frömmigkeitsform der Christenheit.

Pilgern aus Profitgier

Dahinter steckt die Vorstellung, dass die Seelen der Heiligen in ihrem Grab oder an anderen heiligen Orten gegenwärtig wären – und Schutz- und Heilkräfte hätten, die Wunder geschehen, Kranke heilen und Sünden vergeben ließen. Immer mehr Menschen aus allen Ständen begeben sich für das Seelenheil auf die Reise, aus Dankbarkeit oder als Buße. Im 15. Jahrhundert pilgern Menschen immer mehr auch aus Abenteuerlust und Interesse an anderen Kulturen. Oder: Aus Profitgier. So genannte Berufspilger lassen sich dafür bezahlen, im Namen ihrer Auftraggeber wandernd Buße zu tun. Erst Martin Luther macht dem Pilger-Boom vorerst den Garaus, indem er das religiös motivierte Pilgern mit dem Ablasshandel vergleicht, von dem sich Menschen weniger Zeit im Fegefeuer erhofften. Peu à peu wird die Pilgerbewegung reformiert.

Radeln für die Seele im Rheinland

Der Weg ist also geebnet für eine pfingstliche Tour zu sich selbst. Dafür müssen Sie nicht mal in die Ferne schweifen. Einkehr, das geht auch vor der Haustür – und sie geht auch mit dem Fahrrad. In der beliebten Buchserie „Radeln für die Seele“ im Droste Verlag sind jetzt 15 neue Touren auf „Pilgerwegen im Rheinland“ erschienen. Hier stellen wir Ihnen Radstrecken aus dem Buch vor.