Aus fürs „Eigelsteyn”Auch wir sind schuld, wenn neue Restaurants in Köln pleite gehen
- Warum lassen wir Kölner neue Restaurants erst einmal an der Existenzgrenze rumkrebsen, bevor wir uns dann irgendwann entschließen, auch mal hinzugehen?
- Was oft zu spät ist, wie das jüngste Beispiel des nach drei Monaten wieder geschlossenen wunderbaren „Eigelsteyn” am Kölner Eigelstein zeigt.
- In ihrer Kolumne „Köln kulinarisch” appelliert Autorin Julia Floß darum an den inneren Schweinehund in uns allen.
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Köln – Ich weiß, ich weiß. Gastronomische Neueröffnungen sind immer mit einem hohen Risiko verbunden. Hoher Personalaufwand, knapp kalkulierte Wareneinsätze, tägliche steigende Umbaukosten, horrende Mieten und die ständige Unsicherheit: Kommen genug Gäste? In der Rechnung kann so viel schief gehen, dass es beinah an ein Wunder grenzt, dass immer noch so viele Leute bereit sind, ein Restaurant zu eröffnen.
Eine meiner ersten Regeln als Food-Kolumnistin lautete früher: „Erstmal abwarten, ob der in drei Monaten noch da ist.“ Welches Licht würde es denn auf mich als Autorin werfen, wenn ich ein Restaurant über den Klee lobe und dann machen die drei Wochen später dicht? Völliger Quatsch. Diese „Erstmal abwarten“-Mentalität ist es doch, die vielen Gastronomen das Genick bricht. Warum müssen wir die erst zappeln und an der Existenzgrenze rumkrebsen lassen, ehe wir da einfach mal hingehen? Viele Gastronomen erzählen mir von der immer gleichen Situation: Passanten laufen am Restaurant vorbei, bleiben an der Karte oder Tafel stehen, lesen und lesen und lesen, mustern die Einrichtung durchs Fenster, nicken eifrig, halten inne – und laufen weiter. Am nächsten Tag das selbe Spektakel.
Was ist da los? Muss eine Gastronomie erst eine bestimmte Dauer überstehen und wenn ja, wie lange soll’s denn sein? Drei Monate, ein halbes Jahr, zwei Jahre? Müssen erst genug Google-Bewertungen getippt werden? Muss erst der halbe Bekannten- und Kollegenkreis sein Urteil fällen, ehe man selber das Abenteuer Neueröffnung wagt? Der Satz „Da müssen wir mal hingehen“ ist quasi das Todesurteil eines jeden Gastronomen. Sobald sich die kleine Silbe „mal“ eingeschlichen hat, kann man sich nach direkt nach einem Nachmieter umsehen. Oder ist aus dem Satz „Wir müssen uns mal wieder treffen“ jemals eine Verabredung einstanden? Nein, das klappt nur mit Verbindlichkeit. Zwei Menschen, die nach ihrem Kalender greifen und einen Termin ausmachen. Und genau das gilt auch für Restaurantbesuche.
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Liebe Leser, wir brauchen eine neue Regel: Hingehen ist das neue Abwarten! Wenn eine Gastronomie, die Sie auch nur ansatzweise interessiert, eröffnet, dann gehen sie dahin! Und zwar so schnell wie nur möglich. Vielleicht wird’s furchtbar, dann ist es auch nicht weiter tragisch, wenn die schnell wieder dicht machen. Vielleicht wird das aber auch ihr neues Lieblingsrestaurant.
Mich traf es einigermaßen, als ich die Nachricht von der Schließung des „Eigelsteyn“ bekam. Mein stiller Hoffnungsträger und eine der interessantesten Eröffnungen des Jahres hat nach nur drei Monaten dem Kostendruck nicht mehr standhalten können. Da wurde monatelang umgebaut und saniert, ein spannendes Konzept entworfen, wunderbare Menükarten geschrieben und gekocht – und dann ist plötzlich alles vorbei. Und dann steht man da mit seinem „Da wollte ich immer mal hingehen.“ Ja, das hätte sich der Gastronom auch gewünscht. Zu spät.