Auf den Durst hörenZuviel Wasser trinken kann gefährlich werden

Mann sollte auf seinen Körper hören und trinken, wenn man Durst hat.
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Wer schwitzt, muss trinken - bei Hitze, schwerer Arbeit oder Sport. Über die Menge sollte der eigene Durst entscheiden, und keine Empfehlung. Doch davon gibt es viele. Gebetsmühlenartig wird uns geraten, täglich mindestens 1,5 (oder 2, oder 3, je nach "Fachmann") Liter Wasser zu trinken. Aber welche von diesen Empfehlungen ist die richtige? Gibt es überhaupt irgendeinen Beweis dafür, dass der Körper diese Mengen wirklich benötigt?
"Es gibt keine Studie, die wirklich nachgewiesen hätte, wie viel Flüssigkeit der Körper braucht. Nach wie vor reicht es aus, sich auf das Durstgefühl zu verlassen", sagt Professor Friedrich Luft vom Berliner "Experimentellen und klinischen Forschungszentrum" (ECRC). Woher die zahlreichen Trinkempfehlungen überhaupt stammen, ist schwer nachzuvollziehen. Viele sind falsch, einige sogar gefährlich. Denn man kann nicht nur zu wenig trinken (indem man das eigene Durstgefühl ignoriert), sondern ausdrücklich auch zu viel. Das extremste Beispiel - aber kein Einzelfall - ist die 28-jährige Jennifer Strange. Die junge Amerikanerin hatte an einem Wassertrinkwettbewerb teilgenommen - bekam kurz darauf starke Kopfschmerzen und starb. Ähnlich erging es erst vor wenigen Tagen einem 30-jährigen Triathleten beim Ironman-Wettbewerb in Frankfurt. Er starb, weil er zuviel Wasser getrunken hatte. Beide Male hieß die Daignose: "Wasservergiftung".
Zuviel Wasser schadet dem Stoffwechsel
Natürlich ist Wasser kein Gift, aber eine zu große Menge kann den Stoffwechsel des Körpers entgleisen lassen. Ärzte haben dabei vor allem Angst vor einem zu niedrigen Natriumspiegel - einfach durch den Verdünnungseffekt durch zu viel Wasser. Was etwa beim Sport zu riskanten Notfällen führt: "Es ist furchtbar, dass etwa beim Marathon alle zwei Kilometer an einer Wasserstation wohlwollende Helfer den Läufern Wasser in die Hand drücken - und vor allem die langsameren Läufer dann in vier, fünf Stunden gefährlich viel Wasser trinken. Was zu Todesfällen durch Hyponatriämie führt", so Luft. In einer Untersuchung beim Boston-Marathon hatten Forscher bei 63 von 488 untersuchten Läufern einen Natriummangel festgestellt - bei dreien war der Wert kritisch. Die Sportler trinken sich krank.
Bei Hitze und Sport höherer Bedarf
Natürlich braucht der Körper beim Marathon, aber auch bei großer Hitze mehr Flüssigkeit, weil er sich durch erhebliche Mengen von verdunstendem Schweiß abkühlt. Aber so unterschiedlich die Schweißmengen sind, so unterschiedlich ist der Flüssigkeitsbedarf. Er lässt sich nicht allgemeingültig in eine Formel pressen. Stattdessen ist das Durstgefühl ein zuverlässiger Anzeiger, ob der Körper Flüssigkeit braucht. Schon bei einem Anstieg der "Konzentration" des Blutes um zwei Prozent spürt man Durst. In dieser Phase ist der Körper aber noch sehr, sehr weit von einem bedrohlichen Wasserverlust entfernt. Es reicht, auf seinen Durst zu vertrauen. Das gilt in der Regel auch für ältere Menschen: Es heißt zwar, dass bei Älteren die Zuverlässigkeit des Durstgefühls nachlässt. Auch davon hält Luft wenig: "Tatsächlich wird das Durstgefühl bei Älteren geringer - aber der Effekt ist minimal. Es ist falsch und übrigens auch sehr belastend, wenn man sie zwingt, gegen ihren Willen große Mengen von Flüssigkeit zu trinken." Anders ist es bei Menschen mit Demenz: Deren Durstgefühl kann unzuverlässig sein, die Trinkmenge gefährlich gering. Oft kommen bei Älteren Schamgefühle hinzu: Wenn die Angst vor Inkontinenz dazu führt, dass trotz Durst sehr wenig getrunken wird. Oder wenn sie durch Medikamente zu viel Flüssigkeit verlieren.
Wobei eine andere alte Regel auch nicht stimmt: Es wurde immer gesagt, Kaffee würde entwässern - und man müsse in der Flüssigkeitsbilanz den getrunkenen Kaffee (und Tee) abziehen. Auch falsch. Kaffee und Tee entwässern so gut wie nicht. Sie können in der Flüssigkeitsbilanz so wie Wasser geführt werden. Wobei eine solche Flüssigkeitsbilanz bei gesunden Menschen völlig überflüssig ist: Der zuverlässigste Hinweis darauf, ob der Körper Flüssigkeit braucht, ist eben der Durst.