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Anstrengender als JoggenJumping Fitness als neuer Trendsport

Lesezeit 5 Minuten

Manche Sprünge sind eher etwas für Fortgeschrittene - Spaß macht Trampolin-Training aber wahrscheinlich jedem.

Schon nach einigen Minuten geht die Pumpe. Und noch ein paar Minuten später zwickt es ein bisschen in den Waden: Beim Work-out auf dem Trampolin ist der Körper schnell in Fahrt. "Jetzt springen wir mal ein bisschen höher und nehmen die Arme mit", leitet Jennifer Nothing an. Die selbstständige Sportwissenschaftlerin hilft der Trampolinhalle Jump Berlin, ein Konzept für Fitnesskurse zu entwickeln. Die Halle hat erst im Oktober 2015 eröffnet. 2016 sollen weitere in Berlin folgen. Auch in anderen deutschen Städten kann man sich in Hallen mittlerweile auf Trampolinen austoben.

Das neue Angebot werde gut angenommen, sagt Jakob Übelherr vom Jump Berlin. In den USA seien solche Hallen schon viel länger verbreitet - nun schwappt der Trend zur Jumping Fitness auch nach Deutschland. Gesprungen wird auf den größeren Trampolinen und beim Rebound Training auf den kleineren Indoor-Geräten. Warum das so beliebt ist? "Es ist etwas nicht Alltägliches", findet Übelherr, "eine schöne Bewegung." Dem stimmt auch Jörg Hohenstein zu: "Jeder springt gerne", sagt der Juniorennationaltrainer vom Deutschen Turner-Bund (DTB). "Es ist einfach so, dass es Spaß macht."

400 Muskeln werden eingesetzt

Außerdem ist das Training laut den Experten sehr effektiv. Etwa 400 Muskeln brauche man beim Springen, erklärt die Sportwissenschaftlerin Nothing. "10 Minuten Trampolinspringen ist wie 30 Minuten joggen." Das Herz-Kreislauf-System werde dabei stark beansprucht. "Das ist immer das, was die Leute am meisten überrascht", erklärt Hohenstein. Denn das Springen sehe so schwere- und mühelos aus - da vergisst man schnell, was für ein Kardio-Work-out es ist. "Es ist wirklich extrem beanspruchend."

Daneben wird das Gleichgewicht trainiert. Das ist schon der Fall, wenn man sich zum Aufwärmen auf dem Trampolin auf den Füßen hin und her bewegt und abrollt, beschreibt Angelika Hartmann von der Deutschen Fitnesslehrer Vereinigung (DFLV). Auch die Muskeln werden gekräftigt - darunter die gesamte Beinmuskulatur, die Armmuskulatur, bei Hocksprüngen mit Anziehen der Knie zum Beispiel auch die Bauchmuskeln, schildert Hohenstein. Gerade die Rückenstrecker würden extrem beansprucht. "Die Fitnessbranche fährt darauf ab, weil es ein ganzheitliches Training ist", ist sein Fazit. Aber beim Körper hört das Training noch nicht auf: "Der Stressabbau ist einfach tipptopp", formuliert es Hartmann. Das sei vor allem beim schnellen Springen auf den kleinen Trampolinen der Fall, bei denen man sich während des Auspowerns an Stangen festhält.

Stress mildernd wie Arbeit am Boxsack

Die schnelle Bewegung mit den Füßen auf dem Netz sei ähnlich Stress mildernd wie Boxen mit dem Boxsack. "Man kann gut seine Aggressionen loswerden", findet Nothing.

Insgesamt sei das Training auf den Trampolinen sehr gelenkschonend und das Verletzungsrisiko eher niedrig, sagt Nothing. Aber es existiert natürlich. Ganz wichtig ist in diesem Zusammenhang, sich etwas vorzubereiten, langsam einzusteigen - und nicht zu schnell zu wagemutig zu werden. Hohenstein rät, erst einmal die Beine und Arme etwas aufzuwärmen. Dann schwingt man ein wenig auf dem Netz, um ein Gefühl für die Bewegung zu bekommen, sagt Nothing. Dabei kann man auch etwas hin und her laufen. Der nächste Schritt: niedrige Sprünge.

Danach darf es schon etwas höher gehen, mit den Fußballen und -spitzen jetzt abdrücken, weist Nothing an. Dann lassen sich zum Beispiel Hampelmänner ausprobieren, oder Sprünge, bei denen die Knie angezogen werden. Später probiert man vielleicht schon einmal eine Schraube um sich selbst, fügt Hohenstein hinzu.

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Er rät, erst einmal nur zehn Minuten zu springen, dann eine Pause einzulegen. "Sie fangen ja auch nicht an, Marathon zu laufen." Saltos sind am Anfang tabu. "Von allen über-Kopf-Bewegungen würde ich dringend abraten." Für den Salto sollte man etwas Erfahrung gesammelt haben und sich auf jeden Fall von einem Experten zeigen lassen, wie es geht. Ohne Aufwärmen und mit zu viel Übermut drohen sonst Verletzungen.

Hartmann betont, dass es bei der Wahl eines Trampolin-Work-outs sehr auf eine gute Betreuung ankommt. Schon bei Übungen auf normalem Boden brauche man Anleitung, etwa bei der Kniebeuge. Weil es sich nun aber um einen beweglichen Untergrund handelt, sei die Betreuung noch viel wichtiger. Gerade am Anfang sollte man deshalb darauf achten, dass der Kurs etwas kleiner ist. Und hohe Frequenzen werden erst einmal vermieden, bis man sich an die Bewegungen gewöhnt hat und etwas fitter geworden ist.

Und es gibt auch Personen, die besser auf die Sprünge verzichten. Schwangere zum Beispiel, sagt Nothing. Wer Probleme mit dem Rücken hat, vielleicht schon einmal eine Verletzung an der Wirbelsäule hatte, sollte sich ebenfalls zurückhalten, rät Hohenstein. Bei Bänderverletzungen in Knie oder Fuß ist es nicht ratsam.

Vorbereitung auf die Ski-Saison

Mit den passenden Voraussetzungen sind Sprung-Kurse aber nicht nur für die allgemeine Fitness gut. Hartmann schlägt etwa vor, sie in Vorbereitung auf den nächsten Skiurlaub zu nutzen: Dort werde nicht nur die Kondition aufgebaut, sondern etwa Prophylaxe für die Knie betrieben, wenn die Füße ein- und ausgedreht werden. Für Snowboarder gibt es im Jump Berlin sogenannte Tramp Boards, mit denen man auf dem Netz Tricks üben kann. So lasse sich schon einmal üben: Wie drehe ich mich am besten, wie setze ich die Arme?, erklärt Übelherr.

Außerdem soll sich ein Kurs um Freestyle-Tricks drehen - dafür komme ein Team von Parcours-Trainern, kündigt Übelherr an. Und wer schon etwas fitter ist, kann nach dem regulären Work-out auf dem Trampolin künftig vielleicht ein Cross-Fit-Training ausprobieren, wo zu dem Training auf dem Netz auch noch Geräte wie Medizinbälle und Gymnastikbänder kommen. Das allerdings ist dann wirklich etwas für Fortgeschrittene mit allerlei Koordination.