Fax, Zeitansage, KassettenDinge, die es noch gibt, obwohl sie keiner mehr braucht
Köln – Smartphones tragen ihren Namen zu Recht: Die kleinen Computer für die Tasche sind so schlau, dass sie unzählige Aufgaben im Alltag übernehmen. Sie navigieren uns durch jeden Großstadtdschungel, sie verraten uns die Uhrzeit, sie spielen unsere Lieblingsmusik, sie sind die Hüter unendlichen Wissens – und natürlich telefonieren wir auch noch dann und wann mit ihnen.
Und doch sind die analogen Vorbilder dieser Funktionen immer noch nicht ausgestorben: Autoatlanten, Musikkassetten, Telefonzellen, Zeitansage… warum gibt es das alles immer noch? Das braucht doch keiner mehr. Oder doch?
Fax
Was ist das überhaupt? Ein klobiger Kasten, der wie ein seeehr großes altes Festnetz-Telefon aussieht. Man kann damit Kopien von Dokumenten über das Telefonnetz verschicken. Wählt man aus Versehen die Faxnummer eines Unternehmens, erkennt man es am Tinnitus-ähnlichen Pfeifton im Hörer.
Wer braucht das noch? Alle, die Dokumente mit Unterschrift verschicken müssen. Mit dem Fax geht das schneller als mit dem Computer, weil man sich das Einscannen spart. Bei geschäftlichen Dokumenten, wie zum Beispiel Kündigungen oder Angeboten hat das Fax den Vorteil, dass es als schriftliche Form auch vor Gericht anerkannt ist und das Gerät einen Sendenachweis übermittelt.
Bleibt das? Die Qualität der Ausdrucke lässt stark zu wünschen übrig und das Versenden von mehreren Dokumenten dauert im Vergleich zur sekundenschnellen E-Mail ewig. Doch die Deutschen halten an der altertümlichen Technik fest. Eine Studie des Digitalverband Bitkom aus dem Jahr 2016 belegt: Acht von zehn deutschen Unternehmen (79 Prozent) nutzen häufig bis sehr häufig das Faxgerät zur internen oder externen Kommunikation. Nicht totzukriegen.
Teletext
Was ist das überhaupt? Teletext-Seiten sind Informationsseiten von Fernsehsendern, die man direkt auf dem Gerät über die Fernbedienung ansteuern kann. Sie sehen aus wie Computerspiele auf dem C64 und stammen auch ungefähr aus der gleichen Zeit. Erdacht wurden sie Anfang der 1970er Jahre von Ingenieuren der BBC, die eine Möglichkeit suchten, Untertitel für Hörgeschädigte zu übertragen. Sie nutzten dazu die sogenannte Austastlücke, also die Zeit, die das Fernsehgerät braucht, um sich auf den Empfang des nächsten Bildes vorzubereiten.
Wer braucht das noch? Alle, die möglichst kurz (eine Seite kann maximal 96 Buchstaben und 128 Grafikzeichen enthalten) und unkompliziert über ein aktuelles Geschehen informiert werden möchten, wie zum Beispiel Fußball- oder Wahlergebnisse. Hörgeschädigte, die sich Untertitel einblenden lassen können. Zwischendurch-Einschalter, die wissen wollen, welchen Film sie da gerade sehen.
Bleibt das? Die Technik stammt aus der Steinzeit des Fernsehens, Ladezeiten und Pixelgrafik aus dem Altpaläolithikum des Internets – trotzdem rufen täglich mehr als elf Millionen Deutsche den Teletext auf, allein der ARD-Teletext erreicht dabei vier Millionen Besucher am Tag. Das bleibt.
Zeitansage
Was ist das überhaupt? „Beim nächsten Ton ist es 11 Uhrrrrrr 20 Minuten und fünf Sekunden. PIEP“. Die Nummer der automatischen Zeitansage war zwischen den 60er und späten 80er Jahre vermutlich die meistgewählte Telefonnummer der Bundesrepublik. Wer damals die 119 anrief, bekam die exakte Uhrzeit von einer Atomuhr abgelesen. Die Deutschen nutzten den telefonischen Mehrwertdienst im Schnitt 600.000 Mal täglich, um ihre Analoguhren zu stellen. Die Deutsche Bundespost verdiente damit satte 50 Millionen Deutsche Mark jährlich.
Wer braucht das noch? In Zeiten von Smartphones und Funkuhren braucht eigentlich niemand mehr die Zeitansage. Trotzdem rufen auch heute noch durchschnittlich 1000 Anrufer täglich die Zeit telefonisch ab. Hochkonjunktur hat der Service an Silvester und zur Zeitumstellung, so die Telekom, deren Dienst heute 20 Cent pro Anruf kostet.
Bleibt das? Vermutlich löst allein das Wort „Atomuhr“ bei pünktlichkeitsfixierten Deutschen immer noch ein wohliges Kribbeln aus – das tickt noch lange weiter.
Kassetten
Was ist das überhaupt? Ein analoger Tonträger zum Abspielen und Aufnehmen von Musik und anderen Tondokumenten. Aber eigentlich eine kleine Revolution und von den frühen 70er bis späten 90er Jahren eines der meistgenutzten Audio-Medien neben Schallplatte und CD. Denn das Tonband im robusten Plastikgehäuse machte Musik einfach mobil nutzbar und bot eine einfache Möglichkeit, selbst zum Musik-Produzenten zu werden: Mixtape heißt das Zauberwort.
Wer braucht das noch? Eigentlich nur Romantiker. Und vielleicht Eltern von Kleinkindern, die das Geräusch von hängengebliebenen Hörspiel-CDs nicht mehr ertragen und den Nachwuchs erstmal mit den aufbewahrten Benjamin-Blümchen-Kassetten aus der eigenen Kindheit versorgen. Bandsalat macht wenigstens keinen Lärm.
Bleibt das? Vielleicht. Laut Nielsen Media Research legte die Sparte Audio-Kassette im Jahr 2017 um satte 35 Prozent zu – das beste Verkaufsjahr seit 2012. Experten schreiben den Boom einer Retro-Welle zu, die auch durch Serien wie „Stranger Things“ befeuert wird, in der Kassetten prominent dargestellt werden. Allerdings sieht der Verkaufsboom in absoluten Zahlen schon anders aus: Tatsächlich gingen 2017 nur 174.000 Audio-Kassetten über den Ladentisch – weltweit.
Das könnte Sie auch interessieren:
Telefonzellen
Was ist das überhaupt? Einstmals gelbe Kästen, die an jeder Straßenecke zu finden waren. Sie ermöglichten den schnellen Anruf zwischendurch und diente im Urlaub als Verbindung nach Hause. Kinder nutzten sie als erstes Übungsgelände für Telefonstreiche. Nicht zuletzt waren die Telefonhäuschen auch ein beliebter Treffpunkt bei Verabredungen.
Wer braucht das noch? Gäbe es tatsächlich noch die kleinen Häuschen, könnte man sie immer noch gut als Unterstand bei Platzregen nutzen. Doch die letzten verbliebenen Geräte sind schmucklose Metallsäulen mit Telefon gewichen. Nutzen kann man sie in den allermeisten Fällen nur noch mit Telefon- oder Kreditkarten. Und ganz ehrlich: Wenn das eigene Mobiltelefon den Dienst versagt, nützt auch die Telefonzelle nicht viel – oder kennen Sie die Telefonnummern Ihrer Freunde auswendig?
Bleibt das? Einer der Hauptgründe, warum noch immer zumindest an Bahnhöfen und anderen öffentlichen Plätzen die Telefongeräte zur Verfügung gestellt werden, ist das Telekommunikationsgesetz (TKG). Es verpflichtet die Telekom dazu, eine „Grundversorgung mit öffentlichen Telefonen“ zu gewährleisten. Wie viele Telefone das sind, ist nicht definiert. Trotz des TKG werden weiterhin Telefonzellen abgebaut. Das geschieht vor allem dann, wenn sie nicht genug Umsatz erwirtschaften. Die Telekom argumentiert dann mit fehlender Nachfrage. Fazit: Das bleibt nicht für immer.
Autoatlas
Was ist das überhaupt? Tonnenschweres Buch, das früher in keinem Auto fehlen durfte. Meist vergraben in der Seitentasche neben dem Beifahrersitz. Der Inhalt: Straßenkarten in systematischer Reihenfolge mit Zusatzinformationen wie Innenstadtpläne, Entfernungstabellen, Bußgeldkatalog oder Hotelverzeichnis, die Autofahrer in einer fremden Gegend benötigen.
Wer braucht das noch? Alle, die sich vor einer Reise gerne ein umfassendes Bild der Route machen wollen. Alle, die kein Datenvolumen mehr für Google Maps haben. Alle, die das Ladekabel fürs Auto vergessen haben und deren Akku nur noch bis zum nächsten Rastplatz reicht.
Bleibt das? Besser wär’s. Auf die Technik ist kein Verlass – besonders unterwegs. Auf die Kartenlesefähigkeit des Beifahrers allerdings auch nicht immer… (jym/mit dpa)