FamiliengeschichteEnkelin erzählt von Engelskirchener Widerstandskämpfer
Loope – Mit ernstem Miene blickt Edmund Schiefeling von der Wand herab. Das Gemälde gehört zu den Dingen und Dokumenten aus dem Nachlass ihres Großvaters, die Marianne Möller für die Familie verwahrt. Persönlich hat sie ihn nicht kennengelernt. Der Drucker, Verleger, NS-Gegner und erster Engelskirchener Bürgermeister nach dem Krieg erlag 1947 den Folgen eines Schlaganfalls, sieben Jahre vor Möllers Geburt.
Das Porträt in Öl entspricht dem Bild, das Möller vom Großvater von ihrer Mutter Gertrud vermittelt wurde. Heute weiß sie, das Edmund Schiefeling nicht nur ein strenger Patriarch, sondern auch ein liebevoller Familienmensch und humorvoller Erzähler war. Bei der Lektüre seiner Briefe für eine Familienchronik hat sie ein neues Bild von ihm gewonnen, auch von ihrer Mutter und deren Geschwistern. Und von sich selbst als Teil der Enkelgeneration.
Platz im Ortszentrum
Gedenktafel
Edmund Schiefeling (1882-1947) war Verleger und Chefredakteur der „Bergischen Wacht“. Schon in der Zeit der Weimarer Republik kritisierte er die Nationalsozialisten. Später wurde er mehrfach inhaftiert, unter anderem im KZ Kemna bei Wuppertal. Nach dem Krieg wurde Schiefeling Engelskirchener Bürgermeister.
Die zehn Enkel und Enkelinnen von Edmund Schiefeling möchten ihren Großvater auf dem nach ihm benannten Platz im Ortszentrum mit einer Gedenktafel würdigen. Im Gemeinderat bekamen sie dafür jüngst ungebrochene Zustimmung. Klaus Büscher ist ein Sohn der Schiefeling-Tochter Magdalene und berichtet, dass er kürzlich hörte, wie sich Schüler „auf dem Edi“ verabredeten. „Ich fürchte, die jungen Leute hatten keine Ahnung, wer Edmund Schiefeling war.“ Warum es nicht längst einen Gedenkstein gibt und die Erinnerung an den mutigen Verteidiger der Zivilgesellschaft verblasst ist, mag daran liegen, dass sich Schiefeling in seiner kurzen Amtszeit als Bürgermeister nach dem Krieg auch Gegner gemacht hat, mutmaßt Peter Ruland, der als Regionalhistoriker viel über Schiefeling geforscht und veröffentlicht hat, unter anderem in dieser Zeitung. „Schiefelings Bedeutung ist unterbewertet“, ist Ruland überzeugt. „Es gab damals viele einflussreiche Engelskirchener, die nicht mit den von ihm vorangetriebenen Plänen für den Wiederaufbau des zerstörten Orts einverstanden waren.“
Zwei SPD-Politiker, Peter Ruland selbst und sein Schwiegervater Günther Miebach, waren es, die in den 1980er Jahren den Antrag stellten, den neugestaltenen Platz in der Ortsmitte nach dem einstigen Zentrums-Politiker und späteren CDU-Bürgermeister Schiefeling zu benennen. (tie)
Die frühere Lehrerin an der Oberbantenberger Kükelhaus-Förderschule glaubt heute, dass es kein Zufall ist, dass sie sich mit behinderten Kindern beschäftigt hat. Die älteste Schiefeling-Tochter Cäcilie war geistig und körperlich beeinträchtigt. Auch ihr aktuelles Projekt hat mit einer familiären Prägung zu tun: Die Sorgfalt, mit der Möller ein Jahr lang Familienfotos beschriftet, mit Auszügen aus Briefen ergänzt und alles zusammen in zwei dicken Alben versammelt hat, zeugt von der publizistischen Tradition der Drucker- und Verlegerfamilie Schiefeling. Möllers Vater Hans Stiefelhagen hat im Betrieb das Druckerhandwerk gelernt und ist der Liebe wegen nach dem Krieg dorthin zurückgekehrt.
Die Stühle in Möllers Esszimmer stammen aus der Druckerei. 2018 wurde der Betrieb an der Leppestraße abgerissen. Margarete Schiefeling habe sich 2007 als letzte Chefin sehr schwer damit getan, die Druckerei nach mehr als 100 Jahren aufzugeben, sagt Marianne Möller. Darum habe die Cousine es ihr überlassen, die Unterlagen im Büro des Vaters Joseph zu sichern: „Da ist noch eine Kiste.“ Darin fanden sich auch Briefe an den Bürgermeister und Anträge an den Rat, die Möller zum Gemeindearchiv brachte. Dort bekam sie dann auch Anregungen für ihre eigene Forschungsarbeit.
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Nun haben die wenigsten Oberberger einen Großvater, der sich in der NS-Zeit als Widerstandskämpfer hervorgetan hat. Marianne Möller wirbt dennoch dafür, sich mit der Familiengeschichte zu befassen. „Ich möchte anderen Menschen Mut machen. Ich habe erst jetzt kapiert, wer mein Opa war und wie sehr sein Leben unsere Familie bis heute prägt.“ Erst seit sie weiß, dass ihr Großvater sich bei Nacht und Nebel ins unbekannte Exil aufmachen musste, kann sie nachvollziehen, warum ihre Mutter immer so ängstlich war, wenn die Kinder auf Reisen gingen. Als die Kölner Autorin Sabine Bode vor drei Jahren in Ründeroth aus ihren Büchern über Kriegskinder und -enkel vortrug, habe sie das sehr berührt, sagt Marianne Möller.
Ihr geht es nicht um Ahnenforschung, also darum möglichst viele Daten aus einer lang zurückreichen Familienhistorie zu sammeln. „Das ist mir zu weit weg. Ich möchte lieber lebendig erzählen.“ Für Marianne Möller gibt es keinen Zweifel: „Der Opa und der Onkel Joseph haben diese Dinge nicht umsonst verwahrt.“