Die „Spontane Jecke“ erinnerten an eine Einbruchserie in Zülpich. Vermisst werden auch die grünen Papageien aus Brühl und Köln.
Der Mega-Zug98 Gruppen mit 1200 jecken Teilnehmern ziehen durch die Römerstadt Zülpich
Alex Bohm und Janine Gleske leben schon seit vielen Jahren in Zülpich. Den Zülpicher Rosenmontagszug haben sie allerdings bisher noch nie miterlebt. Und das, obwohl er „legendär“ sein soll. Deswegen haben die Frauen in diesem Jahr ihre Ehemänner, die Karnevalsmuffel sind, zu Hause gelassen, haben sich als Bienenpaar verkleidet, und an den Straßenrand an der Römerallee gestellt, um herauszufinden, was den seit 1910 von der KG Zölleche Öllege organisierten Zug so besonders macht.
Zugleiter Philipp Dordel findet: Es sind sowohl Kreativität als auch die Heimatverbundenheit der Teilnehmer. Von den ungefähr 1200 Teilnehmern, die in 98 Gruppen von Hoven über die Römerallee zum Münstertor ziehen, beschäftigen sich viele mit der Politik oder dem Leben in der Stadt Zülpich. Da sind zum Beispiel die „Spontane Jecke“, die sich als Panzerknacker und gesprengte Geldautomaten verkleidet haben. Das Motto: Die „Panzerknacker waren in Zöllech, et jov ke Jeld, nur Öllech.“ Zugrunde liegt dieser Idee eine wahre Geschichte.
Ein Einbrecher-Duo war 2018 in Schulen, Altenheimen und Kindergärten der Stadt eingestiegen, um alles zu stehlen, was nicht niet- und nagelfest war. Sogar ein Sparschwein hatten die Panzerknacker des echten Lebens in der Zülpicher Tafel geschlachtet, um sich mit einer Beute von 150 Euro davon zu machen. Und schließlich sollen sie das Rathaus regelrecht ausgeräumt haben. Nun haben die „Spontanen Jecken“ diese Idee weitergesponnen, und sich vorgestellt, was dieses Räuberduo dort wohl vorgefunden haben mag. Die Antwort: „Nur Öllech“, also Zwiebeln. Damit nehmen die Jecken das Thema der leeren Stadtkassen aufs Korn.
Die Bördebahn wird zum Wild-West-Zug der Geisterstadt Zülpich
Nur wenige Wagen vor den Panzerknackern fährt die Bördebahn als Wild-West-Zug, nur wenige Wagen dahinter rollt ein kleines Geisterschloss auf Rädern. „Das steht für die Geisterstadt Zülpich“, sagt der als Graf Dracula verkleidete Christian Schwaer. „Innerhalb der Stadtmauer sterben mit und mit die Ladenlokale aus“, prangert er an. „Darauf wollen wir mit einem Augenzwinkern aufmerksam machen.“
Und auf noch etwas machen die Zülpicher aufmerksam, vor allem die jüngeren Zülpicher – im Alter zwischen 20 bis 40 Jahren. Sie haben alte CDs zusammengeklebt (etwa die Bravo Hits '95, '96 und '98) und sich als Flügel auf den Rücken gespannt. Auf gelben Pullovern steht: „Sunshine Video 1990 -2014“. „Wir vermissen einfach unsere alte Zülpicher Videothek“, erklärt der Zülpicher Jan Blatzheim.
Zölleche Köpp vermissen ihre alte Sunshine-Videothek
Leider seien Videotheken nicht mehr zeitgemäß, sagt er. Aber er und Fiona Fuchs erinnern sich gerne an die gute alte Zeit zurück, in der man zur Sonnenschein-Videothek ging, ein Video aussuchte, es mit nach Hause nahm, und den Film konzentriert ansah, und nicht nur nebenbei laufen ließ. Deswegen, so sagt Blatzheim, sei das Motto der „Zölleche Köpp“ in diesem Jahr: „Wir spulen uns zurück, die jute alte Zick.“
Aber nicht nur die Zölleche Köpp wünschen sich etwas zurück, sondern auch die Damen von dem „Letzten Rest“. „Wir wollen die Papageien aus Brühl und aus Köln wieder zurück in der Römerallee haben“, ruft eine der als Aras verkleideten Frauen und grüßt ein Fantasiewesen aus Stoff, das am Straßenrand steht. Das Fantasiewesen hat große blaue Tatzen, und einen weißen Wolfskopf. Es trägt eine bunte Trainingsjacke. Es ist die Mutter von Selina Weikopf. Das Kostüm hat Weikopf selbst entworfen und genäht. „Das ist mein Hobby – und das übe ich nicht nur an Karneval aus“, erklärt sie. Auf ihrem Handy zeigt sie weitere Kostüme plüschiger, alienhafter Wesen. Manchmal schlüpft Weikopf selbst in diese Kostüme. Ihr Name ist dann nicht mehr Selina Weikopf, sondern „Galaxy the fluffy one“, erklärt sie.
Ganz in der Nähe umarmen sich zwei Frauen, die ähnlich kuschelig aussehen. Angelika Auer und Verena Stradza sind als Krümelmonster verkleidet. Die beiden Frauen sind Freundinnen, sehen sich aber nicht häufig. „Das liegt daran, dass ich am Bodensee lebe“, erklärt Auer. „Aber an Karneval komme ich immer in meine Heimatstadt zurück.“ Zum einen, um ihre Freundin Verena Stradza zu treffen. Zum anderen, weil der Zug in Zülpich „einfach der allerschönste“ ist, um nicht zu sagen „legendär“.