Ausgerechnet am Politischen Aschermittwoch mussten SPD und Union ihr Schuldenprogramm verteidigen. Nun muss erst einmal das Grundgesetz geändert werden.
SchuldenprogrammEs bleibt nur noch die Flucht nach vorne

Markus Söder (l-r), Vorsitzender der CSU und Ministerpräsident von Bayern, Friedrich Merz, Kanzlerkandidat der Union, Fraktionsvorsitzender der Union und Bundesvorsitzender der CDU, Lars Klingbeil, Fraktionsvorsitzender der SPD und Bundesvorsitzender, und Saskia Esken, Parteivorsitzende der SPD, geben eine Pressekonferenz zu den Sondierungsgesprächen zwischen der Union und der SPD.
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Wäre die Lage nicht so ernst, böte sich durchaus Anlass zu Häme. Denn schon bevor Friedrich Merz überhaupt als Kanzler im Amt ist, muss er das Wahlversprechen, keine übermäßigen Schulden machen zu wollen, wieder kassieren. Nun ergeht es ihm ähnlich wie der Ampel im ersten Jahr ihrer Amtszeit, als der Ukraine-Krieg mit seinen Folgen für die Energiepolitik alle rot-grün-gelben Pläne auf den Kopf stellte. Wenn äußere Faktoren die besten Absichten konterkarieren, bleibt nur noch die Flucht nach vorn.
Als solche lässt sich das Schuldenprogramm bislang ungekannter Dimensionen verstehen, auf das sich Union und SPD bei ihren Sondierungsgesprächen geeinigt haben und das sie ausgerechnet am Politischen Aschermittwoch verteidigen mussten. Die wohl künftigen Koalitionspartner wollen das Grundgesetz noch mit der alten Mehrheit im Bundestag ändern, um Verteidigungsausgaben von mehr als einem Prozent der Wirtschaftsleistung von der Schuldenbremse auszunehmen. Zudem soll es ein riesiges, schuldenfinanziertes Sondervermögen für die Infrastruktur geben. Da wird nicht gekleckert, sondern geklotzt.
Die Vorhaben sind eine Art Befreiungsschlag. Sie verschaffen der mutmaßlich neuen schwarz-roten Koalition etwas Luft, um im noch zu vereinbarenden Regelhaushalt künftig auch das Soziale nicht komplett unter die Räder kommen zu lassen. Von strukturellen Reformen entbindet das allerdings nicht. Mittelfristig braucht es eine Anpassung der Staatsausgaben an das Wachstumspotenzial.
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