Marie-Agnes Strack-Zimmermann hat jüngst für viel Diskussion gesorgt und viele Gemüter gefragt. Wir haben einmal allgemeiner gedacht: Sollten Politiker die karnevalistische Bühne vielleicht besser meiden?
Rundschau-Debatte des TagesSollten Politiker wirklich in die Bütt steigen?
Manchen Politikern ist die humorvolle Darbietung in die Wiege gelegt, manche fremdeln eher mit Bühnenauftritten im Kostüm. So oder so können ihre Karnevalsreden aber politisch nach hinten losgehen. Sollten aktive Politiker den Schritt in die Bütt also vielleicht lieber meiden?
Wenn Aschermittwoch ist, wird in den Berliner Parteizentralen wohl so mancher aufatmen. Vorbei die Zeit der Fettnäpfchen und der unvorhersehbaren Entgleisungen. Auch in diesem Jahr ist in der Karnevals-Saison wieder politischer Flurschaden entstanden. FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann wird in der Folge einer Büttenrede eine Mitschuld am Wahldebakel der Berliner FDP gegeben. Spitzen aus dem Mund der grünen Außenministerin Annalena Baerbock sorgten ebenfalls für Verstimmungen.
Annegret Kramp-Karrenbauer
Politik und Karneval gehören zwar eigentlich zusammen, aber die Frage ist eben, wer über wen Witze macht und auf welche Weise. Wer als aktiver Politiker in die Bütt steigt, gibt sein Amt nicht am Bühneneingang ab. Diese Erfahrung musste 2019 die damals frisch ins Amt der CDU-Parteivorsitzenden gewählte Annegret Kramp-Karrenbauer machen. Die volksnahe Saarländerin hatte in der fünften Jahreszeit schon immer ihren Auftritt als „Putzfrau Gretel“ mit Kopftuch und Wischmop, selbst als Ministerpräsidentin. Erst als Parteichefin nahm sie Abstand, nachdem sie wegen einer Karnevalsrede im baden-württembergischen Stockach heftig in die Kritik geraten war.
Kramp-Karrenbauer hatte sich über Toiletten für intersexuelle Menschen lustig gemacht. Tagelang sah sich die CDU-Chefin mit dem Vorwurf konfrontiert, sie habe eine problematische Haltung zu Minderheiten. „Fastnacht ist nicht dafür da, dass die Obrigkeit sich über die ,kleinen Leute‘ lustig macht, sondern umgekehrt“, schimpfte Petra Weitzel, Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität. Im folgenden Jahr sagte Kramp-Karrenbauer alle Karnevalsauftritte ab. Die „Putzfrau Gretel“ und das Amt der CDU-Vorsitzenden waren nicht miteinander vereinbar.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann
In diesem Jahr sorgte bekanntlich FDP-Politikerin Strack-Zimmermann für die Debatte der Saison – bei der Aachener Traditionssitzung zur Verleihung des Ordens wider den tierischen Ernst. Auch der Humor endet bisweilen an Parteigrenzen. Die CDU, dem Karneval grundsätzlich leidenschaftlich zugetan, verlangte gar eine Entschuldigung, weil Strack-Zimmermann über ihren Vorsitzenden Friedrich Merz gereimt hatte: „Beherzt er auf die Schwachen drischt, weil er gern im Trüben fischt. Grad die, die christlich selbst sich wähnen, sollten sich für ihn was schämen.“ Merz, selbst Gast bei der Veranstaltung, konnte darüber nicht mehr lachen.
Auch Strack-Zimmermann bekleidet in Berlin ein Amt. Als Vorsitzende des Verteidigungsausschusses steht sie einem entscheidenden Gremium vor. Ausschussvorsitzende pflegen gerne eine gewisse Überparteilichkeit. War der Auftritt da hilfreich? Strack-Zimmermann findet die Debatte aufgebauscht, es sei nur eine Karnevalsrede. Bei der Aufarbeitung der Berliner Wahl-Pleite bei der FDP sehen das nicht alle so.
Annalena Baerbock
Während die Düsseldorferin Strack-Zimmermann in der Bütt zumindest wie in ihrem Element wirkte, war der grünen Außenministerin Annalena Baerbock, die in diesem Jahr den Aachener Orden verliehen bekam, das Unbehagen von der ersten bis zur letzten Sekunde ihres Auftritts anzumerken. Kein Wunder: Bei der ersten Diplomatin des Landes wird immer und überall jedes Wort auf die Goldwaage gelegt.
Ihre Tochter, erklärte Baerbock, habe ihr schon vor dem Auftritt klargemacht, dass sie überhaupt nicht witzig sei. Sie versuchte es dann allerdings trotzdem. Der Applaus im Saal für die traditionelle Ritterinnenrede fiel eher pflichtschuldig aus, als sie unter anderem erklärte, wer mit Christian Lindner in einer Koalition sei, brauche eigentlich keine Opposition mehr. Viele wirkten erleichtert, als es vorbei war – vor allem Baerbock selbst. Die Außenministerin im Narrenkäfig, auch darauf könnte man künftig gern verzichten.
Andererseits: Wo sonst in der Welt machen sich Regierende noch selbst zum Narren? Vielleicht ist schon was dran an dem, was Baerbock zum Ende ihrer Rede sagte: „Dass wir hier in Deutschland übereinander, aber vor allem auch miteinander lachen können: Das ist, was zählt!“ Wenn es denn gelingt.