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Rundschau-Debatte des TagesSind die Regeln für Geldautomaten zu lasch?

Lesezeit 4 Minuten
ARCHIV - 14.01.2023, Niedersachsen, Clausthal-Zellerfeld: Blick auf einen zerstörten Vorraum der Touristinformation am Torfhaus.

Blick auf einen zerstörten Vorraum nach der Sprengung eines Geldautomaten.

Die Zahl der Sprengungen nimmt weiter zu, vor allem in NRW. Die Innenminister drohen mit gesetzlichen Vorgaben  – die Banken sehen sich indessen nicht in der Pflicht.

Angesichts einer hohen Zahl von Geldautomatensprengungen fordern die Innenministerien von Bund und Ländern von der Bankenbranche sofortige Investitionen in Schutzmaßnahmen. Sollte dies auf freiwilliger Basis nicht geschehen, werde „eine gesetzliche Pflicht der Hersteller und Betreiber der Geldautomaten zur Umsetzung geeigneter Schutzmaßnahmen notwendig“, sagte Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) dem „Handelsblatt“. Ähnlich äußerten sich gegenüber der Zeitung demnach auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und andere Ressortchefs. „Jetzt ist die Kreditwirtschaft in der Verantwortung, diese Maßnahmen schnell und konsequent umzusetzen“, sagte Faeser.

Der Thüringer Innenminister Georg Maier (SPD) erinnerte daran, dass sich die Bankenbranche bei einem runden Tisch zu dem Thema in der Vergangenheit bereits zu vorbeugenden Maßnahmen bereiterklärt habe. „Wir erwarten jetzt kurzfristig sichtbare Schritte“, sagte Maier. Sonst sei eine gesetzliche Regelung unausweichlich.

Politik fordert konkrete Schritte

Zunehmenden Druck auf Kreditinstitute und Hersteller übte in jüngster Zeit etwa Niedersachsen aus. Landesjustizministerin Kathrin Wahlmann (SPD) forderte Unternehmen Ende Januar ultimativ zum Einbau von Sicherheitssystemen auf. Die Täter nutzten inzwischen vermehrt sogenannte Festsprengstoffe mit hoher Sprengkraft statt Gasgemische. Dies bedeute eine „unkalkulierbare Gefahr für die Bevölkerung“, auch weil noch immer viele Geldautomaten in Wohnhäusern aufgestellt sind. Notfalls seien gesetzgeberische Maßnahmen nötig.

Wahlmann verwies dabei auf das Vorbild niederländischer Banken. Diese hätten flächendeckend Systeme eingeführt, die das Bargeld in den Automaten bei einer Attacke mit Klebstoff unbrauchbar machten. Sprengungen lohnten sich für Täter nicht mehr. Es gebe außerdem andere Verfahren, die etwa mit Farbe arbeiteten. Auch Strobl verwies nun im „Handelsblatt“ auf technische Lösungen, um Tätern den Erfolg zu erschweren. Dazu zählten Vernebelungstechnik oder Einfärbe- und Klebesysteme, erläuterte der baden-württembergische Landesinnenminister.

Kreditwirtschaft weist Kritik zurück

Der Dachverband der deutschen Kreditwirtschaft, in dem Sparkassen und Banken zusammengeschlossen sind, kritisierte die Innenministerien. „Eine gesetzliche Regelung ist aus unserer Sicht der falsche Ansatz und wird der grundsätzlichen Aufgabenverteilung in unserem staatlichen Gemeinwesen nicht gerecht“, erklärte die Deutsche Kreditwirtschaft gegenüber dem „Handelsblatt“. Der Schutz der Bargeldversorgungsinfrastruktur könne nur gemeinsam mit Politik und Strafverfolgungsbehörden gelingen, fügte der Verband an. „Es ist schwer nachzuvollziehen, dass die alleinige Verantwortung für die Verhinderung von Sprengungen bei Banken und Sparkassen liegen soll.“

Die deutsche Kreditwirtschaft weist zudem darauf hin, dass bereits Färbesysteme bundesweit in Teilen der Automaten im Einsatz seien, es aber aktuell noch an zertifizierten Klebesystemen in Deutschland fehle. Zudem befürchten die Banken laut dem Dachverband, dass innerhalb kurzer Zeit nach Installierung der neuen Systeme die Täter diese bei den Sprengungen wieder umgehen könnten.

Zahl der Sprengungen nimmt zu

Das Phänomen der Geldautomatensprengungen wird seit Längerem mit Sorge beobachtet, die Zahl der entsprechenden Taten nahm über die Jahre deutlich zu. Das Bundeskriminalamt (BKA) widmet der Entwicklung ein eigenes bundesweites jährliches Lagebild. Das Lagebild für 2021 verzeichnete deutschlandweit 392 Sprengungen, wobei Täter laut BKA in der weit überwiegenden Zahl der Fälle inzwischen feste Sprengstoffe „mit hohem Gefahrenpotenzial“ verwendeten. Das Lagebild für 2022 ist noch nicht veröffentlicht. Medienberichten zufolge registrierte das BKA im vergangenen Jahr allerdings mit knapp 500 versuchten und erfolgreichen Geldautomatensprengungen bundesweit einen neuen Rekord. Der bisherige Höchstwert lag 2020 bei 414 Fällen.

Gesprengte Geldautomaten sind vor allem in den zu den Niederlanden angrenzenden Bundesländern NRW und Niedersachsen ein Problem – nach Angaben der beiden Landeskriminalämter waren es im vergangenen Jahr zusammen 250 Taten in den Bundesländern – somit etwa die Hälfte der bundesweiten Fälle.

Wer sind die Täter?

Viele der mutmaßlichen Täter kommen aus den Niederlanden – laut BKA kamen 2021 etwas mehr als die Hälfte der rund 120 Tatverdächtigen aus dem Nachbarland. Bei der Bekämpfung der Kriminalität fordert Oliver Huth vom Bund Deutscher Kriminalbeamter mehr Unterstützung der Niederlande: „Es gibt drei wichtige Tatphasen. Die Vortatphase, die Tatphase und die Nachtatphase. Und die Vortatphase findet nun einmal in den Niederlanden statt.“ Während die Zahl der Sprengungen in Deutschland sprunghaft anstieg, ging sie in den Niederlanden übrigens – vermutlich aufgrund der verbesserten Schutzmaßnahmen – deutlich zurück. 2019 waren noch 71 Fälle registriert worden, im vergangenen Jahr waren es nur noch 9. (afp/dpa)


Geldautomatensprengungen in Köln und der Region

Die Kreissparkasse Köln verzeichnete in Bornheim drei Sprengungen in fünf Monaten. Bei der Volksbank Köln waren es 2022 allein fünf Fälle. In Esch im Rhein-Erft-Kreis ereigneten sich gleich drei Fälle in einer Straße in 15 Monaten. Die Volksbank habe daher nun vor, in Zukunft die Scheine im Falle eines Angriffs zu verkleben, äußerte ein Sprecher der Volksbank. Jedoch würden sich die Diebe auf neue Techniken schnell einstellen. Zu den angedrohten gesetzlichen Verpflichtung der Banken wollte sich die Sparkasse KölnBonn nicht äußern.

Das Institut verweist hier auf die Aussagen des Dachverbandes der Deutschen Kreditwirtschaft (s. Haupttext). „Zu den Sicherheitsmaßnahmen gibt die Sparkassenleitung aus Sicherheitsgründen grundsätzlich keine Auskünfte“, so ein Sparkassen-Sprecher. Fakt sei, dass man nicht untätig sei, um „den Dieben das Leben so schwer wie möglich zu machen“. Dazu würden auch Geldautomaten abgebaut, um sie an geeignetere Standorte wie an isoliert stehende SB-Pavillons zu verlagern. Man wolle mit einem Mix an neuester Sicherheits- und Überwachungstechnik die Täter wirkungsvoll abschrecken, so die Bank. (dhi)