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Rundschau-Debatte des TagesIst die umstrittene CO2-Speichermethode die Rettung für die Klimaziele?

Lesezeit 5 Minuten
Der Diplomingenieur Fabian Möller dreht an einem Absperrventil der CO2- Speicherbohrung in Ketzin (Havelland).

Das Absperrventil einer CO2-Speicherbohrung in Ketzin (Havelland) zur unterirdischen Einlagerung des Klimakillers Kohlendioxids CO2. (Archivbild)

Schon bis Mitte des Jahres will Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) den Weg zur Nutzung von CCS (Carbon Capture and Storage) ebnen. Doch das Verfahren ist nicht unumstritten.

Naturschützer warnen vor womöglich gefährlichen Lecks und einem Ausbremsen der Energiewende. Allerdings sind der Weltklimarat und die Bundesregierung überzeugt: Ohne CCS wird es nicht klappen, die Emissionen bis 2045 auf null zu senken und die Erderwärmung schnell genug zu bremsen. Die CO2-Einspeicherung wird damit zur Schicksalsfrage. Oder entsorgen wir unser Klimagas einfach in Dänemark und Norwegen?

Worum handelt es sich bei CCS eigentlich?

Bei Carbon Capture and Storage (Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid) wird CO2 zunächst an Kraft- und Zementwerken oder Müllverbrennungsanlagen abgeschieden und verflüssigt. Eine Tonne CO2 lässt sich auf etwas mehr als einen Kubikmeter Volumen reduzieren. Nach der Abscheidung muss das Kondensat an den Speicherort gelangen, per Schiff oder Pipeline, und in den Boden gepumpt werden.

Ab etwa 2000 Meter Tiefe versetzen Wärme und Druck das CO2 in einen „superkritischen“ Zustand, in dem es sich in porösem Buntsandstein ausbreiten kann. Damit es im Boden bleibt, braucht es Gebiete mit dicken Tonschichten über dem Buntsandstein.

Taugen Norwegen und Dänemark als Vorbilder?

Die norwegischen Erfahrungen mit CCS reichen in die 1990er-Jahre zurück. Im Jahr 2007 bezeichnete der damalige Ministerpräsident Jens Stoltenberg die Einrichtung einer Testanlage als „norwegische Mondlandung“. Seit 2009 sind alle Parlamentsparteien für die Einspeicherung von CO2 vor der Küste des Landes. 2024 soll in einem alten Erdgasfeld vor Bergen Klimagas aus einer Müllverbrennungsanlage und einem Zementwerk bei Oslo eingelagert werden.

Bundeswirtschaftsminister Habeck (Grüne) will gesetzlich den Weg dafür frei machen, CO2 aus Deutschland nach Norwegen transportieren zu dürfen, um es dort speichern zu lassen. Dänemark zieht nach: Jüngst erteilte die Regierung in Kopenhagen einem Konsortium unter Beteiligung von Winterschall Dea die ersten Zulassungen, um ab 2030 in zwei Projekten unter der dänischen Nordsee Jahr für Jahr bis zu 13 Millionen Tonnen CO2 einzulagern. Das wäre doppelt so viel, wie die Dänen selbst emittieren.

Welche Risiken sind mit der CO2-Speicherung verbunden?

Umweltschützer warnen vor Lecks, durch die CO2 entweichen könnte. Allerdings sind an den Speichern in Nord- und Barentssee, die teils schon seit Jahrzehnten betrieben werden, bis heute keine Leckagen festgestellt worden. Wallmann hat mit seinem Team gleichwohl erprobt, was passiert, wenn im schlimmsten Fall 30 Tonnen CO2 pro Jahr aus einer Lagerstätte austreten.

Das Ergebnis: Eine Versauerung des Bodenwassers, Schäden am Ökosystem. Aber nur auf einer sehr kleinen Fläche, knapp 50 Quadratmeter. Einige Meter vom Leck entfernt ist kein überschüssiges CO2 mehr messbar. „Was schlimmstenfalls aus solchen Bohrlöchern austritt, ist eine Million mal weniger als die CO2-Menge, die die Nordsee ohnehin Jahr für Jahr aus der Luft aufnimmt“, hält Wallmann fest. „Unsere Position ist deswegen: Besser, wir bringen das CO2 unter die Erde, als es zu emittieren. Denn Emissionen schaden nicht nur dem Klima, sondern auch den Ökosystemen der Nordsee.“

Selbst wenn noch 100 Jahre durch ein Bohrloch zehn Tonnen CO2 pro Jahr austreten, bis es irgendwann zu unschädlichem Hydrogencarbonat neutralisiert, würde weniger als ein Prozent entweichen und mehr als 99 Prozent auf Dauer unten bleiben, sagt der Forscher.

Welche Vorbehalte gegen CO2-Speicherung gibt es noch?

„Ich sehe die Gefahr: Durch die CCS-Technologie wird die Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft lediglich hinausgezögert“, sagt Jörg-Andreas Krüger, Präsident des Naturschutzbundes (Nabu). Er unterstellt der Ampel-Regierung, einen „billigen Ausgang“ zu suchen und Klimaneutralität hinauszuzögern.

Das Umweltbundesamt kam noch vor vier Jahren in seiner RESCUE-Studie zum Ergebnis, auch ohne CCS könne Deutschland treibhausgasneutral werden, dank natürlicher CO2-Senken wie Moore und Wälder. Inzwischen widerspricht aber selbst Bundesumweltministerin Steffi Lemke von den Grünen: „CCS werden wir für nicht oder schwer vermeidbare Emissionen aus der Industrie benötigen. Das sagen zahlreiche Studien“, lässt sie einen Sprecher antworten.

Und im Habeck-Ministerium heißt es: Trotz aller Klimaschutzmaßnahmen werde CO2-Abscheidung „bereits ab 2030 im Megatonnen-Maßstab notwendig“. So ist es auch im jüngsten Evaluierungsbericht der Regierung von Ende des Jahres festgehalten. Auch bei vollendeter Energiewende bleiben fünf bis zehn Prozent an CO2-Emissionen, die wir anders nicht loswerden.

Wird der Meeresboden also zum gigantischen CO2-Speicher?

Derzeit ist CCS in Deutschland faktisch verboten. Habeck will das ändern und „bis Mitte 2023“ eine Carbon-Management-Strategie ausarbeiten lassen, die „den Rahmen für CCS in Deutschland“ setzt, wie sein Ministerium mitteilt.

Weil die Zeit rennt und der Aufbau der Leitungen sehr lange dauert, sei womöglich schon vorher eine Anpassung des Kohlendioxid-Einspeicherungsgesetzes notwendig, und zwar mit dem Ziel, Planverfahren für CO2-Pipelines zu starten. In einem ersten Schritt geht es um den Anschluss an „europäische CO2-Netze“ – also den Transport etwa nach Norwegen oder Dänemark.

Und was ist jetzt mit der deutschen Nordsee?

Ein Sprecher Habecks betont, es sei „ausdrücklich keine Vorfestlegung darüber getroffen, wo das abgeschiedene CO2 gespeichert werden soll“. Umweltministerin Lemke lässt eine gewisse Offenheit erkennen: „Wir werden vertieft prüfen, um Auswirkungen auf die Meeresökosysteme zu verhindern beziehungsweise zu minimieren“, sagt ihr Sprecher.

Von der Union im Bundestag wäre kein Gegenwind zu erwarten. „Wenn es sinnvoll und sicher ist und nicht über die Köpfe der Bürger hinweg entschieden wird, gäbe es für CCS in Deutschland sicher auch die nötige Akzeptanz“, sagt Fraktionsvize Jens Spahn (CDU). „Es gibt in der Außenwirtschaftszone etwa 100 Kilometer vor den deutschen Küsten geeignete Gebiete mit Sandstein unter ausreichend dicken Tonschichten“, sagt Klaus Wallmann vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel (GEOMAR).

Dort könne die Industrie das abgespaltene CO2 einspeichern. Dieser Bereich wäre zudem sehr weit von der einzigen deutschen Hochseeinsel Helgoland entfernt. Demzufolge gibt es auch Entwarnung für das Wattenmeer: „Gebiete in Küstennähe werden nicht benötigt“, so Wallmann.