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Rundschau-Debatte des TagesGibt es bald mehr Geld für Kinder in Armut?

Lesezeit 3 Minuten
Armen Familien fällt es oft schwerer, ihre Kinder in der Schule zu unterstützen.

Armen Familien fällt es oft schwerer, ihre Kinder in der Schule zu unterstützen.

In Deutschland wächst jedes fünfte Kind in Armut auf – kann die geplante neue Kindergrundsicherung daran etwas ändern? Während die Grünen mit dem Projekt auch höhere Leistungen einführen wollen, sehen die Liberalen hingegen dafür keinen Spielraum.

Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) hat hohe Erwartungen geschürt. Mit der Einführung der Kindergrundsicherung will sie die Armut von Kindern in Deutschland wirksam bekämpfen. Doch nun wird das Projekt zum Zankapfel. Die Hintergründe.

Was für eine Idee steckt hinter dem Konzept?

Mit der Grundsicherung für Kinder sollen möglichst alle bisherigen Leistungen für Kinder – Kindergeld, Kinderzuschlag, Teilhabepaket – zu einer Leistung zusammengefasst werden. Sie soll unbürokratisch und möglichst automatisch an Familien gezahlt werden. Das Problem: Viele Familienleistungen sind bisher kaum bekannt oder so kompliziert zu beantragen, dass sie Kinder, die Anspruch darauf hätten, nicht erreichen. Aus einer aktuellen Antwort des Bundesfamilienministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion geht hervor, dass nur jedes dritte Kind, das Anspruch hätte, den Kinderzuschlag in Höhe von bis zu 250 Euro im Monat auch bekommt. Etwa 1,5 Millionen Kinder in Geringverdiener-Haushalten erhalten ihn demnach nicht.

Warum gibt es darüber Streit in der Koalition?

Umstritten in der Ampel-Koalition ist, ob mit der Kindergrundsicherung nur gewährleistet werden soll, dass künftig alle bekommen, worauf sie seit Langem Anspruch haben. Das ist die Linie der FDP. Oder ob es außerdem noch höhere Leistungen für Kinder aus ärmeren Familien geben soll. Das ist das Ziel der Grünen. An ihrer Seite haben sie dabei die Sozialverbände, die seit Langem für eine Kindergrundsicherung in Höhe von etwa 600 Euro und mehr trommeln. Das würde Mehrkosten in Milliardenhöhe bedeuten. Im Hintergrund laufen allerdings derzeit die Haushaltsberatungen für die kommenden Jahre – und Finanzminister Christian Lindner sieht dafür keinen Spielraum. „Der Staat muss besser, nicht teurer werden“, argumentiert FDP-Fraktionschef Christian Dürr.

Bei den Grünen fürchten sie bereits, das Projekt könnte am Ende doch nicht der große Wurf gegen Kinderarmut werden. Grünen-Familienpolitikerin Nina Stahr appelliert im Gespräch mit unserer Redaktion an die Koalitionspartner: „Die Kindergrundsicherung wäre ein zukunftsweisender Schritt, Kinder aus der Armut zu holen. Deshalb erwarte ich von allen Koalitionspartnern, dass sie das Gesetz jetzt nicht ausbremsen, sondern vorantreiben, damit es ab 2025 gilt.“

Der familienpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Matthias Seestern-Pauly, weist den Vorwurf zurück, der Finanzminister sei nicht bereit, mehr Geld für arme Kinder auszugeben: „Christian Lindner hat das Kindergeld und den Kinderzuschlag erhöht. Aber wir müssen doch erst mal dafür sorgen, dass die Leistungen ankommen, bevor wir ihr Volumen erhöhen.“

Wie soll es mit dem Projekt weitergehen?

Interessant ist zu beobachten, wer sich an dem öffentlichen Streit beteiligt – und wer nicht. Die SPD hält sich auffallend zurück. Wie aus Koalitionskreisen zu hören ist, stehen auch Teile der SPD einer deutlichen Erhöhung der Leistungen für Kinder skeptisch gegenüber. Höhere Leistungen könnten wie beim Bürgergeld eine Debatte über Arbeitsanreize für Geringverdiener entfachen. Das möchte man vermeiden.

Sozialverbände hegen aber weiterhin hohe Erwartungen. „Wir brauchen jetzt eine schnelle Umsetzung der Kindergrundsicherung – und dafür muss natürlich auch Geld in die Hand genommen werden“, sagte die Vorstandsvorsitzende des Sozialverbandes Deutschland (SoVD), Michaela Engelmeier, unserer Redaktion. Dass Teile der FDP und der Bundesfinanzminister die Handbremse zögen, sei „beschämend“.

Aber auch die Grünen würden für das Projekt wohl kaum die Koalition platzen lassen. Es wird erwartet, dass am Ende mehr Familien die Leistungen erhalten, die ihnen zustehen – sich die Höhe aber erst mal nicht ändert.