Die iranische Führung hatte die Wahl – und sie hat eine Entscheidung mit unabsehbaren und möglicherweise fatalen Konsequenzen getroffen.
Nahost-KonfliktIran hat massive Konfrontation gewählt und Israels Reaktion wird hart sein
180 auf Israel abgefeuerte Raketen, ballistische Geschosse mit kurzer Vorwarnzeit – wer Israel auf diese Weise angreift, will große Schäden anrichten. Seinen vorhergehenden Luftangriff vom 13. April hatte der Iran über diplomatische Kanäle im Voraus angekündigt, er setzte hauptsächlich Drohnen und Marschflugkörper ein, und Israel hatte auf diesen erkennbar demonstrativen Schlag auch nur sehr begrenzt, mit einem Gegenangriff auf eine Militärbasis bei Isfahan, reagiert.
Israels Reaktion wird diesmal wesentlich härter ausfallen und auch ausfallen müssen. Da helfen auch deutsche Rufe nach Waffenruhe nichts – westliche Partner können allenfalls darauf hinwirken, dass Israel sich Zeit lässt. Denn das enorme Tempo, mit dem sich die Ereignisse am Dienstag entwickelten – von der israelischen Mitteilung über begrenzte Bodenoperationen im Südlibanon über neue Angriffe der jemenetischen Huthi auf Schiffe, den schweren Terroranschlag in Jaffa und dann den iranischen Großangriff –, dieses Tempo stellt eine besondere Gefahr dar, weil es einen enormen Handlungsdruck auslöst und damit die Gefahr von Fehleinschätzungen vergrößert.
Irans Angriff hatte wenig Erfolg – der Handlungsdruck ist dennoch groß
Dass der iranische Raketenangriff wenig Erfolg hatte, vermindert den Handlungsdruck für Israel nicht und kann auch die westlichen Partner nicht beruhigen. Ja, die meisten Raketen wurden mit vereinten israelischen, US-amerikanischen und jordanischen Kräften abgefangen. Die iranischen Sprengköpfe hätte viele Menschen töten sollen, tatsächlich umgebracht haben die Iraner eine Person – zynischerweise einen palästinensischen Araber in Jericho, also jemanden, den das Mullah-Regime seiner Propaganda gemäß doch solidarisch unterstützen wollte. Die Raketen waren auch nicht besonders zielgenau, und über Wüstenregionen haben die Israelis bewusst aufs Abfangen verzichtet. Die Jets auf dem Wüsten-Fliegerhorst Nevatim hatten zum Zeitpunkt des Angriffs längst abgehoben. Alles richtig, aber es sind iranische Sprengköpfe auf israelischem Boden eingeschlagen. Und der Verweis auf geringe Präzision ist ein billiger Trost angesichts der Tatsache, dass der Iran daran arbeitet, auch Atomsprengköpfe für seine Raketen zu entwickeln.
Irans Atomprogramm: Diplomatie hilft nicht weiter
Daraus ergibt sich neben allen unmittelbar militärischen Risiken auch eine politische Folgerung. Alle Bemühungen, den Iran diplomatisch zu einer Abkehr von seinem Atomprogramm zu bewegen, sind am Ende. Welche Avancen der neue, vermeintlich moderate Präsident Massud Peseschkian da auch immer in den letzten Monaten gemacht haben mag – man kann sie vergessen. Einmal abgesehen davon, dass ein wirklicher Reformer nie zur Kandidatur zugelassen worden wäre, hat der Präsident ohnehin wenig zu sagen. Die Macht im Staate Iran liegt bei den Revolutionswächtern, und die haben nun ihre Entscheidung getroffen: massive Konfrontation, ja Krieg. Die Leute, die in Teheran die Fäden ziehen, brauchen angesichts der engen militärischen Zusammenarbeit mit Russland ohnehin nicht mehr viele Rücksichten zu nehmen. Die Bevölkerung mag nach wie vor unter westlichen Sanktionen leiden, ihre Folgen für Irans Rüstungsindustrie werden dank russischer Hilfe ausgeglichen. Wladimir Putin hilft den iranischen Staatsterroristen dabei, ihren Weg zur Atombombe weiterzugehen. Eine hazardöse Entscheidung, die auch für Russland selbst noch sehr gefährlich werden kann.
Westliche Staaten mögen dennoch geneigt sein, der Entwicklung im Iran weiter zuzusehen – Israel kann und wird das nicht tun. Die Pläne für Militärschläge gegen iranische Atomanlagen und das iranische Raketenprogramm dürften längst fertig sein. Bisher ist es US-Präsident Joe Biden gelungen, die israelische Führung von ihrer Umsetzung abzuhalten, und er hat sich nochmals dagegen ausgesprochen. Wenn aber der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ein Argument für ein militärisches Vorgehen gegen den Irak direkt und nicht nur gegen seine terroristischen Helfershelfer von Gaza über Libanon bis zum Jemen suchte, dann haben die in Teheran tonangebenden Extremisten es jetzt geliefert. Schon mit seinem Vorgehen im Libanon hat Netanjahu gezeigt, dass er ohnehin nicht mehr viel auf westliche Einwände hört. Dennoch sollten die westlichen Partner alles in ihrer Macht Stehende tun, um die Israelis zu einem klug dosierten und vor allem nicht übereilten Vorgehen zu bewegen. Denn am Ende haben Israel und seine Partner gemeinsame Sicherheitsinteressen – im Verhältnis zum Iran ebenso wie zu dessen russischen Komplizen, denen gegenüber Jerusalem es leider an Deutlichkeit fehlen lässt.