Wenn die Babyboomer in Ruhestand gehen, gerät die Rentenkasse unter Druck. Mit einer großen Reform will die Regierung gegensteuern – und dabei auch auf den Aktienmarkt setzen. Was bedeuten die Pläne?
Mit Aktien die Altersvorsorge sichern?Was man jetzt zur neuen Rentenreform wissen muss
Die Bundesregierung will ihre nächste große soziale Reform auf den Weg bringen und die Renten fit für die Zukunft machen. Auch der Aktienmarkt soll bei der Absicherung erstmals eine zentrale Rolle spielen. Doch schon vor der Vorlage der Pläne gibt es teils heftige Kritik. Warum?
Was will die Ampel mit einer weiteren Rentenreform erreichen?
Die 2018 beschlossene Reform zu den großen Linien der Rente reicht nur bis 2025. Bis dahin soll das Rentenniveau von heute 48,1 Prozent nicht unter 48 Prozent sinken und der Beitragssatz nicht über 20 Prozent steigen. Heute liegt er bei 18,6 Prozent vom Bruttoeinkommen. Doch was passiert dann? Wird nicht gegengesteuert, droht das Absicherungsniveau der Rente nach offizieller Prognose bis 2030 auf 46,6 Prozent zu sinken. Der Beitragssatz dürfte bis 2036 auf 21,3 Prozent steigen. Denn Millionen Babyboomer mit Geburtsjahren in den 50er- und 60er-Jahren wechseln in den Ruhestand und werden von Einzahlern zu Rentnern.
Was plant die Regierung konkret in Sachen Rente?
Das Rentenniveau soll laut Arbeitsministerium dauerhaft bei 48 Prozent gesichert werden. Und mit dem Aufbau eines sogenannten Generationenkapitals soll der Beitragssatz langfristig stabilisiert werden – hier kommen die Aktien in Spiel. „Die gesetzliche Rente wird sich dann aus drei Quellen finanzieren“, kündigte Minister Hubertus Heil (SPD) an: aus den Rentenbeiträgen, dem Steuerzuschuss und – neu – Erträgen vom Kapitalmarkt.
Werden Rentner automatisch zu Aktienbesitzern?
Nein, auch sollen keine Rentenbeiträge in Aktienfonds fließen. Vom ursprünglichen FDP-Plan einer Aktienrente ist das Generationenkapital ein ganzes Stück entfernt. Die FDP hatte im Wahlkampf dafür geworben, dass zwei Prozent des Einkommens in eine kapitalgedeckte Vorsorge gesteckt wird. Stattdessen will die Regierung zunächst 10 Milliarden Euro aus öffentlichen Darlehen auf dem Kapitalmarkt anlegen. Die einzelnen Renten sollen damit auch nicht aufgebessert werden – sondern in rund eineinhalb Jahrzehnten die Rentenbeiträge stabilisiert werden.
Was halten Kritiker von den Anlagen in Aktien für die Rente?
„Die Finanzmärkte sind sehr volatil“, gibt DGB-Chefin Yasmin Fahimi zu bedenken. „Darauf kann man keinen Generationenvertrag aufbauen.“ Auch die Sozialverbände sind skeptisch: VdK-Präsidentin Verena Bentele warnt vor „risikoreichen Experimenten“, SoVD-Chefin Michaela Engelmeier weist auf schwankende Kurse infolge niedriger Zinsen und internationaler Krisen hin. Der Arbeitgeberverband BDA kritisiert zudem, dass der Staat für die Pläne Schulden aufnehmen wolle und somit neue Zukunftslasten schaffe.
Soll das Generationenkapital riskant angelegt werden?
Nein. „Die Sicherheit ergibt sich aus der Breite und der Langfristigkeit der Anlagen“, sagt Finanzminister Christian Lindner (FDP). Vorgesehen ist eine global diversifizierte und langfristige Kapitalanlage. Gemanagt werden soll sie von einem Staatsfonds in Form einer politisch unabhängigen Stiftung. Falls die Kurse sinken und die Anlagen weniger Rendite abwerfen, soll der Bund dies kompensieren.
Wie weit reicht das Konzept für die Rentenfinanzen?
Es ist ein Baustein – wie groß dieser wird, bleibt abzuwarten. Lindner will, dass künftig jedes Jahr 10 Milliarden Euro in die Anlage gesteckt wird. Ob das so kommt, ist offen. Ein künftiger Beitragsanstieg dürfte wahrscheinlich kaum voll ausgeglichen werden. DGB-Chefin Fahimi sagt: „Ich habe aber nicht viel Hoffnung, dass das wirklich einen Beitrag zur Stabilisierung der Alterseinkommen leisten wird.“
Kostet es auch Geld, wenn das Rentenniveau gestützt wird?
Eine ganze Menge. Nach einer Faustformel entspricht eine Erhöhung des Rentenniveaus um einen Prozentpunkt dem Finanzvolumen von knapp einem halben Beitragssatzpunkt. Dies wiederum entspricht gut 8 Milliarden Euro. Für Fahimi ist die Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent sogar „das Minimum“.
Welche Sorge treibt die Arbeitgeber um?
Die Sorge, dass künftig noch mehr Beitrags- und Steuergeld in die Rente gepumpt wird. „Mehr als 100 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt fließen jedes Jahr in die Finanzierung der Rente“, stellt Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger fest. „Wenn die Babyboomer nachrücken, wird es noch teurer.“ Nötig seien aber weniger Steuern und Abgaben. „Wir haben jetzt die 40-Prozent-Grenze bei den Lohnzusatzkosten gerissen“, sagt Dulger mit Blick auf die Abgaben auf den Lohn bei allen Sozialkassen zusammen. „Da gehört eine Sozialabgabenbremse installiert.“
Soll man auch privat anders fürs Alter vorsorgen können?
Ja. Eine Regierungskommission hat bereits Vorschläge für neue Möglichkeiten vorgelegt, privat und staatlich gefördert vorzusorgen. Nach einer Reform könnten demnach auch private Vorsorgeformen mit geringeren Garantien und höheren Renditemöglichkeiten als bei der heutigen Riester-Rente angeboten werden – auch mit Anlagen in börsengehandelten Indexfonds (ETFs). Die Riester-Rente soll demzufolge auslaufen, bestehende Verträge sollen Bestandsschutz erhalten. Die SPD hatte die Ideen bereits begrüßt. (dpa)