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Krieg im LibanonDie iranischen Raketen fliegen – und jetzt?

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01.10.2024, Israel, Nordisrael: Panzer der israelischen Armee manövrieren in einem Bereitstellungsraum im Norden Israels nahe der israelisch-libanesischen Grenze. Foto: Baz Ratner/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Aufmarsch an der libanesischen Grenze: Israelische Panzer im Norden des Landes.

Israel hat miserable Erfahrungen mit Libanon-Kriegen und ist im Kampf gegen die Hisbollah doch wieder ins Nachbarland eingerückt. Was will Israel dort erreichen? Und wie soll eine Nachkriegsordnung aussehen?

Von einem begrenzten und gezielten Einsatz spricht die israelische Armeeführung. Das mag angesichts der gleichfalls gemeldeten intensiven Kämpfe nach dem Vorrücken auf libanesisches Gebiet paradox, ja zynisch klingen, aber es ist eine Botschaft an zwei Adressaten: an die eigene Bevölkerung, die sich daran erinnert, dass Israel mit Libanon-Kriegen miserable Erfahrungen gemacht hat. Und an den Iran.

Einen Tag vor der Tötung von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah hatte das israelische Sicherheitskabinett durchblicken lassen, dass man den Konflikt mit dem Iran im Zweifel nicht scheuen würde. Teheran hat gestern Abend mit einem Raketenangriff reagiert – es ist zu hoffen, dass die Auswirkungen begrenzt bleiben und das israelische Kalkül damit trotzdem aufgeht: Setzt man in Jerusalem doch darauf, dass die Chefs in Teheran nicht für ihre terroristischen Handlanger wie die Hisbollah im Libanon, wie Hamas und Huthi-Milizen sterben wollen. All diese Gruppen sind für den Iran Mittel zum Zweck, die Hisbollah sicher das wichtigste. Aber wenn sie ihre Zwecke – Destabilisierung von Gegnern, Sicherung von Einflussgebiet, im Fall der Hisbollah auch Abschreckung Israels – nicht mehr erfüllen können, hat es für das iranische Regime eigentlich keinen Sinn, um ihretwillen den eigenen Untergang in Kauf zu nehmen.

Terrorgruppen haben kein Interesse an Stabilität, Israel muss es haben

Aber auch wenn es gelingen sollte, den Iran in Schach zu halten, ist nicht zu erkennen, wie Israel wieder aus diesem Krieg herauskommen will. Einem Krieg, den es wohlgemerkt nicht begonnen hat – die Hamas hat ihn mit ihrem Massaker vor fast einem Jahr gestartet, die Hisbollah ist ihr vom Libanon aus beigesprungen. Nur pflegen sich Terrorgruppen die Frage nach dem Kriegsende nicht zu stellen und müssen es auch nicht tun. Sie haben kein Interesse an Stabilität, an staatlicher Ordnung und am Wohlergehen der Bevölkerung im eigenen Land.

Israel dagegen muss dieses Interesse haben. Und so verheißungsvoll die Ankündigung des Jerusalemer Verteidigungsminister Joav Gallant auch klingt, im Libanon sei es Zeit für einen Neubeginn – das edle Ziel eines komplett Hisbollah-freien, ordentlich regierten Nachbarlandes wird die israelische Armee nicht durchsetzen können. Sie muss sich darauf konzentrieren, Schutz für israelische Bürger, Juden wie Araber, zu erreichen. Und auch das wird sie, die Armee, allein nicht schaffen, sondern auch das funktioniert nur in Zusammenarbeit mit den gemäßigten arabischen Nachbarstaaten – und nur, wenn auch für die Bewohner der Palästinensergebiete eine erträgliche Situation geschaffen wird. Ein Bemühen darum ist bei der Regierung Netanjahu leider nicht zu bemerken.