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Angebot von MacronKönnen uns Frankreichs Atomwaffen Schutz bieten?

Lesezeit 3 Minuten
Emmanuel Macron bei einem internationalen Treffen.

Könnte Alternativen zur bisherigen nuklearen Teilhabe bieten: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.

Seit Jahren bietet Paris an, seinen Atomschutzschirm über Europa auszubreiten. Doch erst die Lage unter Trump könnte ein Umdenken bringen.

Könnten Deutschland und andere europäische Länder unter Frankreichs nuklearen Schutzschirm schlüpfen und französische Atomwaffen auch den Nachbarn den Schutz gewähren, den ihnen die USA möglicherweise nicht mehr bieten will? Das Angebot aus Paris liegt seit Jahren auf dem Tisch, Präsident Emmanuel Macron hat wiederholt eine „strategische Diskussion“ über diese Frage vorgeschlagen.

Mit fast 300 Atomwaffen verfügt das Land über das viertgrößte nukleare Arsenal der Welt nach den USA, Russland und China. Der französischen Doktrin zufolge hat die Nuklearabschreckung seit Jahrzehnten eine „europäische Dimension“. Ein Angriff auf die Nachbarn wäre demnach auch einer auf die „vitalen Interessen“ Frankreichs. Berlin ging bislang jedoch kaum auf die Gesprächsangebote aus Frankreich ein.

Lage unter Trump bringt Zweifel über Atom-Politik

Erst angesichts der dramatisch veränderten Weltlage und der aufkommenden Zweifel, ob die Vereinigten Staaten unter Präsident Donald Trump noch ein verlässlicher Partner sind, nimmt die Debatte an Fahrt auf. Bislang kooperiert Deutschland im Rahmen der atomaren Teilhabe mit den USA. Im Kriegsfall würden deutsche Flugzeuge hierzulande stationierte US-Atombomben zu ihren Zielen fliegen.

CDU-Chef Friedrich Merz hat nun eingeräumt, dass Trump das Beistandsversprechen des Nato-Vertrages möglicherweise „nicht mehr uneingeschränkt gelten lässt“. Deshalb müsse die Bundesrepublik mit Frankreich und Großbritannien, den beiden Atommächten in Europa, darüber sprechen, wie eine nukleare Absicherung oder gar Teilhabe aussehen könnte. Medienberichten zufolge schlug Macron die Stationierung atomar bestückter Kampfflugzeuge in Deutschland vor.

Die Aufnahme zeigt Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (r) zu Besuch im Élysée-Palast mit dem französischen Präsident Emmanuel Macron.

Scheinen eine ähnliche Linie in Sachen Atomwaffen zu verfolgen: Emmanuel Macron und Friedrich Merz.

Während das britische Atomraketenprogramm gemeinsam mit den USA entwickelt wurde und Teil der Nato-Abschreckung ist, gilt das französische Nuklearprogramm als eigenständig. Auch seit der Rückkehr Frankreichs in die Nato-Kommandostrukturen 2009 bleiben die Atomwaffen aus diesen ausgenommen. Das Land verfügt über eine landgestützte Ausrüstung auf mehreren Militärbasen sowie nukleare Luft- und Seestreitkräfte, darunter vier atombetriebene U-Boote mit Raketenstartrampen, von denen zwei ständig auf hoher See einsatzbereit sind. Dieses Arsenal ist kleiner und weniger breit gefächert als jenes der USA und könne nicht im selben Umfang für ähnliche Missionen erweiterter Abschreckung dienen, heißt es in einem Bericht der französischen „Stiftung für strategische Forschung“ („Fondation pour la recherche stratégique“).

Experte sieht großes Potenzial für gemeinsame Projekte

„Angesichts der extrem schnellen Entwicklung der internationalen Ordnung seit Trumps Wiederwahl und der Infragestellung bisheriger gemeinsamer Werte erscheint klar, dass die Frage der europäischen Verteidigung aufkommen muss“, sagt Jean-Louis Lozier, ehemaliger Vize-Admiral und Berater im Zentrum für Sicherheits-Studien am französischen Institut für Internationale Beziehungen Ifri, gegenüber dieser Zeitung. Auch er schließt aus, dass Frankreich die bisherige Abschreckung durch die USA schlichtweg ersetzen könnte. „Doch da unter Trump deren Zuverlässigkeit nicht mehr gesichert ist, führt kein Weg an der Debatte darüber vorbei, welchen Schutz Frankreich und das Vereinigte Königreich gemeinsam bieten könnten.“ In Paris bestehe die Hoffnung, dass Merz als wahrscheinlicher neuer Bundeskanzler mehr Offenheit in dieser Hinsicht zeigen werde als seine Vorgänger. Betroffen seien aber auch und sogar in erster Linie die baltischen Länder, Polen oder auch die Slowakei, die der Bedrohung durch Russland stärker ausgesetzt seien.

Lozier zufolge muss aber auch Frankreich über eine Erhöhung der Zahl der eigenen Atomwaffen nachdenken, vor allem der atombetriebenen U-Boote der französischen Marine. Eine finanzielle Unterstützung durch andere Länder hält er nicht für geboten. „Die Kosten für den französischen Nuklearschirm sollten von Frankreich aufgebracht werden, und auch wenn das Land eine hohe Verschuldung hat, so ist nicht die nukleare Abschreckung verantwortlich dafür, die 0,25 Prozent der französischen Wirtschaftsleistung beträgt“, sagt der Experte. Er plädiere aber für eine stärkere Unterstützung für deutsch-französische Rüstungsindustriekooperationen, die seit Jahren schwer vom Fleck kommen und an denen sich auch andere Staaten beteiligen könnten, wie das zukünftige Luftkampfsystem FCAS oder der gemeinsame Kampfpanzer. „Hierzu müsste es ein Land akzeptieren, wenn ein anderes auch mal die Führungsrolle übernimmt.“ Es gebe ein großes Potenzial für gemeinsame Projekte.