Der Verein GEN bietet „emotional überlasteten oder ausgebrannten“ Aktivisten Hilfe an. Einige Gelder stammen dabei aus Fördertöpfen.
Erholung auf Staatskosten?Verein organisiert indirekt mit Steuermitteln Urlaub für Klimaaktivisten
Mentale Gesundheit wird bei den Aktivisten der „Letzten Generation“ großgeschrieben: Vor einer Straßenblockade lernen sie Atemübungen, um verbale wie körperliche Angriffe von Autofahrern zu ertragen. Nach jeder Blockade gibt es ein Treffen, um über Gefühle zu sprechen. Und wer irgendwann eine Auszeit von der Straße und dem Aktivisten-Dasein braucht, der kann sich an das Projekt „Zähne putzen“ wenden. Dort werden Erholungsaufenthalte für ausgebrannte Aktivisten organisiert.
Auf der Internetseite zum Projekt heißt es unter der Überschrift „Zähne putzen – Herzen heilen“: „Wir wollen emotional überlasteten oder ausgebrannten Umwelt-, Friedens- und Menschenrechtsaktivisten die Möglichkeit bieten, einen Rückzugs- und Retreatort in den verschiedenen GEN Gemeinschaften zu finden.“ GEN steht für „Global Ecovillage Network“, ein Verein mit Sitz in Sachsen-Anhalt und laut Selbstdarstellung auf der Internetseite des Vereins ein Zusammenschluss von sogenannten Öko-Dörfern. Deren Ziel ist eine „ganzheitliche Lebensweise und Weltsicht“.
Rückzugsorte für erschöpfte Aktivisten gesucht
Der Arbeitskreis Ökologie, so ist es auf der Seite von GEN nachzulesen, „ist verantwortlich für das ,Projekt Zähne putzen’“. Wer einen Rückzugsort für erschöpfte Aktivisten anbieten will, kann sich hier direkt melden. An anderer Stelle der Website wird auf die Unterstützung der Bundesregierung verwiesen. Dort heißt es mit Blick auf andere Arbeiten des Vereins etwa: „Dieses Projekt wurde gefördert durch das Umweltbundesamt und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit. Die Mittelbereitstellung erfolgt auf Beschluss des Deutschen Bundestages.“ Recherchen unserer Redaktion zeigen, dass Aktivisten auf Urlaub zumindest mittelbar von Fördergeldern des Bundesumweltministeriums profitiert haben: Der Verein „GEN Deutschland“ hat in den vergangenen drei Jahren 257037,38 Euro aus Fördertöpfen erhalten.
Einige Gelder stammen aus Fördertöpfen
Das Geld sei in Projekte für zukunftsfähige Regionen geflossen, teilt ein Ministeriumssprecher mit. Die Finanzierung von Aktivisten-Urlauben sei nicht unmittelbar Teil der Förderung gewesen. Indirekt dürfte indes sehr wohl vom Steuergeld profitiert worden sein. Das Projekt „Zähne putzen“ nutzt die Infrastruktur des geförderten Ökodörfer-Vereins. Das geht über die Internetseite hinaus. Wer Fragen zum Projekt hat, landet etwa bei der Geschäftsstelle von GEN und wird dann weitervermittelt.
Bettina Kruse aus Eckernförde ist eine der Koordinatoren von „Zähne putzen“. Seit Projektstart 2019 haben nach ihren Angaben etwa 200 Aktivisten das Angebot in Anspruch genommen. Dazu zählen Aktivisten der „Letzten Generation“, wie Dokumente der Gruppe zeigen, die unserer Redaktion vorliegen. Auch weitere Klimagruppen wie „Extinction Rebellion“ und „Ende Gelände“ oder Flüchtlingshelfer können das Angebot in Anspruch nehmen.
34 Orte gehören zum Netzwerk
„Wir grenzen uns klar nach rechts ab, aber wir differenzieren nicht beim Aktivismus“, sagt sie im Gespräch mit unserer Redaktion. Aktivisten, die Erholung brauchen, melden sich per Mail bei Kruse und würden dann an Ökodörfer, Kommunen oder Privatpersonen vermittelt. Die Aktivisten müssen nur wenig über sich selbst verraten, allerdings Angaben zu ihr Erwartungen an das Retreat machen. Nach etwa zwei Wochen Vorlaufzeit wird ein passender Ort vermittelt. Dem Netzwerk gehören insgesamt 34 Orte in Deutschland, Österreich und der Schweiz an. Die ausgebrannten Aktivisten bleiben laut Kruse mal einige Tage, mal Monate. Bezahlen müssen sie für ihren Urlaub nichts, sagt Kruse. Das Programm hat auch nicht zur Bedingung, dass die Aktivisten ihren Gastgebern zur Hand gehen. „Es funktioniert tauschlogikfrei. Wir wollen einfach einen sicheren Rückzugsort für diese Menschen bieten“, sagt Kruse. Das Programm hat auch nicht zur Bedingung, dass die Aktivisten ihren Gastgebern zur Hand gehen.
Ziel ist ein nachhaltiger Aktivismus. Menschen sollen einige Tage oder Wochen Kraft tanken. Wer den Platz hat, stellt ihn unentgeltlich zur Verfügung. Geld verdienen die Gemeinschaften an anderer Stelle: Einige Ökodörfer bieten Seminare an, andere betreiben Landwirtschaft, in anderen Kommunen gehen die Bewohner ihren normalen Jobs außerhalb der Gemeinschaft nach.