Kommen sie jetzt oder kommen sie nicht, die Kontrollen an der Grenze zu Tschechien und Polen? Selbst in der Ampel-Regierung war man zuletzt etwas ratlos.
Rundschau-Debatte des TagesWas bringen stationäre Grenzkontrollen?
Vor allem über Tschechien und Polen, aber auch auf anderen Routen kommen seit einigen Monaten wieder mehr Asylbewerber. Zwischen Anfang Januar und Ende August haben mehr als 204.000 Menschen erstmals in Deutschland einen Asylantrag gestellt. Viele von ihnen stammen aus Ländern wie Syrien oder Afghanistan, deren Staatsbürger in der Regel einen Schutzanspruch in der EU geltend machen können. Angesichts dessen rufen einige Innenpolitiker in Bund und Ländern seit Wochen nach stationären Kontrollen an den östlichen Grenzen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hält das bisher nicht für sinnvoll. Sie sagte am Dienstag zwar, sie bereite „stationäre Grenzkontrollen mit vor“. Kontrollen, wie es sie seit 2015 in Bayern an der Grenze zu Österreich gibt, meint sie aber wohl nicht.
Kommen jetzt die stationären Kontrollen an den Grenzen?
Im Moment sieht es nicht so aus. Denn diese müssen bei der EU-Kommission beantragt werden. Das ist bisher nicht geschehen – und nach Informationen aus dem Innenministerium vorerst auch nicht geplant. Stattdessen setzt Faeser auf verstärkte Kontrollen in der Nähe der Grenze und vertritt die Rechtsauffassung, dass die Bundespolizei punktuell – etwa wenn man gerade eine Schleusung vermutet – auch direkt an der Grenze Fahrzeuge anhalten kann. Zudem will sie mehr gemeinsame Streifen mit Polen und Tschechien.
Was spricht für stationäre Kontrollen?
Schleuser sind so leichter zu schnappen, denn bei Kontrollen jenseits der Grenze sind sie oft schon verschwunden, wenn die Polizei die irregulär eingereisten Menschen aufgreift. Zurückweisungen an Schengen-Binnengrenzen sind rechtlich nur zulässig, wenn zuvor die temporäre Wiedereinführung von Grenzkontrollen gegenüber der EU-Kommission notifiziert wurde. Allerdings kommen Zurückweisungen ohnehin nur in relativ wenigen Fällen zur Anwendung, etwa wenn ein Ausländer mit einer Einreisesperre belegt ist oder keinen Asylantrag stellt.
Wie oft kommt es konkret zu Zurückweisungen?
An den Kontrollstellen an der deutsch-österreichischen Landgrenze wurden im ersten Halbjahr 2023 laut Bundesregierung 4489 Menschen zurückgewiesen. An der deutsch-schweizerischen Landgrenze, wo die Bundespolizei gemäß einer Vereinbarung mit Bern auf schweizerischem Hoheitsgebiet in Zügen kontrollieren darf, wurden im gleichen Zeitraum 4787 Ausländer zurückgewiesen, vor allem weil sie keine gültigen Reisedokumente vorweisen konnten.
Was spricht gegen stationäre Grenzkontrollen?
Sie binden viel Personal. Wenn die Kontrollen an einer Stelle verstärkt werden, nehmen die unerlaubten Einreisen erfahrungsgemäß nach einer Weile an einem anderen Grenzabschnitt zu, weil sich die Menschen, die nach Deutschland wollen, und ihre Schleuser darauf eingestellt haben. Außerdem fällt es, wenn solche Kontrollen erst einmal eingeführt sind, schwer, einen Ausstieg zu finden. Das wirkt dann leicht wie ein Signal, dass die Bestimmungen mit Blick auf irreguläre Migration gelockert werden. Das zeigt das Beispiel der Kontrollen in Bayern. Die waren im Herbst 2015 erstmals beantragt worden – damals hieß der Bundesinnenminister noch Thomas de Maizière und kam von der CDU. Seither sind sie immer wieder verlängert worden – auch von Nancy Faeser. Das ärgert vor allem die Grünen, die solche Kontrollen generell für falsch halten.
Wo in der EU gibt es aktuell sonst noch stationäre Kontrollen?
Obwohl im Schengen-Raum eigentlich das Prinzip der offenen Binnengrenzen gilt, gibt es aktuell mehrere Staaten, die diese Karte gezogen haben. Spanien hat beispielsweise vom 28. September an für einige Tage Kontrollen angekündigt und dies mit Sicherheitsvorkehrungen wegen einer Tagung der Staats- und Regierungschefs in Granada begründet.
Norwegen kontrolliert aktuell an Häfen mit Fährverbindungen zu Schengen-Staaten und begründet dies mit Risiken für kritische Infrastruktur an Land und im Seegebiet sowie der Gefahr durch russische Geheimdienste. Dänemark führt für seine Kontrollen an der Landgrenze zu Deutschland gleich mehrere Gründe an, unter anderem organisierte Kriminalität, irreguläre Migration und die Bedrohung durch islamistischen Terror.
Auch Frankreich hat bei der EU aktuell Kontrollen an seinen Grenzen zu Belgien, Luxemburg, Deutschland, Italien, Spanien und der Schweiz beantragt – unter Verweis auf Terror-Risiken und irreguläre Migration über die zentrale Mittelmeerroute und die sogenannte Balkanroute. Die Franzosen kontrollieren aber nicht überall rund um die Uhr, sondern eher punktuell und lageangepasst. (dpa)