Der Bundestag debattiert derzeit einen überparteilichen Gesetzentwurf zur Reform des Abtreibungsrechts, der von zahlreichen Abgeordneten verschiedener Fraktionen unterstützt wird.
Rundschau-Debatte des TagesKommt die Reform des Abtreibungsrechts?
Für Betroffene ist es oft die schwerste Entscheidung ihres Lebens, für die Gesellschaft ein hochsensibles Thema: Abtreibung. In Deutschland ist der Schwangerschaftsabbruch eine Straftat – auch wenn er unter ganz bestimmten Bedingungen nicht bestraft wird. Hunderte Abgeordnete unterschiedlicher Fraktionen im Bundestag wollen das jetzt neu regeln. Am Donnerstag wurde ihr Antrag erstmals im Parlament beraten. Es könnte das Ende einer seit Jahrzehnten geführten Debatte sein – wenn das Ampel-Aus das Vorhaben nicht ausbremst.
Was gilt bisher bei Schwangerschaftsabbrüchen?
In Paragraf 218 des Strafgesetzbuches steht aktuell ein Kompromiss, um den in den 1990er-Jahren lange gerungen worden war: Eine Abtreibung ist in Deutschland grundsätzlich rechtswidrig, weil laut Grundgesetz das ungeborene Leben geschützt werden muss. Sie ist aber nicht strafbar, wenn sie innerhalb der ersten zwölf Wochen stattfindet und die Frau sich zuvor hat beraten lassen. Ohne Strafe bleibt ein Abbruch auch, wenn medizinische Gründe vorliegen oder wenn er wegen einer Vergewaltigung vorgenommen wird.
Warum wollen Abgeordnete mehrerer Fraktionen das ändern?
Sie sind der Meinung, dass Frauen, die abtreiben wollen, wegen des derzeitigen Gesetzes schlechter versorgt werden, als es möglich wäre. Die strafrechtliche Regelung stigmatisiere die Betroffenen unnötig und schrecke Ärzte davon ab, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen. Außerdem rechnen die Parlamentarier damit, dass Krankenkassen die Kosten für den Eingriff regulär übernehmen würden, wenn die Illegalität aufgehoben wird. Weiter begründen sie ihren Vorstoß damit, dass laut Umfragen die Mehrheit der Bevölkerung für eine Reform sei.
Was schlägt der überparteiliche Gesetzentwurf genau vor?
Der maßgeblich von Grünen und SPD vorangetriebene Entwurf sieht vor, dass Schwangerschaftsabbrüche aus dem Strafgesetz herausgenommen werden. Abtreibungen sollen bis zur zwölften Woche rechtmäßig werden und im Schwangerschaftskonfliktgesetz geregelt werden. Die Pflicht zur Beratung soll bestehen bleiben, allerdings ohne die derzeit geltende Wartepflicht von drei Tagen zwischen Beratung und Abtreibung. Wenn ein Abbruch ohne Beratungsbescheinigung vorgenommen wird, soll sich künftig nur der Arzt oder die Ärztin strafbar machen. Die Frau bliebe straffrei. Die Kosten sollen die Krankenkassen übernehmen.
Warum gibt es keinen eigenen Gesetzentwurf der Bundesregierung?
Eine Expertenkommission hatte im Auftrag der Regierung Empfehlungen erarbeitet und diese im April an Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), den damaligen Justizminister Marco Buschmann (FDP) und Familienministerin Lisa Paus (Grüne) übergeben. Inhaltlich sprach sich das Gremium für eine Liberalisierung der Abtreibungsregelungen aus. Die derzeitigen Vorschriften im Strafgesetzbuch hielten einer „verfassungsrechtlichen, völkerrechtlichen und europarechtlichen Prüfung“ nicht stand. Das Selbstbestimmungsrecht der Frau werde nicht ausreichend berücksichtigt. Schon früh gaben Lauterbach und Buschmann aber zu erkennen, dass sie eine Reform nicht forcieren und den in den 1990er Jahren erzielten Kompromiss nicht aufheben wollten. Nur Paus trat für eine Reform ein, konnte sich damit in der Ampel-Regierung aber nicht durchsetzen.
Welche Erfolgsaussichten hat der neue Entwurf im Parlament?
Der Bundestag kann noch bis zu seiner derzeit für den 23. Februar geplanten Neuwahl Gesetze beschließen – mit straffem Plan wäre also ausreichend Zeit. Aber SPD und Grüne allein haben keine Mehrheit im Parlament. Versucht wird die Reform deshalb über einen sogenannten Gruppenantrag. Solche Anträge werden bei ethisch komplexen Fragen über Lagergrenzen hinweg gestellt. In der Regel müssen sich die Abgeordneten bei einer Abstimmung dann nicht an der Linie ihrer Fraktion orientieren, sondern entscheiden ganz frei. Derzeit sitzen 733 Abgeordnete im Bundestag, für eine Mehrheit sind also 367 Stimmen nötig. Bisher unterstützen 327 Parlamentarier die Abtreibungs-Legalisierung, vor allem von SPD, Grünen und Linken. Doch ob der Bundestag vor der Neuwahl überhaupt über den Antrag abstimmen wird, ist offen. Denn erst einmal wurde er am Donnerstag in den zuständigen Rechtsausschuss überwiesen – und wann er dann zum Beschluss auf die Tagesordnung des Bundestags kommt, wird in diesem Ausschuss entschieden.
Welche inhaltliche Kritik gibt es an dem Reformvorschlag?
Union, AfD und große Teile der FDP lehnen eine Reform ab. Auch die katholische Kirche hat sich für die Beibehaltung der derzeitigen Regelung ausgesprochen. In dem nun zur Debatte stehenden Antrag sehen sie den Schutz für das ungeborene Leben, den Fötus, nicht ausreichend berücksichtigt. Zudem widersprechen sie dem Vorwurf, dass eine Kriminalisierung der betroffenen schwangeren Frauen sowie der Ärzte stattfinde, da es bei Einhaltung der Vorgaben zu keiner Strafverfolgung kommt. Viele Juristen – darunter auch der ehemalige Justizminister Buschmann – glauben außerdem nicht, dass der neue Entwurf vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben wird. (dpa/mit kna)