Nach monatelangen Streitigkeiten versuchen die USA und China, ihre angeschlagenen Beziehungen wieder zu verbessern.
Erster Besuch seit 2018Blinken trifft Chinas Außenminister Wang Yi in Peking
In den Spannungen zwischen den USA und China reden beide Seiten erstmals wieder direkt miteinander. Am zweiten Tag seines China-Besuches kam US-Außenminister Antony Blinken in Peking auch mit dem obersten chinesischen Außenpolitiker Wang Yi zusammen.
Der Spitzenpolitiker steht in Chinas Machthierarchie noch über Außenminister Qin Gang. Die erste Visite eines US-Außenministers in China seit 2018 erfolgt vor dem Hintergrund schwerer Differenzen und anhaltender Streitigkeiten zwischen den rivalisierenden Mächten, wobei Peking auch Kommunikationskanäle abgebrochen hatte.
Stundenlanges Gespräch
Gestern hatte Blinken laut US-Berichten siebeneinhalb Stunden mit seinem Amtskollegen gesprochen - und damit viel länger als geplant. Der US-Außenminister lud Qin Gang auch zu einem Gegenbesuch nach Washington ein.
Beide Seiten beschrieben die Gespräche im Anschluss in offiziellen Stellungnahmen weitgehend übereinstimmend als freimütig, tiefgehend und konstruktiv. Der chinesische Außenminister sah das gegenseitige Verhältnis allerdings „auf dem tiefsten Punkt“ seit Aufnahme der diplomatischen Beziehungen 1979.
Es wurde dennoch spekuliert, ob Blinken am Montag vielleicht sogar noch von Staats- und Parteichef Xi Jinping empfangen werden könnte. Ein solches Treffen wäre protokollarisch allerdings ungewöhnlich und könnte als besondere Geste gewertet werden. Es gab in Peking zunächst keine Bestätigung, dass ein solches Treffen geplant sein könnte. Blinken holt eine Reise nach, die ursprünglich schon im Februar stattfinden sollte - wegen Spionagevorwürfen gegen China um die Ballon-Affäre dann aber kurzfristig abgesagt wurde.
Schwierige Kontaktsuche
Blinken sprach dem US-Außenministerium zufolge eine Reihe von konfliktbehafteten Themen an, aber auch Bereiche, in denen China und die Vereinigten Staaten zusammenarbeiten könnten. Er habe in dem Gespräch mit Qin Gang bekräftigt, dass die USA eine Vision einer Welt verfolgten, „die frei und offen ist und die auf internationalen Regeln basierende Ordnung aufrechterhält“. Sein Amtskollege sagte, China wolle „stabile, vorhersehbare und konstruktive“ Beziehungen und hoffe, dass die USA „in die gleiche Richtung arbeiten“.
In den verschärften Spannungen seit vergangenem Sommer hatte die chinesische Seite immer wieder das Gespräch über die bestehenden Kommunikationskanäle verweigert, wie ein US-Diplomat schilderte. „Wir haben mehrfach versucht, Kontakt aufzunehmen, aber in Peking hat niemand abgehoben“, sagte der Diplomat.
Er nannte Vorgänge wie die großen chinesischen Manöver als Reaktion auf den Besuch der damaligen Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, im August in Taiwan sowie andere Zwischenfälle zwischen den Streitkräften beider Seiten in der Taiwanstraße oder dem Südchinesischen Meer.
„Klare Forderungen in der Taiwanfrage“
Anfang des Monats hatte auch der chinesische Verteidigungsminister Li Shangfu ein Treffen mit seinem US-Amtskollegen Lloyd Austin am Rande des asiatischen Shangri-La-Sicherheitsdialoges in Singapur verweigert.
Ungeachtet der eigenen Gesprächsverweigerung in den vergangenen Monaten forderte der chinesische Außenminister in dem Treffen mit Blinken die US-Seite auf, mit China zusammenzuarbeiten, „um mit unerwarteten und sporadischen Zwischenfällen in einer ruhigen, professionellen und rationalen Weise umzugehen“.
Qin Gang stellte zugleich „klare Forderungen in der Taiwanfrage“: Die USA sollten sich an den „Ein-China-Grundsatz“ halten, ihre Verpflichtungen einhalten und nicht die Unabhängigkeitskräfte in Taiwan unterstützen. Unter Ein-China-Politik wird verstanden, dass Peking als einzig legitime Regierung Chinas angesehen wird.
China betrachtet das demokratische Taiwan als Teil der Volksrepublik und droht mit einer Eroberung. In Taipeh regiert allerdings seit mehr als sieben Jahrzehnten eine eigenständige Regierung, die heute auch gar keinen Anspruch mehr erhebt, ganz China vertreten zu wollen. (dpa)