Protest in BildernWie der Hambacher Forst bei Kerpen berühmt wurde
Kerpen – Zum zehnten Jahrestag der Besetzung des Hambacher Forsts wollte die Polizei wohl alles im Blick haben: So kreiste ein Hubschrauber über dem Wald, während gleich nebenan, im schon umgesiedelten Ort Manheim-alt, der Jahrestag mit einer Buchvorstellung friedlich gewürdigt wurde.
Ein Landwirt hatte dafür seine Scheune zur Verfügung gestellt. Der 240 Seiten dicke Bildband trägt den Titel „10“ und wird von Antje Grothus, Thekla Ehling, Matthias Jung und Todde Kemmerich herausgegeben. Das Bildmaterial haben 16 Fotografen unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Dazu gibt es Kartenmaterial.
Hambacher Forst: Lebensraum verteidigt
„Dieses Buch ist eine Kombination aus künstlerischen und aktivistischen Positionen, dokumentarischen Ansichten und einer großen Wertschätzung für die Menschen, die die Entscheidung trafen, einen wertvollen Lebensraum zu verteidigen“, heißt es in einem Vorwort. In chronologisch angeordneten Textbeiträgen wird die zehn Jahre währende Besetzung noch einmal geschildert – vom 14. April 2012 an, als Kohlegegner nach einem Fest im Wald, einfach dort blieben und die ersten Plattformen in den Bäumen bauten, über die diverse Räumungen und der großen Demonstration 2018 mit 50.000 Menschen bis 2021, als das Land festlegte, dass der Hambacher Forst erhalten bleibt.
Besetzer: Dank an die erste Generation
Staatliche Positionen, Darstellungen der Polizei oder Beiträge von RWE-Mitarbeitern, die um ihre Arbeitsplätze fürchteten, finden sich im Bildband nicht. „Wir erheben keinen Anspruch auf Ausgewogenheit oder Vollständigkeit“, sagte Grothus. Ihr Dank gelte besonders der ersten Waldbesetzergeneration, die im Laufe der Jahre wechselten. „Am Anfang gab es noch einen Konsens.“ Dann habe sich die Besetzerszene aufgeteilt, und die Gruppe hätten für sich agiert.
Wie viele Menschen momentan überhaupt noch im Wald leben, ist offen. Es ist dort deutlich ruhiger geworden. In einer anonym verfassten Presseerklärung heißt es aber, man wolle weiter im Wald bleiben und diesen als „Freiraum“ verteidigen.
Am Buch beteiligt war Hubert Perschke, der davon erzählte, wie sich sein Verhältnis zu den Besetzern geändert habe. Anfangs habe er im Wald noch unbehelligt fotografieren dürfen. „Ab 2019 wurde mir und anderen Personen mit Kameraausrüstungen Misstrauen entgegengebracht, und in Morschenich wurde ich sogar aufgefordert, meine Speicherkarte zu löschen.“ Es stelle sich für ihn die Frage, wer die „Definitionsmacht“ darüber habe, was im Wald erlaubt sei. Dies dürfe nicht der „Interpretation einzelner Personen“ überlassen bleiben.
Auch Elisabeth und Horst Meyn haben an dem Buch mitgewirkt und waren bei der Vorstellung anwesend: Ihr Sohn Steffen Meyn starb bei der Räumungsaktion im September 2018, als er im Rahmen seines Studiums an der Kölner Kunsthochschule für Medien einen Dokumentarfilm über die Auseinandersetzungen im Wald drehte. Sie freue sich darüber, dass die Hochschule nun in Gedenken an ihren Sohn jährlich einen Förderpreis vergebe, sagte Elisabeth Meyn.
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Anerkennung gibt es auch von einer anderen Seite: So wurde berichtet, dass ein Baumhaus aus dem Hambacher Forst nun im Ruhrgebiet in einem Bergbaumuseum ausgestellt werden soll.
Das Buch „10“ erscheint im Verlag Kettler, Dortmund und hat die ISBN 978-3-86206-986-Es kostet 28 Euro und ist von Karfreitag bis Ostersonntag von 11 bis 18 Uhr auch an einer Mahnwache zwischen Buir und Morschenich erhältlich.