Erst gab es Bedenken der Grünen. Nun soll die Bezahlkarte für Geflüchtete kommen. Die Bundesländer sollen aber selbst entscheiden können.
„Wunsch der Länder umgesetzt“Ampel-Koalition einigt sich auf Bezahlkarte für Geflüchtete
Die Ampel-Koalition hat sich nach wochenlangen Diskussionen auf eine gemeinsame Gesetzesgrundlage für eine Bezahlkarte für Flüchtlinge geeinigt. Damit werde „der Wunsch der Länder umgesetzt“, teilten die Regierungsfraktionen von SPD, Grünen und FDP am Freitag in einer gemeinsamen Erklärung mit. Das Gesetz solle in der kommenden Woche in den Bundestag eingebracht werden, sagte eine Sprecherin der FDP-Fraktion. Zuvor hatten die Grünen Bedenken bei Detailfragen des Projekts angemeldet.
Bezahlkarte für Geflüchtete: Ampel-Koalition einigt sich auf Gesetzesgrundlage
„Wir stehen zu unserem Wort“, erklärte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dagmar Schmidt. „Bezahlkarten waren bisher auch schon möglich, aber wir haben nun noch einen gemeinsamen, rechtssicheren Rahmen geschaffen. Dieser sichert, dass alle notwendigen Bedarfe vor Ort frei gedeckt werden können - mit Karte oder als Geldleistung.“
Der stellvertretende Grünen-Fraktionschef Andreas Audretsch betonte: „Das Taschengeld für den Schulausflug, das Busticket, um zum Ausbildungsplatz zu kommen, der Strom- oder Internetanschluss - all das muss bei der Einführung von Bezahlkarten vor Ort garantiert werden.“ Das Existenzminimum und die Teilhabe von Menschen seien gesetzlich klar verankert.
Bundeskabinett billigte Gesetzentwurf bereits Anfang März – Grünen äußerten zunächst Bedenken
FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler erklärte, dass die von der Ministerpräsidentenkonferenz und vom Bundeskabinett beschlossenen Vereinbarungen „ohne inhaltliche Änderungen“ umgesetzt würden. „Die Länder haben nun die Möglichkeit, ihren Beitrag zu einer neuen Migrations-Realpolitik zu leisten, indem sie einen der wesentlichen Pull-Faktoren für irreguläre Einwanderung ausschalten.“
Das Bundeskabinett hatte den Gesetzentwurf bereits Anfang März gebilligt. Anschließend meldeten die Grünen aber Klärungsbedarf zu Details an. Vorbehalte gab es gegen eine bundesgesetzliche Regelung der Bezahlkarte. So sorgte sich der Grünen-Migrationsexperte Julian Pahlke vor einer „diskriminierenden Wirkung“. SPD und FDP warfen den Grünen daraufhin vor, die Einführung zu verzögern.
Bundesländer sollen entscheiden können, ob sie die Bezahlkarte einführen wollen
Mit der Karte sollen Geflüchtete einen Teil der ihnen zustehenden Leistungen als Guthaben statt per Barauszahlung erhalten. Geplant ist, dass die Bezahlkarte explizit als eine Option ins Asylbewerberleistungsgesetz aufgenommen wird - neben den bereits bestehenden Möglichkeiten von Geld- oder Sachleistungen.
Die Bundesländer können dann entscheiden, ob sie die Karte einführen und wie sie die Nutzung konkret ausgestalten. Überweisungen ins Ausland sollen nicht möglich sein, betonte SPD-Fraktionsvize Schmidt.
Deutscher Anwaltverein (DAV) und Pro Asyl kritisieren Bezahlkarte
Kritik an der Bezahlkarte kam am Freitag vom Deutschen Anwaltverein (DAV), der vor einer „Vielzahl von Praxisproblemen“ sowie einem erheblichen Mehraufwand für Verwaltung und Justiz warnte.
Auch die NGO Pro Asyl kritisierte die Pläne zur Einführung der Bezahlkarte. Damit habe in er Flüchtlingspolitik „einmal mehr der Populismus über sachliche Argumente gesiegt“, erklärte die Organisation. „In der Praxis werden so vielerorts geflüchtete Menschen noch stärker ausgegrenzt und selbst in kleinsten Alltagsentscheidungen eingeschränkt werden.“ Von der Flucht vor Verfolgung oder Krieg würden sich Migranten „aber auch von der Bezahlkarte nicht abhalten lassen“.
Bezahlkarte soll Anreize für irreguläre Migration reduzieren – Sozialverbände kritisieren das Konzept
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte im November mit den Regierungschefinnen und -chefs der Bundesländer die Einführung der Bezahlkarte vereinbart. Die Länder bekamen damals den Auftrag, „bundeseinheitliche Mindeststandards“ für die Karte auszuarbeiten, der Bund sollte sie dabei unterstützen. 14 der 16 Bundesländer einigten sich dann Ende Januar auf gemeinsame Standards und auf eine Einführung noch im Sommer oder Herbst dieses Jahres. Bayern und Mecklenburg-Vorpommern streben die Einführung ebenfalls an, wollen bei der Vergabe aber eigene Wege gehen.
Ziel der Bezahlkarte ist es, Anreize für irreguläre Migration zu reduzieren. Der Deutsche Landkreistag hatte für die Einführung geworben. Kritik kam von Sozialverbänden und Flüchtlingsorganisationen. (afp)