Zu Gast in VogelsangIrritationen bei den Grünen wegen Baerbock-Besuch
Schleiden-Vogelsang – Eine Wahlkampfveranstaltung der Grünen, eine Woche vor der NRW-Landtagswahl, sollte der Besuch von Außenministerin Annalena Baerbock in Vogelsang auf gar keinen Fall werden. Der 77. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs und ein Ort wie Vogelsang sollten für sich stehen, Parteipolitik außen vor sein.
Dafür äußern Baerbocks Parteifreunde von Bündnis 90/Die Grünen Verständnis. Doch insgesamt ist der Besuch der Außenministerin, die nun wahrlich nicht alle Tage zu Gast ist, für die Grünen in der Region ein mittleres Kommunikationsdesaster. Das Resultat: Mit Ausnahme von Kreis-Sprecherin Myriam Kemp war niemand in Vogelsang.
Enttäuschung bei Schleidener Grünen
Enttäuscht war daher Mona Noé, Sprecherin der Schleidener Grünen. Weder eine Information, geschweige denn eine Einladung haben die lokalen Grünen vom Außenministerium erhalten: „Es ist unschön gelaufen“, sagt Noé: „Es fühlt sich an, als seien wir Grüne zweiter Klasse.“ Natürlich seien der Kreis- und die Ortsverbände der Grünen in der Region klein, zudem hätten sie im ländlichen Raum einen schweren Stand. Wegen dieser unglücklichen Kommunikation wolle man noch das Gespräch suchen.
Irritiert und ratlos sei auch sie gewesen, sagt Myriam Kemp. Niemand habe ihr Bescheid gesagt, Anfragen der Mitglieder zum Besuch habe sie nicht beantworten können. Ihr Glück war jedoch, bei einem Termin am Freitag Landrat Markus Ramers (SPD) und Schleidens Bürgermeister Ingo Pfennings (CDU) getroffen zu haben, wodurch eine Klärung eingeleitet wurde und Kemp schließlich am Besuch Baerbocks teilgenommen hat.
Überschaubares Grüppchen begrüßte Baerbock
Auch Pfennings und Ramers hatten keine Einladung. Ramers sagt, er sei zunächst von einer Wahlkampfveranstaltung ausgegangen und habe daher nicht mit einer Einladung gerechnet. In Gesprächen mit Kemp und Vogelsang-ip-Geschäftsführer Thomas Kreyes habe er am Freitag erfahren, dass es doch ein offizieller Ministerin-Besuch sei. Woraufhin sich sein Büro im Auswärtigen Amt erkundigt und erfahren habe, dass sowohl seine als auch Pfennings Teilnahme gewünscht sei.
Die drei Politiker waren am Sonntag mit Kreyes und Vogelsang-Pressesprecherin Petra Kleen sowie Dr. Kerstin Oerter vom Nationalpark-Zentrum und Andreas Wiebe, Leiter des Landesbetriebs Wald und Holz, ein sehr überschaubares Grüppchen, das die Außenministerin am Kino empfing. In einer Stunde gaben sie Baerbock einen Schnellkurs zu Vogelsang.
Historie und Gegenwart Vogelsangs in einer Stunde
Die Vergangenheit in der Zeit der Nationalisten, der Täterort, die Pläne, etwa für den Bau des Hauses des Wissens, wurden genauso in die knappe Zeit gepackt wie Informationen über die Zeit als belgischer Truppenübungsplatz und die Konversion sowie die Gegenwart als internationaler Platz und Zentrum des Nationalparks. Stationen im Kino, der Burgschänke und der Gastronomie gehörten genauso zum Rundgang wie die beiden Ausstellungen „Bestimmung: Herrenmensch“ und die „Wildnis(T)räume“ – der beeindruckende Blick auf den Urftsee versank jedoch im Eifeler Morgennebel.
Wie sich die Standorte verbinden, fasste Oerter treffend zusammen: „Das Stichwort ist Vielfalt. Kein Ökosystem, keine Gesellschaft schafft es, wenn wir die Vielfalt abschaffen. Sie überwindet die menschenverachtende Ideologie der Nationalsozialisten.“
In der NS-Dokumentation schaute Baerbock sich intensiv die Karte der Orte an, in denen die in Vogelsang Ausgebildeten als Verwalter eingesetzt und an den Gräueltaten der Nationalsozialisten beteiligt waren: Viele Gebiete der Ukraine sind es, Orte, die Baerbock in ihrem Amt als Außenministerin tagtäglich beschäftigen. Gesagt hat sie nichts dazu. Auch das zunächst vorgesehene Statement wurde aus dem Programm gestrichen, Fragen waren nicht zugelassen.
Auch Besuch beim DRK war zunächst nicht vorgesehen
Während der Essenspause für die Ministerin in der Gastronomie herrschte wenige hundert Meter weiter beim DRK Feierstimmung: Der 8. Mai ist auch Weltrotkreuztag – und der wird in Vogelsang gefeiert, seitdem das DRK dort vertreten ist. Auch den Rotkreuzlern stattete Baerbock einen Besuch ab.
Auszeichnungen beim Weltrotkreuztag
Die großen Einsätze
Hunderte Kräfte des DRK sind in den vergangenen beiden Jahren enorm gefordert gewesen. Mehr als 200 Helfer haben sich laut Kreisbereitschaftsleiterin Kerstin Brandhoff im Bereich der Covid-19-Pandemie engagiert, rund 600 nach der Flutkatastrophe im vergangenen Sommer – viele waren in beiden Bereichen im Einsatz. Sie alle an diesem Sonntag zu ehren, hätte wohl jeden zeitlichen Rahmen gesprengt. (rha)
Aus den Ortsvereinen wurden daher stellvertretend einige Helfer entsandt, die anderen erhalten ihre Auszeichnungen später. Eine DRK-Auszeichnung für die Covid-Hilfe ging an Angelika Wagner, Nick Raths, Horst Weinand, Angelina Fentroß und Andreas Jäger. Die Feuerwehr- und Katastrophenschutz-Einsatzmedaille des Landes für den Einsatz im Zusammenhang mit der Flut erhielten Lucia Simon, Judith Ebert, Thomas Moll, Moureen Dreymüller, Wolf Dieter Müller, Hendrik Dahmen, Achim Steffens, Maria Löffler, Yannick Lang, Fabienne Philippsen-Y-Febrer, Angelo Mangiaracina, Maria Steffen, Anette Thelen Schubert und Svenja Dombrowsky. (rha)
Die Bedeutung
Den Wert des DRK und die Leistungen der mehr als 1000 haupt- und ehrenamtlichen Kräfte im Kreis Euskirchen sowie die Bedeutung des vielfältigen Engagements am Standort Vogelsang betonten Landrat Markus Ramers und Bürgermeister Ingo Pfennings im Rahmen des Weltkrotkreuztags am Sonntag, der nach zwei Jahren Corona-Zwangspause wieder gefeiert werden konnte.Die Haltung „für ein besseres menschlicheres Miteinander über alle Grenzen hinweg“, die das Rote Kreuz verkörpert, würdigte Ramers: „Wir wären sicherlich ein Stück ärmer an Gemeinschaft und hilfloser, dann, wenn Hilfe notwendig ist. Sie und Ihr Handeln sind Vorbild für uns alle.“ (rha)
Vorgesehen war auch das zunächst nicht, worüber Rolf Zimmermann, Initiator der zahlreichen DRK-Aktivitäten in Vogelsang, mächtig angefressen war. Mitte der Woche brachte er jedoch Bewegung in die Angelegenheit. Eine Stunde nach seiner Anfrage habe er einen Anruf aus dem Außenministerium von Baerbocks persönlichem Referenten erhalten: Von der Veranstaltung habe man nichts gewusst und wolle versuchen, sie in den Besuch einzubauen.
Nachdem es einige Mails später am Freitag noch geheißen hatte, dass es wohl nicht funktioniere, erhielt Zimmermann am späten Samstagabend die Zusage: Die Ministerin komme auch zum DRK.
Mit Noah Hüsken, Emma Sellke, Joshua Odyek und Jona Kutsche waren es bewusst ganz junge Rotkreuzler, die Baerbock an der Akademie in Empfang nahmen und zu den 150 Gästen führten, die sie mit herzlichem Applaus begrüßten. Als „Ort der Hoffnung“ bezeichnete Baerbock hier in ihrer kurzen Ansprache Vogelsang: „Ein Ort, der das schlimmste Verbrechen der Geschichte zeigt und zugleich zeigt, was bewirkt werden kann, wenn Menschen zusammenstehen.“
Die weltweite Arbeit zeige sich aktuell wieder in der Ukraine, wo es dank Internationalem Rotem Kreuz und Vereinten Nationen gelungen sei, Frauen, Kinder und Ältere aus dem belagerten Stahlwerk in Mariupol zu evakuieren.
Zimmermann: „Für viele mehr wert als eine Medaille“
Nach einem kurzen Gespräch mit gerade geehrten Helfern und jungen Rotkreuzlern fuhr Baerbock in Vogelsang ab – zum Wahlkampf nach Aachen. Zimmermann war hoch zufrieden und freute sich vor allem über den expliziten Dank an die ehrenamtlich Aktiven durch die Ministerin: „Das ist für viele zehn Mal mehr wert als eine Medaille.“
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Auch Ramers zeigte sich erfreut: „Ich freue mich über den Besuch der Bundesaußenministerin, auch wenn es kurzfristig terminiert war. Das ist am 8. Mai ein tolles Zeichen für den Standort Vogelsang und für das Engagement des Roten Kreuzes.“
„Sehr versöhnt“ sei sie, sagt Myriam Kemp nach dem Besuch. Beim gemeinsamen Essen in der Vogelsang-Gastronomie habe sie Annalena Baerbock als „wahnsinnig angenehm, sehr reflektiert und interessiert“ wahrgenommen. Zudem habe sie dargelegt, dass sie „Außenministerin für alle“ sei und dieser Besuch in Vogelsang eben kein Wahlkampftermin sein sollte.