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Rundschau-AltenhilfeWie werde ich zum Nachbarschaftshelfer?

Lesezeit 3 Minuten
Eine Frau hilft einem alten Mann beim Trinken.

Einem Nachbarn helfen — das geht seitens der Pflegekasse seit Anfang des Jahres noch einfacher als früher.

Wie werde ich zum Nachbarschaftshelfer? Das fragten Anrufer bei der Altenhilfe-Telefonaktion. Die Antwort gibt ein Kurs des Regionalbüros Alter, Pflege und Demenz.

Mit ganz unterschiedlichen Geschichten sitzen zehn Menschen an diesem Freitag morgen im Studienhaus der VHS: Sarah hilft seit zwei Jahren ihrer an Krebs erkrankten Schwiegermutter. Ricardo kümmert sich auf Vermittlung von Kölsch Hätz um eine blinde Frau. Andreas hat noch niemanden, den er ehrenamtlich betreuen könnte — aber ist „einfach nur neugierig“.

Sie alle haben sich angemeldet für den zweitägigen Kurs „Fit für die Nachbarschaftshilfe“, den das Regionalbüro Alter, Pflege und Demenz für Köln und das südliche Rheinland zusammen mit dem Kompetenzzentrum Selbstbestimmt leben anbietet. In dem kostenlosen Kurs erfahren sie, was was wichtig ist, wenn sie sich um alte oder behinderte Menschen kümmern — und unter welchen Voraussetzungen dieser Mensch ihnen den Entlastungsbetrag von der Pflegekasse zahlen darf.

Entlastungsbetrag für Nachbarschaftshelfer

Birgit zum Beispiel, die zusammen mit ihrer Freunden deren „sehr kranken Mann“ pflegt, hat die Pflegekasse gesagt, sie müsse dafür einen solchen Kurs machen. Bis Ende 2023 war dem auch so — seit Anfang des Jahres reicht es sogar, sich die dort vermittelten Informationen im Internet herunterzuladen und zu lesen (siehe Kasten). Für solch qualifizierte Nachbarschaftshelfer dürfen Pflegebedürftige mit Pflegegrad ihren Entlastungsbetrag von 125 Euro pro Monat ausgeben.

Seinen Mitmenschen Gutes tun darf natürlich grundsätzlich jeder. So wie Ricardo, der nach einem Ehrenamt suchte und über die Kölsch Hätz Nachbarschaftshilfen an die blinde 75-Jährige vermittelt wurde, mit der er seit einem halben Jahr regelmäßig spazieren geht. „Ich dachte erst, das ist aber eine große Verantwortung“, sagt der ehemalige Bibliothekar, „aber es klappt mittlerweile sehr gut“. Trotzdem meldete er sich sofort an, als er bei einem Informationstreffen für Kölsch Hätz von dem Kurs hörte.

Frauen und Männer sitzen im Kursraum und hören einer Referentin zu.

Ein Kurs macht „Fit für die Nachbarschaftshilfe“.

Hier kommt er zum ersten Mal mit dem Thema Pflege in Berührung. „Hat die Dame, die ich betreue, denn überhaupt einen Pflegegrad? Ich glaube nicht“, überlegt er laut in der Runde. Kursleiterin Martina Romeike vom Regionalbüro Alter, Pflege und Demenz nimmt die Anregung gerne auf: „Es gehört durchaus auch zur Aufgabe eines Nachbarschaftshelfers, auf Anzeichen für Pflegebedürftigkeit zu achten.“ Welche das sind, erfahren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Kurs.

Sie lernen, wie sie jemandem helfen, vom Boden oder vom Stuhl aufzustehen, wie sie einen Rollstuhl schieben oder einen Menschen mit Rollator sicher anleiten. Auch die gängigsten Notfälle sind Thema: Wie erkenne ich Schlaganfall oder Herzstillstand und was kann ich im Ernstfall tun?

Ricardo haben besonders die Tipps zur Kommunikation mit Pflegebedürftigen gefallen — in seinem Fall, mit Sehbehinderten. „Sprechen kommt vor Handeln“, lautet hier die Devise. Besonders die Handlungen an der Person sollten vorher angekündigt werden, um sie nicht zu erschrecken, etwa „Ich nehme jetzt Ihren Arm“. Auch langsames und deutliches Sprechen ist wichtig — aber keinesfalls Schreien.

Der Umgang mit Demenz, Depressionen, Schwerhörigkeit oder psychischen Krankheiten steht ebenso auf dem Programm. Und nicht zuletzt, wie die Nachbarschaftshelfer mit Angehörigen umgehen und sie unterstützen können. Denn die erscheinen den Helfern manchmal gestresst oder sehr kritisch. Das sei aber nie persönlich gemeint, sagt auch die Broschüre „Nachbarschaftshilfe“, sondern meist nur ein Zeichen von großer Belastung.

„Die Ansprache ist ganz wichtig“, hat Ricardo erkannt. Im Anschluss an den Kurs erzählt der 72-Jährige, wie froh er ist, teilgenommen zu haben: „Das war eine Bereicherung.“ Besonders hat ihm der Austausch mit den anderen gefallen: „Das gibt Rückenstärkung, denn man erkennt, dass man nicht allein ist.“ Und wie er erfreut festgestellt hat, interessieren sich nicht nur Frauen für die Nachbarschaftshilfe: „Wir waren vier Männer!“

Von seinem Wissen und den neu gewonnenen Kontakten profitiert auch die blinde Frau, die er betreut: Deren Pflegebedürftigkeit soll jetzt erneut geprüft und eingeschätzt werden. Den Antrag hat Ricardo mit Hilfe von Kursleiterin Martina Romeike vom Regionalbüro Alter, Pflege und Demenz gestellt.