Experte zum 9-Euro-Ticket„Die Gratismentalität ist beim Auto das Problem“
Köln – Das 9-Euro-Ticket war aus Sicht der Bahn-Kundinnen und -Kunden ein voller Erfolg. Derzeit berät die Ampel-Koalition zusammen mit den Ländern über einen Nachfolger, also ein bundesweit gültiges Nahverkehrsticket zu einem günstigen Preis. Im Gegensatz zum Angebot, das von Juni bis August galt, sollen sich die Länder nun an der Finanzierung beteiligen. Der Preis von 9 Euro sei nicht realistisch, aber Ziel ist eine Spanne von 49 bis 69 Euro pro Monat.
Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) sagte, es solle bei der nächsten Verkehrsministerkonferenz am 12./13. Oktober einen Eckpunktebeschluss dazu geben. So könnte das Ticket zum 1. Januar 2023 eingeführt werden. Die Ampel hatte sich darauf verständigt, jährlich 1,5 Milliarden Euro bereitzustellen – wenn die Länder mindestens ebenso viel geben.
Der Mobilitätsforscher Andreas Knie bringt eine neue Idee zur Finanzierung ins Spiel. Er wurde am Montagabend von Caren Miosga in den ARD-„Tagesthemen“ interviewt.
Er räumt zunächst mit dem von Finanzminister Christian Lindner verbreiteten Statement der „Gratismentalität“ beim 9-Euro-Ticket auf. Diese sei nicht bei Bahnkunden, sondern im Gegenteil beim Autofahren vorhanden. „Die Gratismentalität ist beim Auto das Problem“, so Knie.
Andreas Knie will 29 Euro für ein bundesweit einheitliches Ticket
„Wir haben über Jahrzehnte hinweg das Auto finanziert“, so der Experte. Für Parkplätze würde immer noch zu wenig gezahlt. In Berlin beispielsweise sei das Parken grundsätzlich gratis, dabei koste ein Parkplatz 2000 bis 3000 Euro, wenn man dies gesamtwirtschaftlich umrechnen würde. Hier könnte man sicher nachjustieren. Man müsse außerdem Subventionierungen wie die Entfernungspauschale und das Dienstwagenprivileg auf den Prüfstand stellen.
Zudem müsse ein Moratorium für Straßen-Neubauten umgesetzt werden, dies würde Geld für den ÖPNV frei machen. Es dürfe nicht mehr Landschaft versiegelt werden. „Hätten wir ein einheitliches Ticket, dann würden wir 5 bis 7 Milliarden allein an Vertriebsstrukturen einsparen“, sagt der Forscher vom Wissenschaftszentrum Berlin zu weitere Sparmöglichkeiten zugunsten des Tickets.
Knie schlägt 29 Euro als Ticketpreis vor. „Das sollte ein echter Kracher für die Verkehrswende sein“, meint er und bedauert, dass der Schwung aus dem Projekt zunächst raus sei. (cme)