StarkregenschutzIn Brühl entsteht unterirdisch ein fast 200 Meter langer Regenwasserkanal

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Zu sehen ist ein Blick in den künftigen Kanal.

Im Vortriebsverfahren wird der künftige Regenwasserkanal zwischen Senecaweg und Liblarer Straße errichtet. Die Röhre misst beinahe 200 Meter.

Um die Stadt bei Starkregen vor Überflutungen zu schützen, wird zwischen Senecaweg und Liblarer Straße ein Kanal von enormer Größe errichtet.

Die Frage, ob man ihn angesichts seines Arbeitsplatzes einige Meter unter der Erde wie unter Bergleuten mit einem „Glück auf!“ begrüßen müsse, kontert Marco Weiss souverän. „Nein, aber es wollte auch schon mal jemand eine Barbara-Figur mitbringen.“ Bei seinem Job im Erdreich setzt er also lieber auf seine Erfahrung, das eingespielte Miteinander mit den Kollegen und moderne Technik statt auf die Schutzheilige der Bergmänner.

Weiss steuert jene Zughacke, die sich seit Ende Januar zwischen Senecaweg und Liblarer Straße durch das Erdreich frisst. Handyempfang gibt es unten nicht, nur eine Funkverbindung zu den Kollegen. Der Weg ans Tageslicht führt durch einen inzwischen 191 Meter langen und 2,40 Meter hohen Tunnel, der künftig nach starken Niederschlägen Regenwasser zurückhalten und Überflutungen verhindern soll. „Ich versuche, die Maschine auf Kurs zu halten“, sagt Weiss. Kreiselkompass, Schlauchwaage und Computer weisen ihm die Richtung.

Durchbruch in die Zielgrube geglückt

Inzwischen haben die vier Mitarbeiter der Firma Sonntag aus dem rheinland-pfälzischen Dörth Gewissheit, dass Weiss erfolgreich war. Der Durchbruch zur Zielgrube an der Liblarer Straße ist geglückt, nun kann es an den Rückbau gehen. Bis es so weit war, gab es einige Hürden zu nehmen. „Wir sind auf einen anderen Kanal und einen Schacht gestoßen“, blickt Weiss' Kollege Andreas Jankowski auf die Arbeit zurück.

Mit Überraschungen muss man rechnen.
Andreas Jankowski, Mitarbeiter der Baufirma

Die Hindernisse hätten Zeit gekostet, seien aber nicht ungewöhnlich. Manchmal stoße man beim Graben auf große Findlinge, und niemand wisse ganz genau, wo vor Jahrzehnten schon einmal im Erdreich gebaut worden sei. Da müsse man mit Überraschungen rechnen. Der Alptraum seien andere Hinterlassenschaften aus der Vergangenheit: Fliegerbomben aus dem Zweiten Weltkrieg. „Bei einem Kollegen ist das schon vorgekommen. Er ist auf einen Blindgänger gestoßen. Es ist aber alles gut gegangen“, so Weiss. Die Luftbild-Auswertung und Bodenuntersuchungen machten derartige Funde glücklicherweise zur Ausnahme.

Wenn alles glatt läuft, geht es gut voran. Der Bagger füllt den fünf Kubikmeter fassenden Container in einer Viertelstunde. Per Seilwinde und Bagger gelangen die vollen Container dann durch den Kanal zum Ausleeren nach oben. Neun Meter Strecke seien so an einem Arbeitstag zu schaffen, erklärt Jankowski.

Etwa dreimal täglich wird ein weiteres drei Meter messendes und 18 Tonnen schweres Kanalelement aus Beton in die Grube gelassen. Dort wird es dann mit dem bereits verlegten Kanal verbunden und mit einer Hydraulik-Anlage sukzessive vorangeschoben. Auf diese Weise bewegt sich der gesamte Kanal Stück für Stück in Richtung Zielgrube. Den Platz dafür schafft Weiss mit der Zughacke am vorderen Ende der Röhre.

Zu sehen ist Marco Weiss am Steuer der Zughacke, die sich im künftigen Kanal befindet.

Marco Weiss steuert die Zughacke, die sich durch das Erdreich frisst.

Von all dem bekommen Unbeteiligte nicht viel mit. Viel Lärm macht die Arbeit jedenfalls nicht. „Und später sieht man, abgesehen von Gullydeckel, nichts mehr von dem Kanal“, so Jankowski. Der Nutzen ist jedoch nicht zu unterschätzen. Rechnerisch fasst der Kanal rund 865 Kubikmeter Wasser.

Anlass für den Bau seien die Erkenntnisse nach dem Starkregen im Juli 2021 gewesen, so die Stadtverwaltung bei Baubeginn. Es gelte, das Stadtgebiet mit Regenrückhalteeinrichtungen für große Mengen Niederschlag, die in kurzer Zeit fallen, zu wappnen. Zudem war die Gelegenheit günstig. Noch ist das betroffene Gelände weitgehend unbebaut, künftig soll an dieser Stelle die Hauptfeuer- und Rettungswache entstehen.

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