Die Staatsanwaltschaft möchte ein Zeichen gegen Selbstjustiz setzen und stimmt der Einstallung des Verfahrens nicht zu.
GerichtOpfer von zwei Schlägern aus Bergisch Gladbach hat kein Interesse an Urteil
Ein bisschen fassungslos wirkt der Angeklagte, nachdem er erfahren hat, dass er in diesem Monat noch einmal vor Gericht erscheinen muss. „Warum macht Ihr in Deutschland alles so kompliziert?“, fragt der Kölner mit afrikanischen Wurzeln beim Verlassen des Gerichtssaales.
Maurice U. (55) und sein mutmaßlicher Komplize Baptiste D. (40) sind angeklagt, ihren in Antwerpen lebenden Geschäftspartner Clément G. am 17. Januar 2021 in eine Falle in den Lerbacher Wald in Bergisch Gladbach gelockt zu haben.
Sie hätten ihm Geld abpressen wollen, dass er ihnen schuldig geblieben sei. Clément G. sei an diesem Wintertag auf einem Waldparkplatz nach Strich und Faden vermöbelt worden, bis die von zwei Spaziergängern alarmierte Polizei dem Treiben ein Ende setzte.
Opfer ist nicht in Bergisch Gladbach vor Gericht erschienen
Das Problem der Bergisch Gladbacher Justiz ist bereits seit Monaten, dass Herr G. aus der belgischen Diamantenstadt der Ladung zum Prozess nicht folgt. Mitte Februar war er nicht da, beim Fortsetzungstermin innerhalb der Drei-Wochen-Frist auch nicht und zur Neuauflage des Prozesses im Sommer wieder nicht – und das, obwohl er per Einschreiben in Belgien geladen worden war.
Vielleicht hat Clément G. seine Gründe. Einst war er beauftragt worden, einen Lastwagen in das afrikanische Guinea zu verschiffen und hatte dafür nach Darstellung der Angeklagten 1400 Euro kassiert. Doch gingen die Monate ins Land, ohne dass der Wagen verschifft wurde.
Angeklagte lockten Opfer nach Bergisch Gladbach
Die beiden Angeklagten reisten selbst nach Antwerpen, um den Dingen auf den Grund zu gehen. Dort erfuhren sie nach ihrer Darstellung, dass ihr Geschäftspartner bei der Spedition mit 150.000 Euro in der Kreide stand und deswegen in Sachen Transport nichts gelaufen sei.
Bei der belgischen Polizei hätten sie kein Gehör gefunden und G. schließlich mit einer List nach Bergisch Gladbach gelockt: Sie täuschten ihm vor, er könne hier ein weiteres Fahrzeug für eine Afrika-Verschiffung übernehmen.
Angeklagte räumten die Schlägerei ein
Im Lerbacher Wald kam es dann am späten Sonntagnachmittag zum Showdown. Die Angeklagten hätten auf Clément G. eingedroschen und ihm das Handy weggenommen, so die Anklage. Beide räumten Schläge ein. Der jüngere gab allerdings an, er habe die anderen beiden Streithähne nur trennen wollen, dabei einen Schlag abbekommen, die Beherrschung verloren und ebenfalls zugelangt.
„Es tut mir sehr leid, und ich möchte mich bei der Justiz und bei der Stadt Bergisch Gladbach dafür entschuldigen“, übersetzte die Dolmetscherin seine Worte aus dem Französischen.
Staatsanwaltschaft will Zeichen gegen Selbstjustiz setzen
Angesichts der langen Vorgeschichte und der Tatsache, dass der mutmaßlich Geschädigte offenbar wohl kein Interesse an einer Strafverfolgung habe, schlug der Richter schließlich vor, das Verfahren wegen geringer Schuld nach Paragraf 153a der Strafprozessordnung einzustellen.
Doch da hatte der Jurist seinen Vorschlag ohne die Staatsanwaltschaft gemacht. „Von unserer Seite kommt das nicht infrage“, sagte deren Prozessvertreterin resolut. Selbstjustiz könne nicht geduldet werden.
Konsequenz: Es gibt in der zweiten August-Woche eine Fortsetzung der Neuauflage mit allen noch erreichbaren Zeugen. Dass das mit dem Fortsetzungstermin überhaupt innerhalb der gesetzlichen Drei-Wochen-Frist klappt, ist übrigens auch der aktuellen Urlaubsabwesenheit anderer Strafrichter zu verdanken. Denn dadurch ist auf jeden Fall ein Saal für die Fortsetzung frei.