AboAbonnieren

Langer ProzessSchuhdieb von Bergisch Gladbach muss hohe Strafe zahlen

Lesezeit 3 Minuten
Menschen gehen an einem Schuhgeschäft in einer Innenstadt vorbei.

Einen Schuh in die Jacke gesteckt hat ein 48-jähriger Dieb in einem Fachgeschäft in Bergisch Gladbach und wurde dreifach verurteilt.

Kein kurzer Prozess, eher eine schwere Geburt: Nach zwei Tagen hat das Bensberger Amtsgericht einen höchst erfahrenen Ladendieb verurteilt.

Nach einer Extraschicht im Dienste der Gerechtigkeit hat der junge Strafrichter Dr. Philipp Stöckle den 48 Jahre alten Leon P. (Name geändert) für schuldig befunden, am 23. November 2021 in einem Bergisch Gladbacher Fachgeschäft einen teuren Schuh eingesteckt zu haben – das war ein klassischer Ladendiebstahl. Dass Leon P. das Geschäft trotz lebenslangen Hausverbotes überhaupt betreten habe, war ein Hausfriedensbruch und dass er einem der Verkäufer, die ihn bis zum Eintreffen der Polizei festhalten wollten, einen Schlag ins Gesicht versetzt habe, eine Körperverletzung.

An dem Tag hatte es in dem Geschäft ein riesiges Tohuwabohu gegeben, mit Männern, die sich auf dem Boden wälzten und Schuhen, die durch die Gegend flogen. Familienvater Leon P. aus Tönisvorst hatte sich zu der Anklage zunächst nicht geäußert und sie später vehement und kopfschüttelnd bestritten.

Verteidiger nennt Hausverbot in Bergisch Gladbacher Schuhgeschäft „rechtswidrig“

Verteidiger Andreas Stetten zog im Gerichtssaal alle Register, wies auf vermeintliche Ungereimtheiten bei den Zeugenaussagen hin und drehte das Verfahren später zu einer moralischen Anklage gegen das Inhaber-Ehepaar um: Das Hausverbot, das die beiden seinem Mandanten vor einem oder anderthalb Jahren auf Lebenszeit erteilt hätten, sei „willkürlich“ und damit rechtswidrig gewesen.

Schließlich seien auch Geschäftsleute im Rahmen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes gehalten, Menschen nicht willkürlich zu diskriminieren.

Zum Hausverbot hatten sowohl Ladeninhaberin Ronja R. am ersten Verhandlungstag als auch ihr Ehemann Peter K. am zweiten ausgesagt, dass sie dieses dem vor Gericht überaus seriös und gepflegt auftretenden Angeklagten erteilt hätten, weil nach seinen Besuchen in ihrem Geschäft immer etwas Teures gefehlt hätte.

Richter: Hausverbot war nicht willkürlich

„Wir konnten ihn nie auf frischer Tat ertappen“, sagte Ronja R. am ersten Prozesstag, „Ich kann nicht die ganze Zeit einen Mitarbeiter zur Beobachtung abstellen“, ergänzte Ehemann Peter K. am zweiten Tag. Der Richter streifte die Diskriminierungsbehauptung im Urteil nur knapp: „Das Hausverbot war alles andere als willkürlich.“

Dieser zweite Verhandlungstag zog sich ungewöhnlich lang hin, bis 16.40 Uhr. Bis dahin hatten alle noch infrage kommenden weiteren Zeugen ausgesagt. Ein früherer Mitarbeiter des Sportgeschäftes war ebenso dabei wie ein älterer Kunde, der zunächst den sehr groß gewachsenen Verteidiger als Täter zu identifizieren meinte. Stetten versicherte schmunzelnd: „Ich war es nicht. Ich war an dem Tag in Brandenburg.“

Polizist wurde aus dem Urlaub in den Zeugenstand gerufen

Auch ein junger Polizist, der damals die Strafanzeige geschrieben hatte, musste noch als Zeuge antreten — er war frisch aus dem Holland-Urlaub zurück und wurde von der Ladung überrascht, weil die wohl auf seiner Dienstelle auf seine Rückkehr aus dem Urlaub wartete.

Am Ende forderte die Staatsanwältin angesichts von rund 20 Vorstrafen, darunter zwei laufende Bewährungen, ein Jahr Haft ohne Bewährung für den Angeklagten. Der Verteidiger hielt einen Freispruch für angezeigt; falls es doch zu einer Verurteilung kommen sollte, hätte man sich eingehender mit den psychischen Problemen seines Mandanten befassen müssen, der sich deswegen in Behandlung befinde. Leon P. schließlich beteuerte in seinem letzten Wort: „Ich habe es nicht getan.“

Am Ende schickte der Richter den Angeklagten trotz der vielen Vorstrafen nicht ins Gefängnis. Vielmehr verurteilte er den als Fahrer und in einer Putzkolonne arbeitenden Leon P., der neben seiner eigenen dreiköpfigen Familie auch die eines verstorbenen Freundes unterstützt, zu einer hohen Geldstrafe: 10.500 Euro, 150 Tagessätze zu je 70 Euro. Aus dem Schneider ist der Angeklagte damit aber noch nicht: Über einen Widerruf der alten Bewährungen wird separat entschieden.