BlutspendeFrischzellenkur in acht Minuten

Lesezeit 4 Minuten
Wer einen halben Liter Blut spendet, verbraucht in den achten Minuten 800 Kalorien.

Wer einen halben Liter Blut spendet, verbraucht in den achten Minuten 800 Kalorien.

Köln – Robin Hood hat für das Gute gekämpft, aber sein Blut hat er letztlich nicht im Kampf vergossen, sondern in einem Kloster, wo man ihn zum Aderlass bat. Die Nonne, die ihn wegen einer Verletzung am Bein behandeln sollte, entpuppte sich leider als Erzfeindin und entnahm ihm viel zu viel des "roten Goldes". Als sein Freund Little John die Gefahr bemerkte, war es schon zu spät: Gestützt von seinem Freund, schoss Robin Hood mit dem Bogenholz seinen letzten Pfeil in den Sherwood Forest.

Es ist kein Jagdhorn, sondern ein digitales Messgerät, das an meinem Arm laut und durchdringend piepst. Ingo Klafke, Teamleiter des DRK-Blutspendedienstes am Kölner Neumarkt, eilt rasch herbei und befreit mich von Nadel und Schlauch, durch die mein Blut für meine erste Blutspende geflossen ist. "528 ml" zeigt das Gerät an. Gerade einmal ein halber Liter - und exakt die Menge, die freiwilligen Spendern beim Deutschen Roten Kreuz abgezapft wird.

"Ihnen geht es gut?", fragt Klafke. Mir geht es sogar hervorragend. Ich habe etwas Gutes getan, gleich gibt es etwas zu essen und zu trinken, und ich habe 800 Kalorien in knapp acht Minuten verbraucht. Und das ist nur der Anfang: 60 Tage benötigt der Körper, um das gespendete Blut vollständig zu ersetzen. "Im Laufe der nächsten neun Wochen verbraucht der Körper 2000 bis 3000 Kalorien zusätzlich zum Grundumsatz", sagt Klafke. Den Großteil des verlorenen Blutes habe ich bereits nach einer halben Stunde wieder produziert. Das kostet in etwa so viel Kraft und Kalorien wie ein Zwölf-Kilometer-Lauf. Mit dem Unterschied, dass es nicht halb so anstrengend ist.

Der Körper steckt den Verlust von 528 Milliliter Blut nicht nur locker weg. Viele Spender reagieren darauf sogar wie auf eine Frischzellenkur: Sie fühlen sich richtig gut. Klafke bestätigt das: "Vor allem Menschen mit hohem Blutdruck fühlen sich wie befreit, weil die Entnahme den Blutdruck entlastet." Womit das Wohlgefühl nach dem Blutspenden genau zusammenhängt, ist unklar. Bereits unsere Vorfahren schworen auf den Aderlass, um "schlechtes" durch "gutes Blut" zu ersetzen. "Für die Wirksamkeit dieses mittelalterlichen Heilverfahrens gibt es jedoch keine Beweise", sagt Ludwig Hartmann, Transfusionsmediziner beim Blutspendedienst West.

Bundesweit gehen nur 3,5 Prozent der spendenfähigen Bevölkerung zur Blutspende.

Quelle: DRK-Blutspendedienst

Etwa ein Drittel der Spenden wird zur Versorgung von Krebspatienten benötigt, 15 Prozent gehen an Unfallopfer. Der Rest wird für die Behandlung anderer Krankheiten verwendet.

Insgesamt sind Schätzungen zur Folge bis zu 80 Prozent aller Bundesbürger einmal im Leben auf eine Blutkonserve angewiesen.

Jeder Mensch besitzt zwischen 4,5 und sechs Liter Blut. Der rote Saft erfüllt vielfältige Transport und Versorgungsfunktionen in unserem Organismus. Bei einer Blutspende werden 500 Milliliter Blut entnommen. Einen Blutverlust bis zu 1,5 Liter kann der Körper gut verkraften.

Verliert der Körper mehr als 1,5 Liter Blut, zum Beispiel bei einem schweren Unfall, durch Verletzungen, Operationen oder bei inneren Blutungen, kann er die Organe nicht mehr mit genügend Sauerstoff versorgen. Der Körper ist dann nicht mehr in der Lage, selbst ausreichend Blut zu bilden und ist auf eine Transfusion angewiesen.

Nach der Spende wird das Blut in seine Bestandteile aufgeteilt. Der Patient bekommt diejenigen Blutbestandteile als Konzentrat übertragen, die für die jeweilige Therapie oder den Heilungsprozess benötigt werden. Zu den Bestandteilen zählen neben roten Blutkörperchen (Erythrozytenkonzentrat) die Konzentrate der Blutplättchen (Thrombozyten) und die Blutflüssigkeit (Blutplasma).

Bei einer Transfusion müssen die wichtigsten Merkmale vom Spender- und Empfängerblut übereinstimmen, sonst kann es zu einer Blutverklumpung kommen - einer lebensgefährlichen Komplikation.

Blut wird nach dem sogenannten AB0-Blutgruppensystem in die vier verschiedenen Blutgruppen A, B, AB und 0 unterteilt. Zur Blutgruppe A gehören mit 43 Prozent die meisten Menschen. 41 Prozent haben die Blutgruppe 0, elf Prozent die Blutgruppe B und nur fünf Prozent AB.

Besonders begehrt ist die Blutgruppe 0, denn sie kann auch allen Empfängern mit anderen Blutgruppen gegeben werden.

Jede Blutspende ist auch für den Spender ein Gesundheitscheck. Dabei wird etwa der Blutdruck kontrolliert und der Blutfarbstoffgehalt (Hämoglobingehalt) wird vor der Spende gemessen. Über Auffälligkeiten wird der Spender benachrichtigt.

Eine eher psychologische Erklärung liefert eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Wichtige Motivation fürs Blutspenden ist demnach der Wunsch, etwas für andere zu tun. Offenbar gibt es einen Zusammenhang zwischen Glücksempfinden und Spendierfreudigkeit: Menschen, die sich in den letzten vier Wochen "glücklich fühlten", haben laut Studie häufiger gespendet. Ob glückliche Menschen spendenbereiter seien oder ob Spenden zu einem höheren Glücksempfinden führe, weiß man zwar nicht. "Man kann aber sagen, dass Spender die glücklicheren Menschen sind", heißt es in der Studie.

Genau eine Stunde nach meiner Erstspende tauche ich tatsächlich gut gelaunt ins Getümmel der Stadt ein. Vielleicht rettet mein Blut bald einem Menschen das Leben. Robin Hood hätte mich wohl als Wohltäterin in seine Bande aufgenommen.

Rundschau abonnieren