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TierschutzKölnerin ist Schildkröten-Mafia auf der Spur

Lesezeit 5 Minuten
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Hildtrud Cordes mit einem Ranger und einer Lederschildkröte in Indonesien.

Köln – Der Mensch ist die größte Bedrohung. Er raubt die Eier, isst das Fleisch oder benutzt die Hornplatten auf dem Rückenpanzer für Schmuck, Kämme oder Brillengestelle“, sagt Hiltrud Cordes. Die Kölner Ethnologin ist Ende der 80er-Jahre bei Dreharbeiten zu einem Film über bedrohte Tierarten in Indonesien durch Zufall auf Nesträuber und Wilderer gestoßen. Und beschloss daraufhin, sich zu engagieren, mit dem Ziel, der „Turtle Mafia“ das Handwerk zu legen.

„In Indonesien waren es nicht arme hungrige Menschen, die ein paar Eier sammelten, um satt zu werden. Es waren organisierte, kommerzielle Eierdiebe. Die Nester wurden komplett leergeräumt und das, obwohl eine Meeresschildkröte bis zu 100 Eier auf einmal legt“, sagt Cordes, die vor 20 Jahren die „Turtle Foundation“ mitgegründet hat.

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Hiltrud Cordes vor dem Büro der Turtle Foundation in der Kölner Südstadt.

Sitz der Internationalen Stiftung ist ein eher unscheinbares Büro in der Kölner Südstadt. Von hier aus managt die Geschäftsführerin Cordes Projekte in zwei Ländern. Neben Ost-Borneo und Sumatra in Indonesien ist die Organisation seit 2008 auch auf der kapverdischen Insel Boa Vista, rund 600 Kilometer vor der westafrikanischen Küste, aktiv.

Tummelplatz der Meeresschildkröten-Mafia

In den Monaten Juni bis Oktober wimmelt es an den Stränden Boa Vistas von trächtigen Schildkröten. Bis zu 25.000 Tiere kommen nachts aus dem Meer ans Land, um ihre Eier im Sand zu vergraben. Und da ein Weibchen pro Saison vier bis fünf Mal Eier ablegt, gab es im vergangenen Jahr auf der Kapverden Insel 125.000 Nester, in jedem rund 80 Eier, die ein einziges Schildkrötenweibchen jeweils ablegt. Ein Tummelplatz für Wilderer, die es auf den Kap Verden allerdings ausschließlich auf das Fleisch der ausgewachsenen Tiere abgesehen haben. Eine Karettschildkröte wiegt um die 90 Kilo. Wenn man die Flossen, den Kopf, den Panzer, die Knochen und die Eingeweide weglässt, bleiben bis zu 15 Kilo pures Fleisch.

20 Ranger überwachen die Nistplätze

Ziel des Projektes ist es, den Wilderern ihre Beutezüge so weit wie möglich zu erschweren. „Wir haben aktuell fünf Strandcamps, von denen aus jeweils 15 bis 20 Ranger die Niststrände überwachen. Da die Schildkröten sehr lichtscheu sind und nur nachts an Land kommen, beginnt in der Dunkelheit stets ein Katz- und Maus-Spiel zwischen unseren Patrouillen und den Wilderern“, sagt die Kölner Ethnologin.

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Die Zeltstadt der Turtle Foundation bewacht einen indonesischen Niststrand.

Dennoch: Die Zahlen machen ihr Mut: Bevor ihre Organisation tätig wurde, wurden pro Saison über 1000 Meeresschildkröten getötet. „Seitdem wir vor Ort sind, sind die Wildererfälle auf maximal 20 pro Saison zurückgegangen. Ein paar entwischen uns leider immer“, sagt Cordes, die großen Wert darauflegt, Ortskräfte als Ranger zu rekrutieren und anzustellen. „Wir bieten den Einheimischen einen Arbeitsplatz und versuchen, sie für den Schutz der Meeresschildkröten zu

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sensibilisieren.“ Unterstützt werden die Ranger durch zwei Spürhunde, die sie auf ihren Patrouillen begleiten. Mit ihren feinen Nasen können sie Überreste von gewilderten Schildkröten aufspüren und Beweise sichern. Denn erst im Januar 2018 wurde auf den Kapverden ein neues Gesetz verabschiedet, das jeden, der Schildkröten tötet, verkauft oder verzehrt, mit einer Anzeige und strafrechtlicher Verfolgung bedroht.

Stinkende Schildkrötenkadaver

Für die Regierung und die Polizei sind die NGOs eine wichtige Unterstützung. Das auch vor dem Hintergrund, dass die Inseln mit den weißen Sandstränden immer mehr Touristen ins Land locken und der Schutz der Meeresschildkröten einen wichtigen Punkt für umweltgerechten Tourismus darstellt. „Touristen mögen keine Strände, die übersät sind mit stinkenden Schildkrötenkadavern, da sind wir als private Strandpolizei gerne gesehen“, sagt Cordes. Außerdem habe die Regierung inzwischen die wichtigsten Niststrände als Naturschutzgebiet ausgewiesen, an denen keine Hotels gebaut werden dürfen. Denn das Licht der Hotels und Promenaden irritiert die Schildkröten bei ihrem Landgang. Der Prozess der Eiablage, der sonst eine Stunde dauert,

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Ranger bewachen die Nistplätze der Tiere am Strand von Bona Vista.

verlängert sich durch die Helligkeit auf drei Stunden. „Ich habe es mit eigenen Augen gesehen“, sagt die 61-jährige Kölnerin, die sich persönlich mehrmals im Jahr ein Bild von der Arbeit ihrer Organisation vor Ort macht.

Spenden und symbolische Patenschaften

Das Budget der „Turtle Foundation“ liegt jährlich bei rund einer Million Euro. Neben offiziellen Fördergeldern wird die Arbeit vor allem durch Spenden von Privatleuten finanziert. Die meisten kommen aus der Schweiz und den USA, aber auch einige Kölnerinnen und Kölner haben ihr Herz für die bedrohten Meeresschildkröten entdeckt. „Viele Taucher gehören zu unseren Unterstützern. Man kann auch eine symbolische Patenschaft für die Tiere übernehmen“, sagt Cordes.

Südstadt-Hilfe für Boa Vistas Notleidende

Die Organisation „Turtle Foundation“ engagiert sich auch für die Bevölkerung vor Ort, denn viele Menschen auf Boa Vista haben durch den Einbruch des Tourismus aufgrund von Corona ihre Jobs verloren. Kürzlich wurde ein Spendenaufruf für Kinderbekleidung in der Umgebung des Kölner Büros gestartet. Die Nachricht machte schnell die Runde – mit erfreulichem Ergebnis: 100 Umzugskartons voller Kinderkleider und Spielsachen haben die Südstädter gespendet. Die Kindersachen sind, neben einem Strandfahrzeug für die Ranger, nun in einem Seecontainer unterwegs auf die Kapverden.

Hiltrud Cordes denkt noch lange nicht ans Aufhören. Artenschutz sei eine Herkulesaufgabe und bei Meeresschildkröten bräuchte man sowieso einen langen Atem. Bis eine Schildkröte geschlechtsreif wird, dauert es 20 Jahre, außerdem lauern auf die gerade geschlüpften Reptilien auch natürliche Fressfeinde wie Warane, Krabben und Greifvögel. Von 1000 Schlüpflingen erreicht deshalb nur durchschnittlich ein einziger das Erwachsenenalter. „Ich bleibe dran. Meine Vision ist eine Zukunft, in der Meeresschildkröten und ihre Lebensräume nachhaltig geschützt sind, eine saubere Umwelt, in der die Schildkröten sicher vor menschlicher Bedrohung sind. Dann erst mache ich Feierabend“, sagt die engagierte Kölnerin, die sich darüber freut, dass sich auch viele junge Menschen aus Deutschland und weltweit als Volontäre für den Schutz der archaischen Reptilien begeistern.

So auch der Kölner Biologiestudent Tillmann Josifek. Der 22-Jährige ist aktuell vor Ort und hilft mit, einen Schwimmkurs für die Kinder von Boa Vista zu entwickeln. Und nebenbei unterstützt er selbstverständlich die Ranger-Teams im Kampf gegen die „Turtle Mafia“.www.turtle-foundation.org