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„Ein toller Beruf“Kölner Chef der Taschendiebs-Fahnder geht in Ruhestand – bewegtes Berufsleben

Lesezeit 4 Minuten
Nach 47 Jahren bei der Polizei ist Schluss: Kommissariatsleiter Günther Korn geht in den Ruhestand.

Nach 47 Jahren bei der Polizei ist Schluss: Kommissariatsleiter Günther Korn geht in den Ruhestand.

Als Polizist erlebte Günther Korn den RAF-Terror, das tägliche Verbrechen und eine tödliche Geiselnahme, die ihm bis heute in Erinnerung geblieben ist. Zuletzt bekämpfte er mit seinem Team 18 Jahre lang den Taschendiebstahl.

Im Grunde ist Günther Korn (64) nur wegen Pink Floyd Polizeibeamter geblieben. An seinem ersten Arbeitstag seien er und die anderen Neuen von den Vorgesetzten permanent angebrüllt worden, erinnert er sich. Im Oktober 1976 war das, bei der Polizei in Bochum, passenderweise wurde der Nachwuchs damals in einer Kaserne einquartiert. Doch am Abend, als Korn eigentlich schon die Lust verloren hatte, ertönte aus einem der Fenster das Floyd-Album „Dark side of the moon“, eine der meistverkauften Platten überhaupt. „Da dachte ich mir: es gibt auch vernünftige Leute bei der Polizei“, erzählt Korn und lächelt.

Nun ist Günther Korn in den Ruhestand verabschiedet worden – nach 47 Jahren im Dienst. Intensive Jahre, in denen er sehr oft mit den Schattenseiten des Lebens konfrontiert worden ist. Schon als 18-Jähriger stand er inmitten des RAF-Terrors mit umgehängter Maschinenpistole am Flughafen und bewachte die Kontrolle der Passagiere, „eine schwierige Zeit war das“, sagt er rückblickend. Dann führte ihn der Job nach Bonn in die Einsatzhundertschaft und den Wachdienst, und anschließend ins Ruhrgebiet, wo er unter anderem acht Jahre Polizeimotorrad fuhr. Und dann folgte Köln. „Erst hier habe ich wirklich gemerkt, was für einen tollen Beruf ich gewählt habe. Ich bin auf viele fachlich fitte Kolleginnen und Kollegen getroffen“, sagt Korn.

Nun verlässt er die Polizei als Experte zur Bekämpfung des Taschendiebstahls – in den vergangenen 18 Jahren leitete er das entsprechende Kriminalkommissariat. Nachdem im Jahr 2005 mehr als 12500 Taschendiebstähle angezeigt worden waren und ein bis dato nie erreichter Rekord geschrieben war, richtete die Polizei unter dem zunehmenden öffentlichen Druck ein eigenes Kommissariat ein. Mit Korn an der Spitze. „Wir haben damals mit drei Kollegen einen 30-seitigen Vertrag zur Zusammenarbeit von Landes- und Bundespolizei ausgearbeitet. Es war Wahnsinn, was wir damals geschafft haben“, sagt er stolz.

Taschendieb sprang im Präsidium aus dem Fenster

Tag und Nacht hatten sich er und seine Truppe damals in die Materie verbissen, um Tatverdächtige zu identifizieren und Strukturen aufzudecken. „Wir haben zwölf Stunden durchgearbeitet“, erinnert er sich. Am Nikolaustag wollte er einst mal früher nach Hause fahren, um bei seiner Familie sein zu können. Wenig später klingelte sein Telefon. Ein Taschendieb hatte im damaligen Präsidium am Waidmarkt während der Vernehmung das Fenster geöffnet und war aus zwölf Metern Höhe in die Freiheit gesprungen. Ein Busch stoppte den Sturzflug, humpelnd war der Mann entkommen. Die Festnahme folgte einige Tage später.

Der Job hat Korn mehrfach an die Grenze der Belastbarkeit gebracht. Nach dem Studium in Dortmund arbeitete er in Köln als Dienstgruppenleiter in der Kriminalwache. Die Dienstzeiten bestimmten damals sein Leben. Sieben Tage Spätdienst, zwei Tage frei. Sieben Tage Nachtdienst, drei Tage frei. Das polizeiliche Hamsterrad drehte sich für Korn damals schneller als ihm teilweise lieb war. Leichenfunde, Raubdelikte, Überfälle – das war Alltag. „Diese Zeit hat mich geprägt. Ich habe Dinge gesehen, die mich rückblickend mehr mitgenommen haben als gedacht“, gesteht er ehrlich.

Geiselnahme im Stadtrundfahrt-Bus

Auch der 28. Juli 1995 hat sich in Korns Gedächtnis eingebrannt. Am Tanzbrunnen hatte Täter Leon Bor in einem Stadtrundfahrt-Bus 23 Touristen als Geiseln genommen und sofort den Busfahrer erschossen. Später erschießt er eine Insassin (60), nach knapp acht Stunden stürmt ein Spezialeinsatzkommando den Bus und tötet den Geiselnehmer. „Noch heute bekomme ich Gänsehaut“, sagt er und stockt. „Gefühlt wurde eine Minute lang geschossen, ich dachte, gleich sind alle tot“, erzählt Korn.

Sport hat Günther Korn geholfen, Anspannung und Stress abzubauen. „Ich habe dann an nichts anderes gedacht als an den Sport. Zu Hause konnte ich den Beruf dann aussperren“, sagt er. Korn und seine Kollegen haben in den Jahren schnell gemerkt, dass es sich bei den Taschendieben um Profis handelt, die vielfach aus Osteuropa stammen. „Wichtig war mir immer, dass wir Straftaten bekämpfen und keine Volksgruppen“, sagt Korn. Nach der für die Stadt und viele Frauen traumatischen Silvesternacht 2015, als es im und am Hauptbahnhof zu Hunderten Übergriffen und Diebstählen kam, durfte Korn das Phänomen Taschendiebstahl vor der versammelten Medienlandschaft erklären. „Diese Nacht war ein Einschnitt“, sagt er.

Mit Mord und Totschlag hatte Günther Korn zuletzt nichts mehr zu tun. Wenn ihm etwas den Schlaf raubte, dann waren es Diebe, die sich gebrechliche Seniorinnen und Senioren als Opfer gesucht haben. „So etwas macht sprachlos. Es ist immer unser Ziel dafür zu sorgen, dass Köln eine lebenswerte Stadt bleibt“, meint Korn. Schon vor zweieinhalb Jahren hätte er in den Ruhestand gehen können, um die Zeit fürs Fotografieren, Wandern, Radfahren oder Kochen zu nutzen – seine Hobbies sind vielfältig. Doch er blieb.

Jetzt ist Schluss. Sicherlich wird er auch mal wieder ein paar Songs von Pink Floyd auflegen.