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Sorge im Erzbistum KölnSägt Woelki Robert Kleine als Stadtdechanten ab?

Lesezeit 5 Minuten

Stadtdechant Robert Kleine bei einem ökumenischen Gottesdienst für die Karnevalisten im Dom.

Die Wiederberufung von Robert Kleine als Stadtdechant steht an. Die Frage, die nun im Raum steht: Statuiert Kardinal Woelki ein Exempel?

Ginge es demokratisch zu, die absolute Mehrheit wäre ihm sicher. Robert Kleine ist beliebt in Köln. Tief verankert in der katholischen Basis und der Kölner Stadtgesellschaft nennen ihn viele „das freundliche Gesicht der katholischen Kirche“. Doch das wird ihm in den kommenden Wochen wenig helfen. Im September läuft seine zweite sechsjährige Amtszeit als Stadtdechant aus. Seine Wiederberufung steht an. Und das Verfahren dafür ist alles andere als demokratisch. Vereinfacht gesagt hebt oder senkt der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki den Daumen. Und damit herrscht allgemein Sorge um die Zukunft von Kleine als Kölner Stadtdechant. Denn er scheint in Ungnade beim Kardinal gefallen zu sein.

Ist Kleine eine Kontrahent des Kardinals?

Es ist schwierig, öffentliche Äußerungen von Kleine zu finden, mit denen er ausdrücklich „seinen“ Erzbischof kritisiert. Als die Glaubenskongregation die Segnung homosexueller Paare untersagte und Woelki dies begrüßte, ließ er sich nur vorsichtig zitieren: „Das ist jetzt die geltende Regelung. Wir müssen jetzt darüber reden und es weiterentwickeln.“ Überhaupt, je größer die Kluft zwischen Woelki und Teilen der Basis wurde, desto mehr betonte Kleine die Notwendigkeit zum Gespräch. Vielleicht am schärfsten äußerte er sich noch zu einem Fall eines Geistlichen, der in Düsseldorf von Woelki befördert wurde, obwohl es den Vorwurf sexueller Vergehen gegen den Priester gab. Woelki beteuert bis heute, von den Vorwürfen nur Gerüchte gehört zu haben – was ihm Untersuchungen der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Meineid einbrachte. Sein damaliger Generalvikar rechtfertigte die Beförderung unter anderem damit, dass es keine straf- oder kirchenrechtlich relevante Verfehlungen gegeben habe. „Ich persönlich halte es für einen gravierenden Fehler seitens Personalverantwortlicher in der Kirche, das Fehlverhalten von Geistlichen danach zu bewerten, ob es strafrechtlich oder kirchenrechtlich justiziabel war oder ist“, sagte Kleine – ohne Woelki im Munde zu führen. Andere Stadtdechanten formulierten da ihre Kritik an dem Kardinal direkter. Nicht zuletzt Wolfgang Picken in Bonn.

Warum gibt es Sorge um Kleines Wiederberufung?

Wie es zwangsläufig bei solchen einsamen Entscheidungen hinter verschlossenen Türen ist, nährt sich die Sorge aus Indiskretionen. Picken verstarb Ende vergangenen Januars. Noch zu Lebzeiten soll der auch in Rom bestens vernetzte Geistliche allerdings berichtet haben, es gebe ein Schreiben aus dem Bistum Köln an den Vatikan. Darin werde unter anderem versucht zu erklären, warum die Kluft zwischen Woelki und Teilen der katholischen Basis so unüberbrückbar zu sein scheint. In dem Schreiben soll argumentiert worden sein, dass vor allem drei Stadtdekanate aktiv gegen den Erzbischof arbeiten würden: nämlich Bonn, Köln und Wuppertal. Picken konnte angeblich zudem berichten, Woelki habe im Kreise Vertrauter versichert, diese drei Stadtdechanten – also Picken selbst, Kleine und Bruno Kurth – nicht wieder zu berufen. Picken verstarb vor der Entscheidung. Die Wiederbesetzung Kurths steht noch nicht an.

Wie läuft das Verfahren für Kleine weiter?

Auch wenn die Entscheidung über eine Wiederbenennung Kleines im Amt des Stadtdechanten alleine Woelki obliegt, ganz frei ist er in seinem Vorgehen dabei nicht. Es gibt eine „Ordnung für die Dekanate“. Dort steht zum Verfahren: „Dazu hört der Erzbischof die Priester an, die im betreffenden Dekanat ein Amt ausüben. Darüber hinaus bittet der Erzbischof im Vorfeld einer Ernennung Priester, Diakone und Laien im Pastoralen Dienst, den Vorstand des Katholikenrates und gegebenenfalls weitere Einzelpersonen um eine Stellungnahme, welche Aufgaben und Herausforderungen den Dechanten erwarten.“ Diese „Abfrage“ erfolgte in der Vergangenheit oftmals schriftlich. So berichten Beteiligte, bei der vorhergehenden Benennung Kleines 2018 sei ein Brief vor der Sommerpause versandt worden, mit dem Einstieg: „Ich gedenke Robert Kleine als Stadtdechanten zu berufen …“ Bisher ist dieser Brief ausgeblieben.

Zudem wird aus kürzlich durchgeführten Berufungen von Stadtdechanten im Erzbistum Köln berichtet, der Kardinal habe sein Vorgehen verändert. Die noch amtierenden Stadtdechanten werden zum Gespräch geladen. Sie sollen Bilanz ziehen über ihre bisherige Arbeit und darüber, wie sie sich für die Zukunft aufstellen wollen. Aus dem Kreis der Kölner Priester ist zu hören, das Gespräch zwischen Woelki und Kleine sei schon terminiert, es stehe in wenigen Tagen an.

Droht Kleine eine Strafpredigt?

Was Kleine dort erwartet, darauf gibt vielleicht das bereits stattgefundene Gespräch zwischen dem Kölner Erzbischof und dem Remscheider Stadtdechanten Thomas Kaster einen Vorgeschmack. Salopp gesagt soll Kaster den Kopf gewaschen bekommen haben. Dabei fliegt das Dekanat Remscheid, das zu den kleinsten im Erzbistum zählt, doch zumeist unter dem Radar der Aufmerksamkeit. Allerdings soll es vor allem ein Ereignis gewesen sein, was sich bei Woelki dennoch auf dem Schirm eingebrannt habe. Stadtdechant Kaster war bei einer Ministranten-Wallfahrt nach Rom im Oktober 2022 dabei.

Damals kam es zum Affront, als bei einer Messe, von Woelki zelebriert, eine Großzahl der mitgereisten Ministranten dem Kölner Erzbischof demonstrativ den Rücken zukehrten. Kaster äußerte anschließend vor laufenden Kameras Verständnis für das Verhalten der jungen Menschen. Die darüber angestaute Wut Woelkis entlud sich laut durchgestochener Berichte in dem Gespräch mit Kaster. Der soll während der „Predigt“ mit seinem Stadtdechanten-Dasein bereits abgeschlossen haben. Doch Woelki bestätigte ihn im Amt. Ein Hoffnungsschimmer für Kleine? Kenner des Erzbistums winken ab. Remscheid sei zu unbedeutend und liege auch nicht auf der „Achse des Bösen“, die mit Bonn, Köln und Wuppertal in dem Schreiben an Rom skizziert wurde.

Ist die Wiederberufung schon gescheitert?

Auch wenn unter Laien und Priestern in Köln die Sorge weit verbreitet ist, Kleines Zeit als Stadtdechant ende nun, ganz so leicht kann es sich Woelki trotz der Fülle seiner Macht nicht machen. Da ist zu einem die bereits betonte Beliebtheit Kleines. Zum andern hat Kleine viele Ämter inne (siehe Infokasten oben). So ist er nicht nur Stadt-, sondern auch Domdechant im Domkapitel. Zwar sitzen in dem Gremium, das unter anderem vom Papst an der Wahl des Erzbischofs beteiligt werden muss, mittlerweile zahlreiche Getreue des Kardinals, doch als Domdechant scheint Kleine unumstritten zu sein. Dem Kapitel gehört er bis zu seinem 75. Lebensjahr an. Kleine bleibt also präsent in Köln. Und Woelki müsste damit rechnen, dass Kleine, befreit von den Loyalitätszwängen eines Stadtdechanten, von einem vorsichtigen zu einem forschen Kritiker des Kardinals wird.

Und was sagt Kleine selbst? Er ist in diesen Tagen nicht in Köln und für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Das Bistum äußert sich prinzipiell nicht zu internen Personalien.