Der ehemalige Chefdevisenhändler der Kölner Herstatt-Bank ist am Montag in Köln gestorben. Das Leben des Holocaust-Überlebenden wird seit Herbst 2022 verfilmt. In den 70er-Jahren war Dattel der Chef der „Goldjungs“ bei Herstatt.
Holocaust-Überlebender und Herstatt-BankerDany Dattel mit 83 gestorben – Film über ihn in Produktion
Der frühere Chefdevisenhändler der Kölner Herstatt-Bank, Dany Dattel, ist am Montag im Alter von 83 Jahren in Köln gestorben. Nach der spektakulären Pleite des Kreditinstituts am 26. Juni 1974 hatte der Holocaust-Überlebende jahrzehntelang zurückgezogen in Lindenthal gelebt.
Die „Goldjungs“ der Herstatt-Bank
In den 70er-Jahren war Dattel der Chef der „Goldjungs“, wie Bankier Iwan David Herstatt seine Devisenhändler nannte. Mit ihren Spekulationsgeschäften – sie zockten etwa auf steigende oder fallende Dollarkurse – hatten sie der Bank erst enorme Gewinne eingebracht und dann gewaltige Verluste. In der Folge kam es zum Zusammenbruch des Geldhauses - ein Skandal, der Köln und die ganze Bundesrepublik erschütterte. Tausende bangten um ihre Ersparnisse.
Für Dattel, der als Dreijähriger mit seinen Eltern ins KZ Auschwitz deportiert wurde und als einziges Kind seiner Berliner Synagogengemeinde überlebte, ist es eine besonders traumatische Zeit. 1976 kommt er gemeinsam mit Bank-Chef Herstatt und sechs weiteren Managern in Untersuchungshaft, die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten Untreue und Beihilfe zum Bankrott vor.
Im Gefängnis brechen die furchtbaren Erinnerungen wieder auf. Dattel leidet am sogenannten „KZ-Syndrom“, als Kind hat er in Auschwitz Erschießungen und andere Gräueltaten hautnah miterlebt. Während vier der „Goldjungs“ und Bankier Iwan David Herstatt zu Bewährungsstrafen verurteilt werden, wird Dattel wegen des KZ-Syndroms für verhandlungsunfähig erklärt, der Prozess gegen ihn wird eingestellt.
Zum Sündenbock der Herstatt-Pleite gemacht
Doch in einigen Medien ist Dattel zuvor längst als allein Verantwortlicher für den Crash der Herstatt-Bank dargestellt worden. Er wird zum Sündenbock gemacht, als „Agent des Weltjudentums“, als „Bankjude“ mit „krankem Hirn“ tituliert. Ein zweites Mal erlebt er als Jude Verfolgung in Deutschland. Iwan David Herstatt gibt ihm persönlich die Schuld, schreibt: „Ich war total erledigt, mein Lebenswerk war zerstört durch unnötige, hemmungslose Geschäfte eines skrupellosen Spekulanten.“
Dattel zieht sich ins Privatleben zurück, Interviews gibt er keine. Das ändert sich erst im vergangenen Herbst, als er für Dreharbeiten zu einem Film über sein Leben wieder nach Auschwitz fährt. 80 Jahre, nachdem er als kleiner Junge unter dem berüchtigten Schriftzug „Arbeit macht frei“ in das Todeslager gegangen ist, kehrt er zurück an den Ort, wo neun seiner Familienmitglieder ermordet wurden. Er zeigt den Filmleuten, in welchem der dreistöckigen Betten er geschlafen hat, berichtet von der ständigen Angst, ins Gas geschickt zu werden.
Zustande gekommen sei die Idee zu dem Film, weil Dany Dattel ein Buch über seine Erlebnisse im KZ schreiben wollte – für seine Enkel und die Nachwelt, berichtet der Kölner Produzent Stefan Schneider von „Gruppe 5 Filmproduktion“. Er habe eigentlich jemanden gesucht, der ihm Tonbandaufzeichnungen von Gesprächen mit seiner Mutter über die gemeinsame Zeit in Auschwitz digitalisiert.
„Maskottchen von Auschwitz“
Beide hatten das KZ überlebt, wurden danach aber getrennt, sein Vater kam ums Leben. Nach dem Krieg lebte Dattel mit seiner Mutter zunächst in Berlin, dann in Israel, später in Köln, wo er 1958 eine Banklehre bei Herstatt begann. Mit den 1993 aufgenommenen Tonbändern wandte er sich an den Kölner Produzenten Frank Terjung. „Daraus wurde schnell der Plan, einen Film über sein Leben zu machen“, berichtet Schneider.
Tagelang habe man Interviews mit Dattel geführt. Dabei sei es natürlich auch um die Herstatt-Bank gegangen. O-Ton Dattel über den Moment, als er am 26. Juni 1974 um 16.15 Uhr das Telex von der Bankenaufsicht in der Hand hält, dass die Bank sofort zu schließen sei: „Die Bank war mein Leben. Ich sah meine Welt zusammenbrechen. Das war ein Keulenschlag für mich. Ich bin ans Fenster gegangen und habe geheult.“
Der Film über ihn soll im Spätsommer dieses Jahres fertig werden und den Titel „Das Maskottchen von Auschwitz – Die sieben Leben des Dany Dattel“ tragen. „Unser Maskottchen“ – so nannten ihn seine Mitgefangenen im Lager.