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ARD-Satire„Goldjungs“ blickt auf den Konkurs der Herstatt-Bank 1974 zurück

Lesezeit 4 Minuten
Goldjungs

 Mick Sommer (Tim Oliver Schultz, 2.v.l) ist so etwas wie der Rockstar der Herstatt-Bank: das hell leuchtende Zentrum der "Goldjungs"

  1. Ein halbes Jahrhundert ist es her, da waren viele Kölner ganz schön stolz auf ein Geldhaus aus ihrer Domstadt.
  2. Die Herstatt-Bank expandierte und mischte auf dem internationalen Finanzmarkt mit.
  3. Dann kam der Absturz. Eine ARD-Satire wirft einen Blick zurück.

Köln – Es war ein Krisengespräch, nach dem das Ruder vielleicht noch hätte herumgerissen werden können. Waghalsige Termingeschäfte kamen als Problem zur Sprache, doch Bankdirektor Iwan David Herstatt bekam nichts mit: Er war auf seinem Sessel eingeschlafen. Als er aufwachte, freute er sich über den Kaffee und fragte die Mitarbeiter: „Und, meine Herren, Problem gelöst?“ Die wollten die Probleme nicht erneut benennen, sie leiteten stattdessen klammheimlich eine Vertuschung ein. Wenig später kam es zur bis dahin größten Bankenpleite der Bundesrepublik. Die Satire „Goldjungs“ am heutigen Mittwoch (20.15 Uhr, Das Erste) erzählt von dem Kollaps der Herstatt-Bank.

4000 Gläubiger bangten im Dezember 1974 bei der Gläubigerversammlung in der Kölner Sporthalle um ihre Einlagen.

In wenigen Jahre war das Kölner Geldhaus zu einem großen Finanzinstitut geworden, mit 850 Mitarbeitern und 31 Filialen. Das Juwel war zunächst der Devisenhandel, mit dem man sich auf Augenhöhe mit Branchenriesen wie der Chase Manhattan Bank sah. Im Rückblick war es eine skurrile Geschichte: Versicherungsunternehmer Hans Gerling, im Film gespielt von Martin Brambach („KDD - Kriminaldauerdienst“), stieg bei einer kleinen Bank ein, um keine Geschäfte mit Großbanken machen zu müssen. Als Direktoren inthronisierte er seinen alten Schulfreund Herstatt, dem er viel Freiraum ließ. Ein Fehler: Es wurde ein desaströses Verlustgeschäft für Gerling. 1974 flogen faule Geschäfte auf und die Bank kollabierte.

Irrwitzige Geschichte in 70er-Jahre-Optik

Vor den historischen Hintergründen erzählen die Filmemacher eine irrwitzige Geschichte in goldgelben Farben und mit Partysongs der 70er Jahre. Dramatischen Tiefgang gewinnt der Film nicht – dafür sind Handlung und Dialoge zu überspitzt und die Figuren zu flach gezeichnet. Die Satire sei die richtige Form, um eine so unglaubliche Geschichte darzustellen, heißt es von den Filmemachern – weil der Zuschauer die Geschichte sonst gar nicht glauben würde. „Das schmerzhafte an solchen Satiren ist die Tatsache, dass die Geschichte im Kern wahr ist“, sagt Produzent Michael Souvignier.

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Marie Breuer (Michelle Barthel) ist dicht dran an den "Goldjungs" und droht doch selbst zum Opfer deren Machenschaften zu werden.

Seine Firma Zeitsprung widmet sich immer wieder Geschichten mit realen Bezügen, 2019 beispielsweise mit der kölschen Kungelei-Satire „Der König von Köln“. In dem neuen Werk sind die Figuren noch schriller. Die titelgebenden Goldjungs sind sechs Devisenhändler, die in Sportwagen Kolonne fahren, buchstäblich auf dem Tisch tanzen und auftreten wie Rockstars. Bankdirektor Herstatt fällt auf sie herein. „Das sind meine Goldjungs“, sagt er voller Stolz. Doch die zunächst lukrativen Devisengeschäfte geraten außer Kontrolle und die Goldjungs werden zu Betrügern, die das Institut immer weiter in den Abgrund steuern.

Herstatt: Eine echte Frohnatur

Erzählt wird der Plot aus den Augen einer naiven Sekretärin (Michelle Barthel, „Wir sind die Welle“), die sich in einen der Goldjungs und damit auch in die glitzernde Welt des schnellen Geldes verliebt – auch sie wagt riskante Geldanlagen.

Komödiantisches Herzstück des Films ist Waldemar Kobus („Black Book“) als Bankdirektor Herstatt. Der fühlt sich in seiner Karnevalstracht am wohlsten. „Er war in rund 30 Karnevalsgesellschaften engagiert, dazu Mitglied in 20 weiteren Kölner Vereinen“, berichtet Volker A. Zahn, der mit seiner Frau Eva das Drehbuch schrieb. „Eine echte Frohnatur, durch und durch kölsch, sehr jovial und dabei ausgesprochen standesbewusst.“ Autorin Zahn sagt über die Filmfigur: „Natürlich erscheint Herstatts Charakter überzeichnet, aber in jeder guten Karikatur steckt ein wahrer Kern.“ (dpa)

Zur Geschichte: Größte Bankenpleite der deutschen Nachkriegsgeschichte

Der Zusammenbruch der Kölner Herstatt- Bank 1974 war die damals größte Bankenpleite der deutschen Nachkriegsgeschichte. Ausgelöst durch Devisenspekulationen der sogenannten Goldjungs, sechs erst knapp über 20 Jahre alten Devisenhändler, deren Abteilung Dany Dattel leitete.

Die Devisenabteilung arbeitete weitgehend ohne Kontrolle. Zudem umgingen die „Goldjungs“ ihr Zehn-Millionen-Dollar-Limit im Devisenhandel pro Person und Tag, in dem sie andere Mitarbeiter der Bank als Strohmänner einsetzten. Aber die Goldjungs hatten sich verzockt, am Ende standen dem Vermögen der Bank von einer Milliarde mehr als zwei Milliarden Schulden gegenüber. Fast die Hälfte dieser Verbindlichkeiten waren Spareinlagen. Bei der Gläubigerversammlung im Dezember 1974 mit 4000 Gläubigern in der Kölner Sporthalle kam durch Einlenken des größten Kommanditaktionärs Hans Gerling, der 51 Prozent seines Konzerns verkaufte, ein Vergleich zustande und viele Privatkunden mehr als 80 Prozent ihrer Einlagen zurück.

Iwan Herstatt kam mit einer Bewährungsstrafe davon, Danny Dattel wurde als verhandlungsunfähig erklärt, da er unter dem KZ-Syndom leide, weil er als Kind mit seiner Mutter im Konzentrationslager Auschwitz gewesen war.

Als Konsequenz der Herstatt-Pleite gründeten die deutschen Banken einen Einlagensicherungsfonds, um ihre Sparer vor dem Komplettverlust ihrer Einlagen als Folge einer Banken-Insolvenz zu schützen.

Für die Berichterstattung über die Herstatt-Pleite erhielt der damalige Leiter der Kölner Lokalredaktion und spätere Rundschau-Chefredakteur Jürgen C. Jagla den renommierten Theodor-Wolff-Preis. (kmü)