Die Bundesregierung hat mit ihren Plänen bei Hausbesitzern fü r viel Verunsicherung gesorgt. Energieberater Stefan Bolln rät deshalb, vor großen Investitionen zunächst in Dämmung und Sanierung zu investieren.
Interview mit EnergieberaterWas Verbraucher vor großen Investitionen an Heizanlagen beachten sollten
Bei Stefan Bolln steht das Telefon nicht mehr still. Der Chef des Energieberaterverbandes GIH ist im Dauereinsatz, um Hauseigentümern bei der Suche nach der richtigen Heizung zu helfen. „Bei Gas oder Öl bitte sehr vorsichtig sein!“, so eine seiner Botschaften.
Herr Bolln, das Heizungsgesetzes der Ampel verzögert sich durch die Entscheidung in Karlsruhe. Was halten Sie davon?
Nun, es ist blöd für alle, die jetzt konkret vor der Frage stehen, was sie mit ihrer Heizung machen sollen. Es wäre wirklich fatal, wenn das Gesetz nicht zum 1. Januar in Kraft treten könnte. Es braucht endlich Planungssicherheit für die Menschen, die längst völlig verunsichert sind. Je schneller, desto besser! Deswegen müssen die Parlamentarier die Zeit im Sommer nutzen und sofort nach der Sommerpause das Gesetz verabschieden.
Dann sollte das Gesetz nicht noch mal komplett aufgeschnürt werden, wie es die Unionsfraktion bereits verlangt hat?
Wir Energieberater sind mit dem Entwurf nur bedingt zufrieden. Vor allem, weil die Reduktion des Energieverbrauchs ausgeklammert ist. Und es ist aus unserer Sicht sehr ärgerlich, dass es noch einen Aufschub für Gasheizungen von vier Jahren gibt. Bis zum Abschluss der kommunalen Wärmeplanung wird kaum etwas passieren. Dadurch wird bei der Wärmewende kostbare Zeit verloren. Wir gehen davon aus, dass bis dahin in jedem Jahr noch rund 300000 neue Gasheizungen eingebaut werden. Das ist in den allermeisten Fällen auf lange Sicht viel teurer für die Hausbesitzer und in jedem Fall schlecht für das Klima. Aber das Gesetz nochmal aufschnüren? Da wäre die Gefahr weiterer Verzögerungen viel zu groß. Also bitte nur ohne weitere Verzögerung.
Die AfD spricht in dem Zuge bereits von einem „Verarmungs- und Enteignungsgesetz“…
Solche Unterstellungen sind falsch. Das eigene Haus fit machen für die Zukunft und auf elektrisches Heizen umzustellen steigert den Wert enorm. Auch 2045, wenn Deutschland klimaneutral sein soll, werden noch drei von vier Haushalten individuell heizen, also an kein Wärmenetz angeschlossen sein. Mit Gas und Öl zu heizen wird nach und nach extrem teuer. Das Umrüsten geht nicht mit einem Fingerschnippen. Es braucht eine gute Planung. Aber der Staat gleicht Mehrkosten gegenüber der Anschaffung von Gas- oder Ölbrennern aus. Also: Wer behauptet, durch das Gebäudeenergiegesetz werde Eigentum vernichtet, liegt falsch und hat keine Ahnung. Wir werden nur nennenswert CO2 und Kosten einsparen, wenn das Gesetz kommt. Ohne Gesetz bleiben wir weiterhin stehen Wir müssten uns als Gesellschaft ehrlich machen und sagen: Klimaschutz interessiert uns nicht.
Bloß keine neue Gas- oder Öltherme einbauen?
Bei Gas oder Öl bitte sehr vorsichtig sein! Dass die Ampel den Einbau neuer Gasthermen auch in Bestandsbauten gegenüber den ursprünglichen Plänen um vier Jahre verlängert, ist ein großer Fehler. Schon heute kann Heizen mit Wärmepumpe preiswerter sein als mit Gas. Wenn die Therme kaputt geht und in ein paar Jahren ein Wärmenetz kommt, wäre Gas womöglich erstmal eine günstige Übergangslösung. Generell rate ich meinen Kunden: Stecken Sie das gesparte Geld in die Modernisierung des Hauses, weil Heizen mit Gas durch die CO2-Bepreisung definitiv teurer wird und sich ein späterer Umstieg auf elektrisch betriebene Wärmepumpen lohnt.
Biogas oder Wasserstoff sind keine guten Alternativen?
Nein. Es ist sehr bedenklich, dass hier in den vergangenen Monaten viele falsche Hoffnungen geweckt worden sind. Wasserstoff wird nach Überzeugung der gesamten Fachwelt kaum zum individuellen Heizen verfügbar sein. Maximal als geringe Beimischung. Hier werden sowohl technisch als auch von den Kosten Irrwege aufgezeigt. Unter Experten herrscht Einigkeit: Die Wärmepumpe ist die neue Gasheizung. In 30 Jahren wird man sich sehr wundern, warum wir heute diese Diskussionen über Gas, Biogas und Wasserstoff geführt haben. Das hat schon dazu geführt, dass die Nachfrage nach Wärmepumpen eingebrochen ist. Die Verbraucher sind völlig verunsichert worden. Das ist auch verheerend für die vielen Installationsbetriebe, die nicht genau wissen wohin sie ihren Betrieb ausrichten sollen. Das Ergebnis des Parteiengezänks ist Stillstand und Frust. Dabei will Deutschland bis 2045 klimaneutral werden. Niemand will das nicht, einige Bundesländer sogar schneller. Ich sehe nicht, wie wir das unter diesen Bedingungen noch schaffen sollen. Das einzig Positive: Wer jetzt eine Wärmepumpe kaufen will, kommt wieder schneller an das Gerät.
Wem raten Sie zur Pelletheizung?
Wer in Süddeutschland lebt und günstig an Pellets kommt, oder wer in einem wirklich alten Haus lebt, bei dem die Dämmung unfassbar teuer wäre, für den könnten Pellets womöglich Sinn machen. Im Neubau sehe ich das für maximal fünf Prozent.
Dämmung, Doppelverglasung und größere Heizkörper
Für das Beispiel eines Einfamilienhauses aus den 70er-Jahren mit einer 20 Jahre alten Gasheizung zählt Stefan Bolln folgende Maßnahmen auf:
Ein Energieberater sollte in jedem Fall hinzugezogen werden. Mit ihm sollten die Haueigentümer dann Bauteil für Bauteil durchgehen. „Wie sehen die Wände aus, wie können sie isoliert werden?“, zählt Bolln wichtige Fragen auf. Zudem rät er: „Die oberste Geschossdecke dämmen. Im Keller einfachverglaste Scheiben durch Doppelverglasung ersetzen oder die Decke dämmen, ebenso die Leitungen der Heizung.“
Einen Tipp hat der Experte zudem: „Größere Heizkörper einbauen, weil mit größerer Fläche auch bei geringerer Wärmezufuhr höhere Zimmertemperaturen zu erreichen sind.“ Die Wärmepumpe als Heizung sei dann für viele das Mittel der Wahl: „Wenn dann irgendwann die Gasheizung den Geist aufgibt, ist die Wärmepumpe in den wirklich allermeisten Fällen die günstigste und sauberste Lösung“.