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Rundschau-Debatte des TagesWird der Haushalt für die Ampel zum Stolperstein?

Lesezeit 4 Minuten
Euro-Münzen sind übereinander gestapelt.

Im Streit um den Haushalt von Deutschland geht es um Milliarden Euro.

Nach den teils drastischen Verlusten bei der Europawahl geht es für die Berliner Koalition um alles oder nichts. Die Beratungen über den Bundesetat 2025 müssen zeigen, ob sie noch regierungsfähig ist.

Carsten Hoffmann und Michael Fischer Berlin Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die Ampel-Partner zur Kooperationsbereitschaft in den schwierigen Verhandlungen über den Haushalt 2025 aufgerufen. Zudem mahnte er die Koalition am Wochenende in Interviews, sich nach den schlechten Ergebnissen bei der Europawahl zusammenzuraufen. „Am Ende wird viel entschieden, aber manchmal kann man dann hinter dem Pulverdampf gar nicht erkennen, was da entschieden ist“, sagte der SPD-Politiker im ZDF. Der Haushalt für das nächste Jahr sei „eine Aufgabe, die wir bald lösen müssen, fristgerecht Anfang des nächsten Monats“.

Schicksalswochen einer Koalition

Scholz war am Sonntag von einer viertägigen Reise zu internationalen Gipfeltreffen in Italien und der Schweiz zurückgekehrt. Die nächsten drei Wochen werden für ihn und seine Koalition zu Schicksalswochen. Durch die schlechten Ergebnisse aller drei Parteien bei der Europawahl ist das Gelingen der Haushaltsverhandlungen zur Bewährungsprobe für die Ampel geworden, zu einer Art Vertrauensfrage für die Bündnispartner. Wenn sie das nicht hinkriegen, sieht es düster aus für den Fortbestand der Koalition.

Christian Lindner (l-r, FDP), Bundesminister der Finanzen, Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nehmen an einer Sitzung des Bundestags teil.

Christian Lindner (l-r, FDP), Bundesminister der Finanzen, Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nehmen an einer Sitzung des Bundestags teil.

Das Bundeskabinett soll dem Haushaltsentwurf nach derzeitiger Planung am 3. Juli zustimmen, um ihn dann in die parlamentarischen Beratungen zu geben. Klappt das nicht, gibt es allenfalls noch ein paar Tage Puffer bis zum Nato-Gipfel, der am 9. Juli in Washington beginnt. Wenn der Haushalt davor nicht steht, dann steht auch die Fortsetzung der Koalition infrage, darin sind sich Beobachter ziemlich einig. Denn die Verteilung der Steuergelder zwischen den einzelnen Ressorts gilt als Geschäftsgrundlage für die Zusammenarbeit der Ampel bis zu der für den Herbst 2025 geplanten Bundestagswahl.

Vertrauliche Gespräche zum Etat

Zum Start in die heiße Phase der Haushaltswochen stand am Sonntag gleich ein wichtiges Treffen auf dem Programm des Kanzlers. Mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) sowie mit Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) setzte sich Scholz bis in den späten Abend zu vertraulichen Gesprächen über den Etat zusammen. Aus Koalitionskreisen hatte es bereits vorab geheißen, dass danach keine konkreten Angaben zum Stand der Verhandlungen zu erwarten seien.

Man sei in den Gesprächen im Zeitplan, versicherte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag in Berlin. Scholz, Lindner und Habeck seien am Vormittag erneut zu einem Spitzengespräch zusammengekommen. Es werde weitere Treffen geben, und mit jedem komme man einer guten Lösung näher. Hebestreit sagte mit Blick auf einen Beschluss Anfang Juli, er würde nicht davon ausgehen, dass es massive Verschiebungen des Zeitplans gebe.

Haushalt: Lage nach der Europawahl verschärft

Die Haushaltsverhandlungen galten schon vor der Europawahl als äußerst schwierig, jetzt hat sich die Lage noch einmal verschärft. Lindner verlangt deutliche Kürzungen in den Budgets vieler Ministerien. Verschiedene Ressorts haben aber bereits angekündigt, die Sparvorgaben nicht einhalten zu wollen. Unter anderem das Verteidigungsressort unter Boris Pistorius (SPD) trägt seine Ausgabenwünsche vehement vor. Der Finanzminister pocht jedoch darauf, dass die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse eingehalten wird. Diese sieht neue Schulden nur in einem begrenzten Umfang vor. Nach Ansicht der FDP ist es Aufgabe der Regierung, mit einer Änderung der Prioritäten auf eine neue Lage zu reagieren – auch beim weiteren Aufbau der Bundeswehr hin zu einer Armee, die Deutschland und die Verbündeten verteidigen kann.

Spielraum verschaffen könnte der Ampel-Koalition ein Nachtragshaushalt für das laufende Jahr. Weil die Konjunktur schwächer als erwartet läuft, lässt die Konjunkturkomponente in der Schuldenbremse eine größere Nettokreditaufnahme zu. Bisher ist für das laufende Jahr im Rahmen der Schuldenbremse eine Nettokreditaufnahme von 39 Milliarden Euro geplant. Ein Nachtragshaushalt könnte zum Beispiel milliardenschwere Mehrausgaben bei der Förderung erneuerbarer Energien beinhalten.

Debatte über Bürgergeld neu entbrannt

Eine Befürchtung der Koalitionäre ist, dass Kürzungen gerade im Sozialetat die gesellschaftlichen Spannungen verstärken – und in der Folge der AfD Wähler in die Arme treiben könnten. Neu entbrannt ist in diesem Zusammenhang die Debatte um schärfere Sanktionen bei Missbrauch des Bürgergelds, angestoßen durch einen Bericht der „Bild“-Zeitung über einen Plan der SPD, das Bürgergeld bei Fällen von gleichzeitiger Schwarzarbeit zu streichen.

„Es ist nur gerecht, Schwarzarbeit und Sozialbetrug stärker zu sanktionieren“, erklärte dazu Dagmar Schmidt, Vizechefin der SPD-Bundestagsfraktion. „Beides sind keine Kavaliersdelikte, das machen wir schon immer klar.“ Zu Details des Berichts äußerte sie sich allerdings nicht. Grundsätzlich hob Schmidt hervor, das Bürgergeld setze „auf die Vermittlung in dauerhafte Arbeit – dazu stärkt es Qualifikation und Weiterbildung“. Das sei auch eine Antwort auf den Fachkräftemangel. Zustimmung für schärfere Sanktionen kam von FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. „Wer Bürgergeld bezieht und gleichzeitig schwarzarbeitet, der muss hart sanktioniert werden“, sagte er dem „Tagesspiegel“.

Steilvorlage für die Union

Die Union nutzt dies als Steilvorlage, um gleich erneut das ganze ungeliebte Konzept infrage zu stellen. CSU-Generalsekretär Martin Huber forderte die Ampel auf, ganz aus dem Anfang vergangenen Jahres eingeführten Bürgergeld auszusteigen. „Das Bürgergeld braucht keine Reförmchen, es muss gänzlich abgeschafft werden. Stattdessen sollte die bewährte Sozialhilfe wiedereingeführt werden“, sagte Huber. Studien belegten, dass das Bürgergeld die Arbeitsaufnahme verhindere. Auch zum miserablen Abschneiden der Ampel bei den Europawahlen hat es aus seiner Sicht beigetragen: „Die Ampel täte nicht nur der Wirtschaft und der arbeitenden Bevölkerung, sondern auch sich selbst mit der Abschaffung einen großen Gefallen.“ (dpa)