Filmreife SzenenPolizei stellt Autoknacker nachts in Niederkassel

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Eine Autotür wird mit Hilfe eines Schraubenziehers geöffnet.

Ein Autoknacker stand in Siegburg vor Gericht. Er war in Niederkassel von der Polizei geschnappt worden. (Symbolbild)

Filmreife Szenen in Niederkassel: Als ein Autoknacker fliehen wollte, zückte ein Polizist die Schusswaffe. Vor Gericht trafen sie aufeinander.

Ein ruhiges Wohnviertel in Aufruhr: In Niederkassel wurden Autoknacker nachts von Zeugen ertappt, es kam zu filmreifen Szenen. Ein Kommissar von der Troisdorfer Wache entdeckte mit dem Nachbarn, der die Polizei alarmiert hatte, zwei Männer in einem geparkten Sportwagen. Als einer auf ihn zulief und den Anweisungen, sich auf den Boden zu legen nicht folgte, zückte der Kommissar seine Schusswaffe.

„Ich bin lieber im Auto geblieben“, schilderte der Nachbar, ein 33-jähriger Qualitätsprüfer, im Zeugenstand. Per Funk rief er sogar Verstärkung. Seine Überwachungskameras am Haus hatten die beiden Männer gefilmt, er war durch den Alarm auf seinem Handy erwacht. Den Angeklagten erkannte er vor Gericht wieder.

Ihre Lügen langweilen mich
Dem Siegburger Amtsrichter Dr. Alexander Bluhm riss der Geduldsfaden

Dessen Mittäter konnte in der Tatnacht im November 2023 fliehen und wurde bislang nicht ermittelt. Der Angeklagte saß seitdem in Untersuchungshaft, bei dem 25-jährigen aus Marokko, der Asyl beantragt hat  und in einer Zentralen Flüchtlingsunterbringung wohnt, sah die Justiz Fluchtgefahr. 

Der Angeklagte wies zunächst jede Schuld von sich. Er sei stark betrunken seinem Bekannten nur hinterhergelaufen, habe sich in dem Cabrio  schlafen legen wollen, übersetzte die Dolmetschrein seine Einlassung auf Arabisch. Das aber habe doch gar keine Rückbank, erwiderte Richter Dr. Alexander Bluhm, dem nach den vielen Beteuerungen der Geduldsfaden riss: „Ihre Lügen langweilen mich.“ Der Angeklagte habe nur 0,6 Promille gehabt und sei automatisch Mittäter.

Beute aus Niederkassel, ein Stammbuch und Babykleidung, blieb blutig zurück

Er kündigte an, dass der 25-Jährige ohne Geständnis und bei Feststellung der Schuld hinter Gittern bleiben werde. Diese Aussicht bewog den  Angeklagten zu einem Teilgeständnis: „Gefängnis ist nichts für mich.“ Die Autoaufbrüche wogen dabei nicht am Schwersten. Hierbei entstand nur Sachschaden an Scheiben und Lack.

Einen Teil der Beute, ein Familien-Stammbuch, Baby- und Frauenkleidung, hatten die Täter zurückgelassen, als ein Nachbar sie anschrie und verscheuchte. Das sei ihre Tasche für die Klinik gewesen, sagte eine Zeugin, die damals kurz vor der Entbindung stand und ihr wenige Wochen altes Baby in den Gerichtssaal schob. Die Sachen voller Blut habe sie nicht mehr gebrauchen können, so die 34-jährige Fahrlehrerin.   

Im Niederkasseler Wohngebiet wollte der Polizist nicht schießen

Der gravierenste Vorwurf war Widerstand gegen die Staatsgewalt und  Körperverletzung. Der Polizist hatte die gezückte Waffe wieder eingesteckt, weil er in dem Wohngebiet keinen Schuss abgeben wollte. Der Angeklagte und sein Bekannter hätten gar nicht darauf reagiert: „So etwas habe ich noch nie erlebt.“ Er habe den Flüchtenden, der ihm am nächsten stand, verfolgt, ihn an einem Zaun gestellt.

Dieser habe sich mit aller Kraft gewehrt, beide gingen zu Boden. Nach einem Faustschlag des sportlichen Beamten war der 25-Jährige ausgeknockt. Der Kommissar trug einen Bänderris, einen Wadenbeinbruch und Prellungen davon. Er wolle eine Zivilklage anstrengen, kündigte der 55-jährige Dienstgruppenleiter an. In der Nacht zuvor habe es in der Gegend rund 15 Autoaufbrüche gegeben. Ob das Duo auch für diese verantwortlich war, blieb im Dunklen.

Der Angeklagte erhielt eine Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren, die entgegen der Forderung der Staatsanwaltschaft zur Bewährung ausgesetzt wird. Damit wurde auch eine zweite Tat, der Diebstahl einer Jacke im August 2023 in Bonn, erledigt. Das Geständnis spreche für ihn und dass er bislang nicht vorbestraft war, so der Richter: „Sie hatten allerdings ja auch noch nicht lange Zeit, in Deutschland straffällig zu werden.“

Der Nordafrikaner ist nach eigenen Angaben über die Kanarischen Inseln, Italien, Frankreich und Belgien im Mai 2023 nach Deutschland gekommen. Sein Traumland, wie er sagte: „Ich möchte hier arbeiten und Geld nach Hause schicken.“ Er habe Berufserfahrung als Schreiner, Lackierer und Friseur. Und vielleicht eine Arbeit in Aussicht: „Ich kenne da jemanden.“ Er verließ ohne Fußfesseln als freier Mann den Saal.

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