Altersarmut in KölnDeutzer Tafel für Rentner eröffnet

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KR Altersarmut

Unvermittelt trifft immer mehr Menschen nach einem langen Arbeitsleben existenzielle Not im Alter.

Köln – Jede Menge rote Kisten, 40 Ehrenamtliche und so gut wie alle Institutionen im Veedel vereint – das Angebot steht. Jetzt müssen die Menschen nur noch kommen zur Deutzer Tafel für Rentnerinnen und Rentner, die am 13. Oktober im Forum an St. Heribert erstmals ihre Türen öffnet. Sicher ist dabei nicht, wie viele Menschen das Angebot annehmen.

„Armut im Alter ist oft mit großer Scham verbunden“, erklärt Annetta Ristow von der Initiative Ceno & die Paten, die das Projekt koordiniert. „Menschen, die ein Leben lang gearbeitet haben, trifft die Armut unvermittelt. Es fällt ihnen oft sehr schwer, ihren Hilfebedarf offen zu zeigen.“

Knapp ein Drittel der Rentenbeziehenden hat monatlich weniger als 1000 Euro netto

1517 Menschen über 65 Jahren bezogen im Bezirk Innenstadt im Jahr 2019 Grundsicherung. Das sind 8,6 Prozent dieser Altersgruppe; 2005 waren es noch 5,3 Prozent (941 Menschen).

15 Prozent aller 64-jährigen Kölnerinnen und Kölner haben im Dezember 2019 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bezogen. Bei den 56- bis 63-Jährigen waren es im Schnitt rund 13 Prozent (Quelle: Statistisches Jahrbuch Köln).

4,9 Millionen Rentnerinnen und Rentner hatten 2021 ein monatliches Nettoeinkommen von unter 1000 Euro, so das Statistische Bundesamt (27,8 Prozent). Frauen sind mit 38,2 Prozent deutlich stärker betroffen als Männer (14,7 Prozent ). 17,6 Millionen Menschen bezogen im Jahr 2021 aus Altersgründen eine Rente.

Bei 1148 Euro lag laut dem Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes die Armutsschwelle für Alleinlebende.

Der ist auch in Deutz vorhanden. „Mindestens 180 ältere, nicht mehr erwerbstätige Menschen hier bekommen eine so niedrige Rente, dass sie aufgestockt werden muss“, hat die langjährige Seniorenvertreterin Gudrun Kleinpass-Börschel herausgefunden. „Doch auch dann reicht es wegen der enormen Preissteigerungen für viele kaum noch zum Leben.“

KR Deutzer Tafel

Es kann losgehen: Karl-Heinz Pasch, Kerstin Schneider von der Diakonie, Gudrun Kleinpass-Börschel und Marlies Knops von St. Herbert (v.l.) vor den noch leeren Tafel-Körben.

Vor allem Frauen sind von Altersarmut betroffen

Um das zu ändern, haben sich die Deutzer katholische und evangelische Gemeinde, Seniorennetzwerk, Bürgerzentrum und die Initiative Ceno zusammengetan. Sie sind Kooperationspartner der Kölner Tafel, die pro Woche Lebensmittel für zunächst 40 Menschen liefert. „Wir haben überall im Veedel für die Tafel geworben, bei Ärzten, Apotheken, in den Kirchen und auf der Deutzer Freiheit Flyer verteilt“, schildert Ristow. „Jetzt hoffen wir, dass möglichst viele Menschen kommen.“

Das soll älteren Hilfsbedürftigen leichter fallen, weil sie mit Menschen in der Schlange stehen, die gleichermaßen betroffen sind. Ein Konzept, das in der Ausgabestelle in Porz und im „Sölzer Körvje“ gelingt. Hier treffen sich bedürftige Rentnerinnen und Rentner aus Sülz, Klettenberg und Lindenthal einmal pro Woche, tauschen sich aus und erfragen Hilfe. „Auch in diesen Vierteln gibt es Altersarmut, vor allem bei Frauen“, sagt Koordinatorin Elfi Heilinger.

Aufnahmestopp in vielen Kölner Tafeln - und die Nachfrage steigt

Und die Krise greift um sich. „Vor sechs Jahren hatten wir 30 Kunden, heute sind es knapp 50 Menschen über 60 Jahren. Maximal zehn mehr könnten wir noch versorgen.“

Schlechter sieht es in den übrigen 41 Ausgabestellen der Kölner Tafel aus. „Fast alle haben Aufnahmestopp“, so Vereinsvorsitzende Karin Fürhaupter. „Wir ächzen. Die neue Ausgabe in Merheim schaffen wir noch, aber mehr geht nicht.“ Auch sie fürchtet, dass die Nachfrage im Winter noch deutlich zunimmt, „allein schon wegen der gestiegenen Energiepreise“.

Wer donnerstags von 16.15 bis 17.30 Uhr im Forum, Deutzer Freiheit 64, einen Tafel-Korb bekommen möchte, muss in Rente sein, im Postleitzahlbereich 50679 wohnen und den Köln-Pass besitzen. „Bei der Beantragung helfen wir“, sagt Seniorenvertreter Karl-Heinz Pasch. Benötigt würden Kopien des Rentenbescheids und der Miet- und Heizkosten. Das Angebot der Seniorenvertretung gehört fest zur Deutzer Tafel.

„Für Armut im Alter muss sich niemand schämen“, stellt Paschs Amtskollege Hubert Alflen klar. „Ich bin als Techniker mit 52 Jahren arbeitslos geworden und in Hartz IV gerutscht. Wir freuen uns, wenn viele Menschen unser Angebot annehmen!“

Interview mit Kerstin Bienek, Leiterin „Alter im Quartier“, Caritas Köln

KR Kerstin Bienek Caritas Köln

Kerstin Bienek, Leiterin „Alter im Quartier“, Caritas Köln.

Belasten die gestiegenen Kosten Senioren?

Ja. Sie sind grundsätzlich gerade ein großes Thema für sie. Wir hören in der Beratung immer wieder Sätze wie: Ich kann mir kein ordentliches Mittagessen mehr leisten, nur noch eine Konservendose. Die Unsicherheit ist groß. Problematisch wird es auch für diejenigen, die knapp über dem Bemessungsbetrag für Sozialleistungen liegen.

Fällt es Senioren leicht, Unterstützung zu suchen?

Aus unserer Erfahrung leider nicht. Diese Menschen haben ja oft eine große Lebensleistung hinter sich und die Erkenntnis, dass die Rente nicht reicht, ist sehr schwer anzunehmen. Ein typischer Satz für alte Menschen ist: Ich war immer unabhängig, ich habe noch nie Sozialleistungen beantragt. Das mit 88 oder 94 zum ersten Mal zu machen, ist ein Schritt, der schwerfällt. Den Menschen graut davor, alles offenzulegen.

Was raten Sie?

Längst nicht alle, die einen Anspruch auf den Köln-Pass oder Wohngeld hätten, haben das auch beantragt. Ich ermutige Menschen, das zu machen. Der Weg in eine Seniorenberatungsstelle lohnt sich auf jeden Fall. Dort in den Stadtbezirken beraten wir und andere Träger der Wohlfahrtspflege unverbindlich und kostenfrei zu allen Möglichkeiten.

Das Interview führte Diana Hass.

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