Interview

Thüringens CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt
„Wir brauchen eine Hausordnung für unser Zusammenleben“

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Thüringen, Erfurt: Mario Voigt, CDU-Fraktionschef, spricht im Plenarsaal des Thüringer Landtags

Thüringen, Erfurt: Mario Voigt, CDU-Fraktionschef, spricht im Plenarsaal des Thüringer Landtags

Thüringens CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt spricht im Rundschau-Interview über die AfD, Windräder im Wald und Politik in Ost und West

Bei der spannendsten Landtagswahl des Jahres in Thüringen will der 47-jährige CDU-Kandidat Mario Voigt das Rennen machen und Bodo Ramelow von der Linken als Ministerpräsident beerben. Dass er sich einem TV-Duell mit AfD-Rechtsaußen Björn Höcke stellte, hat vielen imponiert.

Herr Voigt, abgesehen von dem Effekt, dass Sie nun jeder in Deutschland kennt: War es richtig, mit Björn Höcke von der AfD ins TV-Duell zu gehen?

Ja, das war richtig! Es hat doch deutlich gemacht, dass zwischen meiner konservativen Haltung und Menschen mit extremistischem Weltbild deutliche Unterschiede bestehen. Schon allein dafür, dass Herr Höcke den Begriff der neuen Rechten, die „Remigration“, auf offener Bühne umgedeutet und verdreht hat, hat es sich gelohnt. Die Menschen müssen diese Widersprüchlichkeit sehen, deshalb war es richtig.

Großbritannien hat gerade die „Remigration“ von Asylbewerbern nach Ruanda beschlossen. Wo ist der Unterschied zum AfD-Konzept?

Das Konzept der sicheren Drittstaaten ist etwas anderes, das zielt auf Anerkennungsverfahren außerhalb der EU. Über humanitäre Kontingente wollen wir sicherstellen, dass nur die nach Deutschland kommen, die auch tatsächlich Anspruch auf Asyl haben. Höcke dagegen meint, Deutschland könne auf 20 bis 30 Prozent seiner Bevölkerung verzichten. Er will, dass Menschen mit Doppelpass und solche, die aus Sicht der AfD nicht angepasst sind, das Land wieder verlassen. Das hat rein gar nichts mit dem Menschenbild der CDU zu tun.

Trotzdem: Schließen Sie eine Koalition mit der Höcke-AfD nach der Wahl zu 100 Prozent aus?

Ja. Björn Höcke ist ein völkischer Nationalist. Mit ihm kann es keine Koalition geben. Mein Ziel ist es, die AfD zu schlagen und eine Regierung der demokratischen Mitte zu bilden.

Warum bremsen Sie dann zusammen mit der AfD die Energiewende in Thüringen aus? Sie haben gemeinsam ein Keine-Windmühlen-im-Wald-Gesetz beschlossen …

Wir beschließen nichts gemeinsam mit der AfD. Unsere Position ist es, den Wald zu beschützen. Deshalb haben wir inhaltliche Vorschläge zu einer klugen Energiepolitik gemacht. Wir wollen für eine vernünftige, bezahlbare und saubere Energieversorgung in Thüringen sorgen und haben dafür einen umfangreichen Energie-Plan vorgelegt. Unser Ziel ist, dass Thüringen bis 2040 den Strom, den wir verbrauchen, selbst produziert. Das wollen wir mit Photovoltaik, Wind, Biomasse und auch Geothermie schaffen, unser Konzept ist da sehr klar. Die Ampel-Regierung sorgt dagegen mit der ideologischen Vorgabe, mehr als zwei Prozent der Landesfläche für Windkraft zu nutzen, für Wildwuchs im ganzen Land. Wir sind das grüne Herz, ein Drittel von Thüringen ist mit Wald bedeckt. Wir wollen diesen Wald aufforsten und nicht mehr und mehr Flächen versiegeln.

Braucht die CDU in den ostdeutschen Bundesländern noch andere Antworten als im Westen?

Wir sind ein deutsches Vaterland. Mehr als 30 Jahre nach der Friedlichen Revolution sind wir an einem Punkt angekommen, wo wir begreifen müssen, dass der ländliche Raum in Niedersachsen ähnliche Probleme hat wie der in Thüringen. Der Unterschied ist, dass manche Entwicklungen im Osten früher passieren. Durch diese Veränderungen und Erfahrungen haben die Menschen viel in die gesamtdeutsche Erzählung einzubringen. Sie reagieren hier, wo sie sich über 30 Jahre einen kleinen Wohlstand aufgebaut haben, sensibel auf Bedrohungen durch ideologische Politik aus Berlin. Im Osten gibt es ein stärkeres Empfinden dafür, dass ein politisches System auch scheitern kann.

Was folgt aus diesen Beobachtungen?

Politik sollte jedenfalls nicht vermitteln, dass sie besser weiß, wie die Menschen zu leben haben. Das ist anmaßend und bevormundend. Als CDU möchten wir einen sinnvollen Rahmen setzen und Politik auf die wesentlichen Fragen konzentrieren, damit Menschen ihren eigenen Lebensträumen nachstreben können. Aber wir wollen ihnen nicht vorschreiben, wie sie zu heizen, sich fortzubewegen und zu ernähren haben. Das ist der Unterschied zwischen linker und bürgerlicher Politik, die wir als CDU verfolgen. Wir sind kein links-grünes Land.

Markiert das neue Grundsatzprogramm der CDU den Schlusspunkt der Ära von Angela Merkel?

Es ist die Antwort der Union auf eine veränderte Welt. Wir sind mit einem Krieg in Europa konfrontiert, wir stehen vor massiven demografischen Veränderungen. Das Grundsatzprogramm ist „CDU pur“. Wir konzentrieren uns auf unsere alten Stärken, aber wir greifen auch mutig neue Themen auf. Die Union ist damit wieder ganz bei sich selbst. Es gibt eine tiefe Sehnsucht der Menschen, dass es wieder geordnet zugeht, dass sich Leistung auch wieder lohnt. Wir knüpfen zwischen Freiheit und Sicherheit ein verbindendes Band.

Der Satz „Der Islam gehört zu Deutschland“ hat es nicht ins Grundsatzprogramm geschafft. Richtig so?

Unser Programm ist sehr klar: Muslime sind Teil der religiösen Vielfalt Deutschlands. Aber ein Islam, der unsere Werte nicht teilt und unsere freiheitliche Gesellschaft ablehnt, gehört nicht zu Deutschland. Wir haben das in Hamburg vor wenigen Tagen bei der Islamisten-Demo gesehen. Solche Leute lehnen unsere Ordnung ab und wollen das Kalifat ausrufen. Sie führen damit die übergroße Mehrheit der Muslime in Deutschland vor. Hamburg zeigt, dass es richtig und auch notwendig ist, diese Debatte zu führen. Wir brauchen eine Hausordnung für unser Zusammenleben, eine Leitkultur. Und das muss mehr sein als der Verweis auf das Grundgesetz.

Und zwar?

Sie umfasst eine gemeinsame Sprache und eine gemeinsame historische Verantwortung. Wir stellen nun klar, dass wir nicht länger akzeptieren, dass sich islamistische Organisationen in die inneren Angelegenheiten von Deutschland einmischen können. Einen Islam, der die Grundrechte nicht achtet oder die sexuelle Orientierung von Menschen nicht respektiert, wollen wir nicht tolerieren. Ein solcher Islam gehört nicht zu Deutschland, Kalifat und Scharia gehören nicht zu Deutschland.

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