Unfälle mit FußgängernSind Radfahrer in Köln rücksichtsloser als früher?

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Blick in die Kölner Ehrenstraße.

Die Kölner Ehrenstraße ist mittlerweile eine Fußgängerzone, wird aber weiterhin stark von Radfahrern frequentiert. Das birgt Konfliktpotenzial.

Fußgänger klagen in Köln oft über Rücksichtslosigkeit von Radfahrern. Aber spiegelt sich dieser Eindruck in der Unfallstatistik wider? Wir haben nachgehört.

Sind Fahrradfahrer in Köln heutzutage rücksichtsloser als früher? Dieser Eindruck drängt sich so manchem auf, denn tagtäglich kann man in der Stadt erleben, wie Radfahrer rote Ampeln und Zebrastreifen ignorieren, Gehwege als ihr natürliches Revier betrachten oder ungebremst durch Fußgängerzonen brettern. Mit der steigenden Zahl von E-Bikes und Lastenrädern nimmt die Geschwindigkeit der Radfahrer ebenso zu wie die Masse, die sie bewegen. Rundschau-Leser berichten, als Fußgänger würden sie sich auf dem Bürgersteig nicht mehr sicher fühlen. Die Rücksichtslosigkeit von Radfahrern habe zugenommen.

Doch lässt sich diese Wahrnehmung auch mit Zahlen belegen? Wir haben bei der Kölner Polizei nachgefragt. Die hat im März die Unfallstatistik vorgelegt. 25 Menschen sind demnach 2023 bei Verkehrsunfällen in Köln gestorben - doppelt so viele wie 2022. 16 von ihnen waren mit dem Rad oder zu Fuß unterwegs. Die Zahl der verunglückten Radfahrer sank leicht auf 2065, während 646 verletzte Fußgänger einen Anstieg um 8,6 Prozent bedeuten.

Jeder zweite Unfall mit Fahrrad-Beteiligung von Radfahrer verursacht

Wie die Polizei auf Anfrage mitteilte, wurde 2023 mehr als jeder zweite Unfall mit Beteiligung von Radfahrern auch von diesen verursacht. Konkret waren es 2106 Unfälle, bei 1197 davon war der Radfahrer Hauptverursacher. Das entspricht einer Quote von 56,8 Prozent. Allerdings waren knapp die Hälfte der 1197 Unfälle Alleinunfälle - also Stürze von Radfahrern ohne Beteiligung weiterer Personen. Häufigste Ursachen laut Polizei: verbotswidrige Straßennutzung, nicht angepasste Geschwindigkeit, missachtete Vorfahrt und Fahren unter Alkoholeinfluss.

Bei E-Bikes dasselbe Bild: 175 von 312 Unfällen wurden von den E-Bike-Fahrern verursacht (56,1 Prozent).

Bei E-Scootern liegt die Quote dagegen deutlich höher. 2023 kam es   zu 414 Unfällen mit E-Scooter-Beteiligung. 333 davon (80,4 Prozent) wurden von den E-Scooter-Fahrern verursacht. 186 waren Alleinunfälle (44,9 Prozent).

Grafik zu Unfällen mit Radfahrern und Fußgängern in Köln.

Grafik zu Unfällen mit Radfahrern und Fußgängern in Köln.

Doch wie oft waren Fußgänger die Leidtragenden? Laut Polizei gingen voriges Jahr 77 der 1197 erfassten Fahrradunfälle zum Nachteil von Fußgängern aus (siehe Infotext unten).

Unfälle mit Fußgängern auf Gehwegen rückläufig

Auf die Frage, ob die Unfallstatistik den Eindruck bestätige, dass die Rücksichtslosigkeit von Radfahrern zugenommen habe, sagte Polizeisprecher Sascha Wallmeroth: „Über die Datenlage lässt sich dieses subjektive Empfinden nicht valide bestätigen. Nach der Pandemie sind die Zahlen zwar gestiegen und bewegen sich seit 2021 auf einem relativ gleichbleibenden Niveau. Dies ist in allen anderen Bereichen jedoch ebenfalls so.“

Insbesondere bei der verbotswidrigen Benutzung von Geh- und Radwegen sei die Zahl der Unfälle rückläufig. „2021 gab es 14 Unfälle dieser Art, 2022 waren es 17 und 2023 lediglich zehn.“ Auch die Zahl der 77 von Rad-Unfällen betroffenen Fußgänger sei unauffällig, so Wallmeroth. „Seit 2019 wurden jährlich zwischen 60 und 81 solcher Unfälle von der Polizei Köln erfasst.“

Die Dunkelziffer ist hoch. Viele kleinere Unfälle werden gar nicht erst erfasst.
Anne Grose, Sprecherin des Fußgängerschutzvereins „Fuss e. V.“

Die Statistik bilde aber nur einen Teil der Wirklichkeit ab, betont Anne Grose, Sprecherin der Ortsgruppe Köln des Fußgängerschutzvereins „Fuss e.V.“. „Die Dunkelziffer ist hoch. Viele kleinere Unfälle werden gar nicht erst erfasst.“ Der Verkehr habe zugenommen, der Platz sei knapp. „Die Straßen sind voll.“ Ihr Eindruck sei, dass rücksichtsloses Verhalten von Radfahrern zugenommen habe. Es werde auf Gehwegen gefahren, wenig Abstand eingehalten, das störe das Sicherheitsgefühl vieler Menschen. „Vor allem Ältere empfinden das als bedrohlich.“

Zudem gebe es eine objektive Gefahrenlage. Grose verweist auf zwei tödliche Unfälle 2023 auf der Lindenstraße und am Salierring. In beiden Fällen kollidierten Rennradfahrer (22, 24) mit älteren Damen (81, 83) . Beide Frauen starben.

„Alle Verkehrsteilnehmer sind gefordert, aufeinander Rücksicht zu nehmen, natürlich auch Radfahrer“, sagt Christoph Schmidt, Vorsitzender des Kreisverbands Köln des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs. Geringer Abstand beim Überholen durch Autofahrer sei bei den Unfallzahlen unauffällig, aber dennoch ein massives Angstthema für Radfahrer. „Da müssen wir es natürlich auch ernst nehmen, wenn sich Fußgänger von Radfahrern bedroht fühlen.“ Alle müssten sich respektvoll die Wege teilen. Konflikte gingen aber teils auch auf fehlende Beschilderung, Defizite in der Infrastruktur oder Missverständnisse zurück. „Zum Beispiel gibt es viele Beschwerden über Radfahrer auf dem Eigelstein. Aber der ist eine Fahrradstraße und keine Fußgängerzone.“


Rotlicht, hohes Tempo, geringer Abstand

Die Kölner Polizei erfasste im vergangenen Jahr 77 von Radfahrern verursachte Unfälle, bei denen Fußgänger ohne eigenes Zutun zu Schaden kamen. Bei 1197 Fahrrad-Unfällen insgesamt betrug die Quote 6,4 Prozent.

Rechnet man die 563 Alleinunfälle von Radfahrern heraus, ging knapp jeder achte Fahrrad-Unfall (12,1 Prozent) zum Nachteil eines Fußgängers aus. Umgekehrt gab es 90 Fälle, in denen der Unfall von einem Fußgänger verursacht wurde zum Nachteil des Radfahrers.

23 Unfälle zum Nachteil von Fußgängern wurden von E-Scooter-Fahrern verursacht, während umgekehrt nur in fünf Fällen ein Fußgänger einen Unfall zum Nachteil eines E-Scooter-Fahrers verursachte.

Bei den 100 von Fahrrad- und E-Scooter-Fahrern verursachten Unfällen zum Nachteil von Fußgängern war laut Polizei die häufigste Unfallursache mit 42 Fällen „falsches Verhalten gegenüber Fußgängern an anderen Stellen“. Das betrifft Unfälle auf der Fahrbahn mit Ausnahme von Fußgängerüberwegen, Kreuzungsbereichen. In je zehn Fällen lag Fehlverhalten an Zebrastreifen oder „verbotswidrige Nutzung der Fahrbahn“ vor. Gemeint ist Radfahren auf dem Gehweg oder entgegen der Fahrtrichtung auf dem Radweg. In acht Fällen ging der Unfall auf zu hohes Tempo oder fehlenden Abstand zurück. Je sieben Mal hatte der Rad- oder E-Scooter-Fahrer Rotlicht missachtet oder Alkohol getrunken. (fu)

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