„Das Leuchten im Glas!“Warum eine Bar in Sülz montags zum Anziehungspunkt wird

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Fünf junge Frauen im Straßenlokal trinken Aperol

Jeden Montagabend dasselbe Bild: Aperol trinkende junge Leute vorm Deli Sülz

Seit einem Jahr bildet sich jeden Montagabend vor dem Deli Sülz eine Menschentraube. Ein besonderes Konzept des Betreibers lockt an. 

Wenn sich an einem ganz normalen Montagabend vor einem Lokal eine Menschentraube gebildet hat, dann denkt man: da ist eine geschlossene Gesellschaft, da wird gefeiert – eine Hochzeitsparty vielleicht. Vorm Deli Sülz steht jedoch keine Hochzeitsgesellschaft – und was dort inzwischen montags zur Normalität geworden ist, ist etwas ganz Besonderes. An diesem Montag ist einer der kältesten Apriltage – sieben Grad – und selbst wenn es etwas umsonst gäbe, würde man sich doch nicht mit Freunden verabreden, um draußen herumzustehen. Oder? – Doch!

Hier kommen Menschen etwa seit einem Jahr immer wieder zusammen. Es ist ein Phänomen, von dem auch Dylan Stuka, der Betreiber des Deli Sülz, überrollt wurde. Während sich die meisten der Kölner Lokale im Ruhetags-Modus befinden, steht hier an der Ecke Berrenratherstraße/ Sülzburgstraße gefühlt die gesamte jüngere Bewohnerschaft des Veedels plus deren Freunde von außerhalb.

Sie stehen nicht an um reinzukommen

Man kennt solche Menschenaufläufe in Sülz sonst eigentlich nur von den Karnevalstagen. Aber anders, als vorm Brauhaus Unkelbach, wo man sich stundenlang die Beine in den Bauch steht, um eingelassen zu werden, geht es am Deli Sülz gar nicht darum hereinzukommen.

Viele junge Leute kommen vor allem an wärmeren Tagen vor dem Eingang des Deli Sülz zusammen.

Viele junge Leute kommen vor allem an wärmeren Tagen vor dem Eingang des Deli Sülz zusammen.

Worum geht es dann? „Einfach um gute Laune“, mutmaßt Denis van der Meer. Er arbeitet für einen italienischen Spirituosenhersteller und ist somit ganz nah dran an dem Hauptakteur des heutigen Abends: dem Aperol-Spritz.

Kultgetränk ist älter als 100 Jahre

Nun ist die Basis dieses Getränks bekanntlich keine Erfindung des 21. Jahrhunderts, sondern das Ergebnis eines mehr als hundert Jahre zurückliegenden Experiments zweier italienischer Brüder, die 1919 den Aperol-Aperitivo austüftelten.

Allerdings trat das heutige Kultgetränk erst nach der Übernahme durch die Firma Campari seinen Siegeszug an und überflutete besonders stark in den letzten Jahren die hiesige Barlandschaft.

Mit Eröffnung seiner Aperol-Spritzeria am Gottesweg, der einzigen Bar dieser Art in NRW, hatte Dylan Stuka absolut den richtigen Riecher. Aber mit einem derartigen Erfolg an Montagen in seinem nur einen halben Kilometer entfernten Deli, hatte der 29-Jährige nicht gerechnet, als er im Frühjahr 2023 mit seinem Team überlegte, wie man das Ausgeh-Angebot im Veedel insbesondere für die jüngere Klientel attraktiver gestalten könnte.

Freier Tag für Gastronomen

Der Montag als fester Wochentag für eine regelmäßige Veranstaltung bot sich nicht nur deshalb an, weil das Gros der anderen Läden dann geschlossen ist, sondern weil Gastronomen und Leute, die in der Gastronomie tätig sind, im Grunde auch nur diesen Tag zum Ausgehen haben. Auch die trifft man nun abends in Sülz.

Als Stuka im letzten Sommer nach einem solchen „Aperol-Montag“ Bilanz zog und feststellte, dass er 150 dieser Cocktails zu dem an diesem Tag jeweils geltenden Sonderpreis von fünf Euro verkauft hatte, wollte er seinen Augen kaum trauen. Am achten April dieses Jahres, das war der Montag mit Temperaturen um 20 Grad, waren es laut Stuka 1300 Aperol-Spritz. „Wahnsinn!“, sagt er selbst.

Inzwischen gibt es den leicht bitteren Geschmacksträger für den Cocktail übrigens auch in einer alkoholfreien Variante – sogar in Köln hergestellt vom Unternehmen Polly. Dieser autofahrerfreundliche Cocktail wird statt mit Prosecco mit Tonic Water aufgefüllt.

Zulauf ist unabhängig vom Event

Die Zahl der Gäste, sagt Stuka, sei inzwischen völlig unabhängig davon, ob parallel noch ein Event im Lokal, wie etwa der regelmäßige Flohmarkt, stattfinde. Der führe hauptsächlich dazu, dass auch mal ein paar ältere Semester im Lokal ihre ausrangierten Kleidungsstücke, Bücher oder Accessoires zum Verkauf anböten. Für zehn Euro kann man sich einen Tisch mieten und am Flohmarkt partizipieren. Für die Großversammlung draußen bedürfe es indes keines besonderen Anlasses. 

Aber wie erklärt sich das Phänomen? Die Zusammenballung von Menschen trotz einstelliger Temperatur? – Es sei die charakteristische rote Farbe, glaubt Denis van der Meer. „Das Leuchten im Glas!“

Berrenratherstraße ist die Sonnenseite

„Die Stimmung ist einfach super hier“, sagt Lara, die mit ihren drei Freundinnen und Hund Juanita mitten im Geschehen sitzt. Sie selbst wohne inzwischen in Amsterdam, aber bei Heimat-Besuchen führe kein Weg an Sülz vorbei.

„Du kommst hier nicht dran vorbei, ohne dass du ein Gesicht siehst, das du kennst. Wenn du montags keinen Aperol willst, musst du Schleichwege durch Sülz benutzen“, erklärt Thalia lachend.

Sie und die anderen jungen Frauen auf der Berrenrather Straße sitzen auf der Sonnenseite. Sofern diese scheint. Das ist heute nicht der Fall. Vielleicht nächsten Montag wieder. Dann ist noch mehr Leuchten im Glas.

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